Urlaub, Motorrad, Wurlitzer – Kultur und Lebensgefühl der 1950er: Detail der Oberösterreichischen Landesausstellung im Museum Arbeitswelt.

Foto: Thomas Neuhold

Das große rote Transparent über dem Eingang zum Museum Arbeitswelt macht gleich klar, worum es aktuell in Steyr geht: "Solidarität mit den MAN-Arbeiterinnen und -Arbeitern" lautet die Parole. Daneben der Hashtag "#WirFürSteyr".

Plötzlich ist, was hinter den Museumsmauern thematisiert wird, wieder einmal brennend aktuell in der kleinen oberösterreichischen Industriestadt: Die, die den Reichtum schaffen, können über seine Verwendung nur bedingt verfügen.

Natürlich hatte das Ausstellungsteam unter der Leitung der Historiker Herta Neiß und Michael John von der Universität Linz bei der Ausstellungskonzeption keine Ahnung, dass es just zur Eröffnung im Frühjahr 2021 im MAN-Gebälk kracht. Die Titelwahl der Oberösterreichischen Landesausstellung könnte trotzdem kaum programmatischer und treffender sein: Arbeit. Wohlstand. Macht.

Drei Ausstellungsorte

Dass nun plötzlich der Teil Arbeit im Mittelpunkt des Interesses steht, entspricht freilich nicht der Konzeption. Aufgeteilt auf drei Orte, versucht die Schau der Kultur-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte von Adel, Bürgertum und Arbeiterschaft sozusagen gleichberechtigt nachzuspüren.

Dem gewissermaßen sozialpartnerschaftlichen Konzept folgend, wurde der Adel im barocken Schloss Lamberg, das Bürgertum im Renaissancebau Innerberger Stadel und die Arbeiterschaft im Museum Arbeitswelt platziert. Nebenbei bemerkt: Die räumliche Trennung hat einen wohltuenden Nebeneffekt – die Besucher haben Gelegenheit, in die Stadt Steyr mit ihren unzähligen denkmalgeschützten Objekten einzutauchen.

Foto: Thomas Neuhold

Wobei vor allem das Adelskapitel unter genau dem leidet, was Landesausstellungen oft ein wenig verstaubt wirken lässt: Die Geschichte des Adelsgeschlechts Lamberg wird stammbaummäßig mit ein paar launigen Gegenwartsbezügen dargestellt, Fragen nach Herkunft des Reichtums der Adelsgeschlechter bleiben aber ausgespart.

Je näher zur Gegenwart, umso besser wird die Gestaltung. Das Bürgertum und der Wohlstand – im Innerberger Stadel skizziert – bringt für Außenstehende einen Aha-Effekt: Der Tigern-Sie-zum-Löwen-Hartlauer hat in Steyr 1971 sein erstes Geschäft eröffnet und hier eine der aggressivsten Vermarktungsgeschichten Österreichs gestartet.

Arbeit und Alltagskultur

Was eine Landesausstellung leisten kann, zeigt sich im Kapitel Arbeit im Museum Arbeitswelt. Die Schau führt durch die vergangenen 150 Jahre Industriegeschichte, mit viel alltagskulturellen Bezügen werden die Phasen des Aufstiegs und der Katastrophen illustriert. "Es ist immer ein Spagat zwischen wissenschaftlichem Anspruch und populärer Vermittlung", sagt der Historiker und wissenschaftlicher Mitarbeiter Andreas Praher beim STANDARD-Lokalaugenschein.

Oldtimer oder das legendäre Waffenradl dienen nur als Blickfang, es ist die geschickt implementierte historische Achse, die fasziniert: die nachgebaute Enge der Arbeiterwohnung, das Vorstadtbeisl, die originale Schutzbündleruniform, das zerschlissene Gewand eines KZ-Häftlings aus dem Außenlager Steyr, der kommunistische Widerstand gegen die Nazis und dann der Aufbruch in die Zweite Republik, dargestellt durch einen "Gang der Verdrängung", der mit Heimatfilmplakaten vollgehängt ist.

Mit viel Ironie wird in einer Vitrine mit Kreisky-Devotionalien die sozialdemokratische Ära und der Kreisky-Kult dargestellt. Und dann der Absturz: Im "Tunnel der Krise" hängen die Transparente der Demos gegen die Zerschlagung der verstaatlichten Industrie. Es könnten die Losungen von heute sein.

Und die MAN-Krise? Am Ende der Schau gibt es einen Bildschirm mit einem langen Interview mit einer Betriebsrätin. Mehr sei nicht machbar gewesen, sagt Historiker Praher. "Noch weiß ja niemand, wie die Sache ausgeht." (Thomas Neuhold, 7.5.2021)