ORF-General Alexander Wrabetz, hier bei der Präsentation des diesjährigen "Mutter Erde"-Schwerpunkts.

Foto: ORF / Thomas Jantzen

Helle Begeisterung klingt anders: "Ich nehme das drei Monate vor Bewerbungsschluss zur Kenntnis." So nüchtern kommentiert Thomas Zach am Donnerstag, dass Alexander Wrabetz (61) seine neuerliche Bewerbung um die Führung des ORF ab 2022 mit "Ja, ich will!" kundtat.

Thomas Zach ist der Sprecher des bürgerlichen "Freundeskreises" im ORF-Stiftungsrat. Und dieser türkise Freundeskreis stellt allein jene Mehrheit, die man am 10. August braucht, um nächster ORF-General oder nächste ORF-Generalin zu werden.

Wrabetz hat schon zwei ORF-Wahlen gegen eine ÖVP-Kandidatin und einen ÖVP-Kandidaten gewonnen. Aber noch nicht gegen – bürgerliche Unabhängige mitgerechnet – bis zu 20 Stimmen von 35.

"Wrabetz wird's nimmer"

Seine Chancen für den August 2021 will der am längsten ungeschlagene ORF-General am Donnerstag nicht taxieren. Ein wichtiger Stiftungsrat gab einer Wiederwahl am Mittwoch noch 20 bis 25 Prozent. Seine Prognose aus heutiger Sicht: "Wrabetz wird’s nimmer."

Doch den Juristen, sozialdemokratischen Studentenpolitiker und späteren Vamed-Manager für Spitalsprojekte in aller Welt haben schon viele zu früh abgeschrieben.

Werner Faymann und Josef Ostermayer wollten ihn, 2008 kaum selbst an der SPÖ-Spitze und im Kanzleramt angekommen, vom Küniglberg entfernen. "Freundschaft!" war selbst als Grußformel unter Sozialdemokraten längst aus der Mode gekommen. Ihre Wunschkandidaten winkten ab, mit dem RTL- und dann Warner-Media-Boss Gerhard Zeiler drohte ihnen ein Konkurrent um die Führung der SPÖ und des Landes mit Rückkehr in den ORF. Also setzten Faymann und Ostermayer doch auf den gerade noch unter Beschuss genommenen, aber entgegenkommenden Wrabetz. Die ÖVP hatte gleich gar keinen Gegenkandidaten.

Offene Rechnungen mit ÖVP

Dabei hatte sie mit Wrabetz noch eine Rechnung von 2006 offen: Der ORF-Finanzdirektor gewann – mit gleich drei von sechs Direktorenjobs und vielen Versprechen – das freiheitliche BZÖ, gegen Regierungspartner ÖVP für Wrabetz zu stimmen. Mit dieser "Regenbogenkoalition" von SPÖ bis FPÖ, von BZÖ bis Grüne löste Wrabetz die bürgerliche Generalin Monika Lindner ab.

2016 dann hatte die ÖVP ihren klaren Kandidaten: Richard Grasl versuchte denselben Aufschwung wie Wrabetz 2006 vom Finanzdirektor zum General. Grüne und Neos und unabhängige Stimmen trauten Wrabetz schließlich doch ein entscheidendes bisschen mehr. Auch wenn der oft gezeigt hat, wie situationselastisch er sich und seine Führungsjobs den Regierungsmehrheiten anpasst.

Mit passenden Channel-Managern und Chefredakteuren für ORF 1 und ORF 2 etwa kam Wrabetz 2018 rasch der neuen türkis-blauen Koalition unter Sebastian Kurz entgegen. Einem neuen ORF-Gesetz und damit wohl einer Ablöse kam im Mai 2019 das Ibiza-Video zuvor.

"Im Lichte" der Chatprotokolle

Die Mehrheitsverhältnisse im Stiftungsrat zur ORF-Wahl 2021.
Foto: STANDARD-Grafik

Nun spielt Wrabetz auf die aufsehenerregenden, chatprotokollierten Politbesetzungen um Thomas Schmid und die Staatsholding Öbag an. Jede andere Besetzung als er würde doch in dieses Schema passen, signalisiert er am Donnerstag: "Gerade vielleicht auch im Lichte der Personalbestellungen der letzten Zeit wird ganz klar sein, dass das die Aufgabe des Aufsichtsrates, also des Stiftungsrates ist. Sie werden sicher letztlich entscheiden nach Kriterien wie Erfahrung: Hat jemand schon ein größeres Unternehmen geführt, ein Medienunternehmen, und das erfolgreich? Hat er Krisensituationen bewältigt, hat er ein Zukunftsprogramm? Und traut man ihm das zu, das auch umzusetzen?" Botschaft: Mit mir gibt es am wenigsten Aufsehen, Stichwort Postenschacher und Politbesetzung.

Erfahrung an der Medienunternehmensspitze ist eine Spitze gegen absehbare bürgerliche Gegenkandidaten, insbesondere den chancenreichsten: Roland Weißmann (53), Vizefinanzdirektor, Chefproducer und Geschäftsführer für ORF.at und das Großprojekt einer Streamingplattform namens ORF-Player.

Eine ÖVP-Entscheidung für Weißmann wird kolportiert – und dort dementiert. Die Kanzlerpartei wäre taktisch unklug, sich festzulegen: Wer abgeschrieben ist, bemüht sich nicht mehr so eifrig um die türkise Mehrheit, etwa mit Hauptabend-Sonder-ZiBs.

"Alles ist denkbar"

In hochrangigen ÖVP-Kreisen beschreibt man den Stand der Dinge zur ORF-Generalswahl so: "Es ist noch nichts entschieden" – schon weil die politische Bewältigung der Pandemie bisher dafür keine Zeit gelassen habe. Nachsatz: "Alles ist denkbar."

Kenner der Vorgänge rechnen mit Entscheidungen in der Sache im Juni – oder auch erst im Juli, wenn die Bewerbungsfrist für die ORF-Generaldirektion ab 2022 läuft.

"Zurück zur Arbeit"

"Es ist jetzt an der Zeit, zur Arbeit zurückzukehren", sagt Fraktionssprecher Zach noch zu Wrabetz’ Ankündigung. "Es gibt noch genug zu tun: Newsroom, Digitalisierung, Programm." Wrabetz sagt, er würde all die Projekte gerne selbst umsetzen – eben in einer vierten Funktionsperiode als ORF-Chef. (fid, 7.5.2021)