Wien – Dass Österreich von der Pandemie – verglichen zu anderen europäischen Ländern – überdurchschnittlich hart getroffen wurde, liegt vor allem am historischen Einbruch des Tourismus. Sollte Österreich also versuchen, etwas unabhängiger vom Fremdenverkehr zu werden?

Nein. Zumindest nicht, wenn es nach den Ökonomen der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) geht: "Es gilt auch weiterhin, den Fokus auf jene Branchen zu setzen, in denen Österreich wettbewerbsfähig ist. Der Tourismus ist ein wichtiges und stabilisierendes Standbein", sagt Nationalbank-Vizegouverneur Goffried Haber am Donnerstag bei einer Präsentation, wie sich die Krise auf die Importe und Exporte auswirkte. Wichtig für die Zukunft sei es aber, Innovationen in der Industrie zu fördern und das Angebot an hochqualifizierten Dienstleistungen weiter auszubauen.

Schwerer Schlag für Außenhandel

Corona hat die heimische Außenwirtschaft als Ganzes schwer in Mitleidenschaft gezogen. Sowohl Exporte als auch Importe sind im Vorjahr jeweils um 15 Prozent eingebrochen. Wobei das Sorgenkind Reiseverkehr am stärksten gelitten hat.

Foto: OeNB

Die Ausfuhren fielen auf knapp 218,7 Milliarden Euro und die Einfuhren auf rund 209,2 Milliarden Euro. Nichtsdestoweniger war die Leistungsbilanz, also alle Einnahmen und Ausgaben einer Volkswirtschaft, positiv. Unterm Strich blieb ein Überschuss von 9,5 Milliarden.

Rückblick zur Finanzkrise

Erinnerungen an die Finanzkrise 2008/2009 werden wach, auch damals brach mehr oder weniger über Nacht alles zusammen. Beide Krisen waren schwere Zäsuren für den österreichischen Außenhandel. Zwar traf Corona wegen der Maßnahmen einige Bereiche deutlich schlimmer, damals gab es jedoch keine Impfung als Silberstreif am Horizont. Bei der OeNB geht man demnach von einer schnelleren Erholung aus. Die Güterexporte brauchten damals deutlich länger, um wieder in Schwung zu kommen. Ähnlich verhält es sich bei den Dienstleistungen – Reiseverkehr ausgenommen.

"Globale Wirtschaftskrisen treffen kleine, hochvernetzte Volkswirtschaften wie Österreich, die von internationalen Lieferketten und überwiegend von ausländischen Absatzmärkten abhängig sind, besonders schmerzlich", erklärte Haber. Im Güterexport hätten Maschinen, Fahrzeuge und bearbeitete Waren am meisten gelitten. Bei unternehmensbezogenen Dienstleistungen brach der Personentransport sogar um die Hälfte ein. Wichtigster Handelspartner blieb Deutschland. Importseitig gewannen China und die Schweiz primär wegen chemisch-pharmazeutischer Produkten an Bedeutung.

Einige Bereiche erholen sich vermutlich schneller als in der Finanzkrise, der Tourismus bleibt vorerst das Sorgenkind.
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Entscheidend für ein rascheres Anspringen der Wirtschaft sei das schnelle Eingreifen des Staates gewesen. Anfang April attestierte der Internationale Währungsfonds Österreich, im EU-Vergleich mit knapp zwölf Prozent des BIPs (42,2 Mrd. Euro) die zweitgrößten Hilfspakete gewährt oder zugesichert zu haben. Nummer eins war Griechenland.

Anlegen statt ausgeben

Ohne staatliche Hilfsmaßnahmen wären die Wirtschaftseinbrüche europaweit viel dramatischer gewesen, meint Haber. Das Geld dafür habe sich der Staat durch Anleihenemissionen geholt, insgesamt 34,4 Milliarden Euro, wobei Anleihen um netto zwölf Milliarden von ausländischen Investoren gekauft wurden.

Gleichzeitig refinanzierten sich Unternehmen im Ausland, um Liquidität für länger geplante Investitionen aufzubauen.Den Aktienmarkt entdeckten ebenso viele private Haushalte für sich. Die staatlichen Hilfen sicherten ein stabiles Einkommen, bedingt durch Lockdowns gab es aber wenig Konsummöglichkeiten. Insgesamt sind laut OeNB 3,5 Milliarden Euro in ausländische Aktien und Investmentfonds geflossen.

Schwieriger Ausblick

Einen in Zahlen gegossenen Ausblick für heuer wagen die Nationalbank-Ökonomen noch nicht, das hänge von der Entwicklung der Pandemie ab, erklärt der OeNB-Vize. Abhängig davon, ob der positive Trend ein paar Monate früher oder später einsetze, verschiebe sich die Erholung auch über die Grenze des Kalenderjahres.

"Bei der Zahlungsbilanzerstellung sind wir oft auf Schätzungen angewiesen", sagt der OeNB-Direktor Johannes Turner. "Unternehmensbilanzen liegen erst viel später vor. Oft sind wir mit den Echtdaten drei Jahre zurück und müssen fortschreiben." (Andreas Danzer, 6.5.2021)