Warten auf Gäste: Ab 19. Mai kehrt in Wiens Gastronomie indoor wie in Schanigärten neues Leben zurück.

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Wien – "Die soziale Einsamkeit hat in den Gesichtern vieler Menschen Spuren hinterlassen", sagt Christina Hummel. Vor allem ältere Gäste seien für jedes Gespräch dankbar. Sie selbst wolle nicht länger zuwarten, bis es sich finanziell rechne, wieder aufzusperren. "Ein sanfter Neustart ist für unser aller Psyche wichtig."

Hummel führt im Herzen der Josefstadt das gleichnamige Café/Restaurant. "Die Leute wollen statt aus Pappbechern wieder aus Porzellantassen und Häferln trinken, meine Mitarbeiter wieder eine Aufgabe haben." Welche Regeln Wien für Gastronomen ab 19. Mai auch immer vorsehe – sie habe für alle Varianten ein Konzept fertig in der Schublade.

Die Stadt ließ die Wirte bis exakt zwei Wochen vor der geplanten Lockerung des Lockdowns zittern. Seit Donnerstagnachmittag ist klar: Leben zurückkehren darf nicht nur in Schanigärten, sondern unter Sicherheitsvorkehrungen auch ins Innere der Beisln, Cafés und Restaurants.

"Kein gallisches Dorf"

In der Branche gingen darob zuvor die Wogen hoch, vor allem unter Unternehmern, die ohne Gastgarten über die Runden kommen müssen. "Wien ist kein gallisches Dorf", sagt Mario Pulker, Gastronomieobmann der Wirtschaftskammer. Eine Großstadt abzuriegeln wäre bar jeder Vernunft gewesen. Mehr als 100.000 Wiener hätten Zweitwohnsitze auf dem Land – und beim Wirt eingekehrt wäre vorerst wohl nur in Burgenland und Niederösterreich geworden.

Für Pulker hätte eine Teilöffnung nur Verlierer hervorgebracht. Zu unbeständig sei das Wetter zu dieser Jahreszeit. Zu mager sei das Geschäft, das der Konsum unter freiem Himmel abwerfe. Pulker bezweifelt, dass die Mehrheit der Gastronomen unter diesen Bedingungen überhaupt aufgesperrt hätte – außer unter Druck der Pächter. Was freilich erst recht für finanziellen Scherbenauf gesorgt hätte.

Großhandel gefordert

"Endlich ist Aufbruchstimmung da", sagt Wolfgang Binder, Obmann der Kaffeehäuser. Für Wirte gelte es nun, leere Getränke- und Lebensmittellager aufzufüllen. Der Großhandel sei wieder gefordert. Auch er ist erleichtert, dass sich das Ende des Stillstands nicht nur für wenige Schanigärten abzeichnet. Jeder Sessel im Garten hätte gut siebenmal am Tag besetzt werden müssen, damit er sich rentiert. "Wir können die Gäste doch nicht nach eineinhalb Stunden rausschmeißen."

Die 3.000 Wiener Wirte, die nur unter Dach auftischen können, wären zudem doppelt leer ausgegangen: Die Konkurrenz der Schanigärten hätte diese auch den Gutteil des Geschäfts mit Take-away und Zustellung gekostet.

Stolpersteine bleiben

Der Illusion, dass rasch alles so wird wie vor der Krise, gibt sich dennoch niemand hin. Ohne die Rückkehr der Touristen aus aller Welt bleiben die Umsätze vor allem in der Wiener Innenstadt mager. Abstandsregeln von zwei Metern bereiten ebenso Kopfzerbrechen wie die Pflicht, Gäste auf Tests und Impfungen zu kontrollieren. Die nächsten Monate werden eine beinharte Rechenaufgabe, resümiert Hummel. "Aber so sind die Zeiten. Da müssen wir durch." (Verena Kainrath, 6.5.2021)