Abgeworben: Ty Loney von den Vienna Capitals folgt dem Ruf aus Salzburg.

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Wien – Dicke Hälse sind im Eishockey keine Seltenheit. Bei den Vienna Capitals ist dieser Tage sogar mancher Kragen geplatzt. Gleich mehrere Schlüsselspieler wurden oder werden ihnen gerade abgeworben, beispielsweise hat der US-Amerikaner Ty Loney, der Toptorjäger der ICE Hockey League war, bei Red Bull Salzburg unterschrieben. Ali Wukovits und Benjamin Nissner sollen ebenfalls nach Salzburg übersiedeln. Salzburg, der Krösus, aber auch andere Vereine wie der Villacher SV würden mit Traumgagen locken. "Da sind Gehälter manchmal doppelt so hoch wie bei uns oder höher", kritisiert Franz Kalla, General Manager der Caps. Das schade dem Markt und dem Sport und sei in Corona-bedingt unsicheren Zeiten doppelt unverständlich. "Was Salzburg tut, ist destruktiv."

Die Liga, so die Forderung, solle sich etwas überlegen. Ausbildungsentschädigungen nach Schweizer Vorbild könnten ein Thema sein. Kalla schlägt vor zudem vor, dass sich die Liga das finanzielle Gebaren der Vereine genauer ansieht, kann sich "Lizenzierungsverfahren wie im Fußball" vorstellen. Salzburg hätte damit wohl kein Problem. Kalla: "Andere wahrscheinlich sehr wohl." Und natürlich könnte über eine Beschränkung der Legionärsanzahl diskutiert werden. Wieder einmal.

Kalla: "Was Salzburg tut, ist destruktiv."
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Die Wiener, das muss man sagen, haben ihre momentane Linie auch nicht immer verfolgt. Zuletzt aber taten sie es mit Verve, auch Pandemie-bedingt. Da war gar vom "Wiener Weg" die Rede, schließlich setzten die Capitals auf viele Eigenbauspieler, und sie waren auch erfolgreich damit, stießen bis ins Semifinale vor. Als Meister noch erfolgreicher war der KAC, bei dem Nachwuchsarbeit seit Jahren großgeschrieben wird.

Talente im kalten Wasser

"Was in Klagenfurt und Wien passiert, ist natürlich auch fürs Nationalteam positiv." Roger Bader sagt das, der österreichische Teamchef. Seine Truppe hat gestern ein Trainingslager in Telfs bezogen, bereitet sich auf das finale Saisonturnier in Slowenien (ab 13. Mai) vor. Absagen einiger Routiniers brachten Bader in die Lage, noch mehr junge Spieler einzuberufen als sonst. "Seit ich als Teamchef im Amt bin", sagt er, "ist es ja praktisch mein Markenzeichen, dass ich keine Hemmungen habe, Talente ins kalte Wasser zu werfen." Dabei habe er oft und oft schon festgestellt, "dass viele dieser jungen Spieler tatsächlich schon gut schwimmen können".

Teamchef Bader (hier beim Länderspiel Österreich gegen Tschechien am 22. April) wirft gerne Talente ins kalte Wasser.
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Der Schweizer Bader (56) ist seit 2014 für den österreichischen Verband tätig, seit 2016 als Teamchef. In seiner Heimat hat er Ende der 90er führend im Nachwuchsbereich gewirkt, man kann sagen, er hat den Schweizer Aufschwung aus nächster Nähe verfolgt.

Schweiz als Vorbild

Man erinnere sich. Bei der WM 1995 in Schweden gewann Österreich das direkte Duell um den Klassenerhalt, die Schweiz stieg ab. Doch während Österreich seither zwischen A- und B-Gruppe pendelt, hat die Schweiz sich längst etabliert, ein Abo aufs Viertelfinale und zweimal sogar das WM-Finale erreicht (2013, 2018). Das hat auch und vor allem mit der Stärke der Schweizer Liga zu tun, in der kaum Legionäre eingesetzt werden, was die Vereine regelrecht zwingt, ihre Nachwuchsarbeit zu forcieren und dort schon hervorragende Trainer einzusetzen.

"In Österreich", sagt Bader, "sind bei vielen Vereinen seit einer Ewigkeit unzählige Legionäre im Einsatz. Das ändert sich im Grunde nicht, auch wenn es die eine oder andere Ausnahme gibt." Im Team lässt Bader die Jungen spielen, einigen gibt er Vertrauen, das sie bei ihren Vereinen vermissen. Tests gegen Tschechien und die Slowakei gingen zuletzt verloren, das war keine Überraschung. "Aber wer die Spiele gesehen hat", sagt Bader, "der hat junge Österreicher gesehen, die sehr gut aufgetreten sind. Im Team bekommen sie Eiszeit, und sie spielen auch Powerplay. Bei ihren Vereinen sind sie im Playoff manchmal auf der Tribüne gesessen."

Die Vienna Capitals, die am Donnerstag mit ihren Krägen oder auch Kragen, geplatzten jedenfalls, an die Öffentlichkeit gingen, wollen eine Diskussion in Gang bringen. Es sieht so aus, als hätten sie im Teamchef einen Unterstützer gefunden. (Fritz Neumann, 6.5.2021)