Ein Teil der gelieferten Akten in Papierform auf einem von der Parlamentsdirektion zur Verfügung gestellten Foto.

Foto: parlamentsdirektion / Thomas Jantzen

Wien – Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) setzte einen ungewöhnlichen Schritt: Der Gerichtshof beantragte bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Exekution einer seiner Entscheidungen im Finanzministerium. Es geht um E-Mails aus dem Ministerium von Gernot Blümel (ÖVP), die laut einem VfGH-Entscheid dem Ibiza-Untersuchungsausschuss zugestellt werden müssen. Doch Blümel ist dem Stand Donnerstagnachmittag nicht nachgekommen.

Das Bundes-Verfassungsgesetz (Artikel 146) sieht in so einem Fall als letzten Schritt vor, dass der Bundespräsident zur Exekution, also zur Beschaffung der Daten, aufgefordert wird. Van der Bellen kann dafür auf alle Organe des Bundes und der Länder, inklusive des Bundesheers, zugreifen. In einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz erklärte Van der Bellen: "In dieser Form hat es das in unserem Land noch nicht gegeben."

Ministerium hat noch am Donnerstag geliefert

So weit dürfte es allerdings gar nicht kommen, denn das Finanzministerium hat auf STANDARD-Anfrage angekündigt, die geforderten Dokumente "noch heute" an die Parlamentsdirektion zu übermitteln – und das laut Parlamentsdirektion am Abend auch getan.

"Die VfGH-Entscheidung ist zu akzeptieren – und das Bundesministerium für Finanzen wird dieser selbstverständlich unverzüglich und vollumfänglich nachkommen", heißt es aus dem Ministerium. Blümel habe "von Beginn an den Auftrag gegeben, vollumfänglich mit dem U-Ausschuss zusammenzuarbeiten und die notwendigen Daten, die im Übrigen nicht die Amtszeit von Bundesminister Blümel betreffen, zur Verfügung zu stellen".

Das Ministerium habe "jedoch eine Fürsorgepflicht gegenüber den 12.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Daher muss die Wahrung von Daten- und Persönlichkeitsschutz gewährleistet werden, da es auch um höchstpersönliche Daten wie etwa Gesundheits- und Krankendaten geht", erklärt ein Sprecher. "Das Bundesministerium für Finanzen hat bereits bisher über 20.000 elektronische Dokumente geliefert und wird noch heute die restlichen Unterlagen an die Parlamentsdirektion übermitteln."

Van der Bellen: Alle müssen sich an Regeln halten

Bei seinem Pressestatement informierte der Bundespräsident, dass Blümel auch ihm gegenüber die Lieferung der E-Mails angekündigt hat. Wenn das Parlament berichtet, dass das passiert ist, würde sich das VfGH-Erkenntnis erübrigt haben, sagt Van der Bellen – ansonsten würde er der Aufforderung nachkommen und die Daten beschaffen lassen.

Diese Situation möge für viele überraschend kommen, "aber nicht für unsere Bundesverfassung", lobte der Präsident das Schriftstück. Klar sei auch, dass sich an die von ihr vorgegebenen Regeln alle zu halten haben.

Die Parlamentsdirektion bestätigte die Lieferung am Donnerstagabend: Da es sich um Akten der Stufe drei handle, wurden diese in Papierform geliefert. Das Papier sei aufgeteilt auf 204 Ordner und 30 Kartons gebracht worden.

Antrag der Opposition

Beantragt hatten die Lieferung die Oppositionsfraktionen SPÖ, FPÖ und Neos. Der VfGH gab am 3. März ihrem Verlangen statt, dass Blümel eine Reihe von E-Mail-Postfächern dem Ausschuss zur Verfügung zu stellen hat. Das betrifft die Mails der Leiterin des Beteiligungsmanagements im Finanzministerium, die Korrespondenzen von Ministeriumsmitarbeitern mit dem nunmehrigen Öbag-Chef Thomas Schmid, damals Generalsekretär im Finanzministerium, und anderen Mitarbeitern des damaligen Finanzministers Hartwig Löger (ÖVP).

Da Blümel dem aber nicht nachkam, beantragte die Opposition, die Exekution dieser Entscheidung durch den Bundespräsidenten zu erwirken. Auch dem gab der VfGH nun statt.

Weiterer Antrag abgewiesen

Einen weiterer Antrag der Opposition in dieser Causa hat der VfGH jedoch abgewiesen: Einsicht in die vom Finanzministerium dem VfGH vorgelegten Dateien sei nicht angebracht, weil "keine konkreten Rechtsschutzinteressen vorliegen". Es sei keine Akteneinsicht zu gewähren, wenn deren Gewährung bereits den Streit darüber entscheiden würde, ob die Akten überhaupt dem Untersuchungsausschuss vorgelegt werden müssen, stellten die Verfassungsrichter fest. (sefe, APA, 6.5.2021)