Social Distancing ist zwar psychisch belastend, aber die neuen Medien helfen uns, mit dem Stress besser fertig zu werden, sagt Psychologin Carmen Morawetz von der Uni Innsbruck.

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"With a little help from my friends" – "Mit etwas Hilfe von meinen Freunden", sangen die Beatles 1967. Das könnte auch ein wichtiges Motto für das Durchhalten mitten in der Corona-Pandemie darstellen.

In Zeiten von Social Distancing und Lockdown ist es eher selten, dass wir Freunde von Angesicht zu Angesicht treffen. Man hat damit nur wenig Gelegenheit, sich über die eigenen Ängste, Gefühle und Sorgen des Alltags auszutauschen. Es bleiben vielfach nur Videotelefonate oder das Chatten mit den Freunden.

Doch Freunde können auch aus der Ferne eine echte Hilfe sein, wenn es um unangenehme Emotionen geht. Das lässt zumindest eine neue Studie von Forschern um die Psychologin Carmen Morawetz von der Uni Innsbruck vermuten, die im Zuge der Pandemie an zusätzlicher Aktualität gewinnt.

Ängste kontrollieren, Mut zusprechen

Emotionen werden im Gehirn durch ein Zusammenspiel mehrerer Netzwerke kontrolliert und wenn nötig abgeschwächt. Sind wir in einer stressigen Situation, die uns ängstigt, versuchen wir durch verschiedene Strategien, das Gefühl der Angst unter Kontrolle zu bringen. Wir versuchen etwa, die Situation weniger negativ zu interpretieren. Wir sprechen uns innerlich Mut zu oder lenken uns gedanklich ab.

In solchen Momenten des Emotionsmanagements kommt der laterale präfrontale Kortex zum Einsatz und unterdrückt Antworten in Hirnregionen, die mit der Emotionsentstehung zu tun haben. Dass Menschen Gefühle durch soziale Nähe besser bewältigen können, ist schon aus zahlreichen anderen Studien bekannt. Carmen Morawetz und ihre Kollegen wollten sich aber genauer ansehen, wie Menschen mithilfe von Freunden negative Gefühle managen und wie sich das im Gehirn äußert.

Zu diesem Zweck schoben sie Probanden in einen funktionellen Magnetresonanztomografen. Anschließend zeigten sie den Freiwilligen Bilder wie das einer Schlange mit aufgerissenem Maul, die unangenehme Gefühle auslösen sollten. In manchen Durchgängen sollten die Probanden dann ganz alleine auf sich gestellt die negativen Emotionen unter Kontrolle bringen. In anderen bekamen sie soziale Unterstützung: Sie sahen das Foto ihres besten Freundes oder ihrer besten Freundin mit einer aufbauenden Botschaft – etwa mit der Aussage "Beruhige dich", "Alles wird gut" oder "Das Leben geht weiter". Wieder in anderen Durchgängen sahen sie die aufbauenden Aussagen in Kombination mit dem Bild eines Fremden.

Sozialer Rückhalt, auch virtuell

In der Studie konnten die Forscher zeigen: Es reicht schon ein Foto des besten Freundes oder der besten Freundin in Verbindung mit einem aufbauenden Statement, um bei Menschen die Kontrolle der eigenen Emotionen zu verbessern. "Mit der virtuellen sozialen Unterstützung durch Freunde konnten Probanden ihre Emotionen besser kontrollieren als in Eigenregie oder mit Unterstützung von Fremden", sagt Carmen Morawetz. Beste Freunde sind also offenbar in stressigen Situationen von besonders großem Wert, auch wenn sie gar nicht persönlich anwesend sind.

Das spiegelte sich auch im Gehirn wieder. Die grauen Zellen reagierten sehr differenziert – regten sich je nach Versuchssituation anders. Verschiedene Netzwerke im Gehirn, die für die Kontrolle von Emotionen wichtig sind, waren angesichts der sozialen Unterstützung stärker aktiv als beim Regulieren in Eigenregie. Dazu gehörte etwa der Gehirnbereich am Übergang von Schläfen- und Scheitellappen. Es machte anhand der Reaktionen im Gehirn auch einen Unterschied, von wem die soziale Unterstützung kam.

Obwohl die Forscher das gesamte neuronale Netzwerk der Emotionsregulation unter die Lupe genommen hatten, machte nur eine Hirnregion einen Unterschied zwischen Freund oder Fremder. Die Amygdala, die Emotionen verarbeitet, war stärker aktiv, wenn die soziale Unterstützung von Fremden kam. "Es könnte sein, dass es mehr Stress verursacht, wenn man Unterstützung von einem Menschen bekommt, den man nicht kennt", vermutet Morawetz.

Isoliert, aber nicht allein

Die Untersuchungen mit funktioneller Magnetresonanztomografie umfassten nur 37 Teilnehmer. Das ist für eine Studie mit Bildgebung nicht ungewöhnlich. Trotzdem stellt sich die Frage, ob die geringe Probandenzahl die Aussagekraft der Studie schmälert. Carmen Morawetz glaubt das nicht. Sie geht aber vielmehr davon aus, dass die Ergebnisse eine gewisse Allgemeingültigkeit haben. "Wir haben mit Modellen gerechnet, die es erlauben, die Ergebnisse zu verallgemeinern", sagt sie.

Carmen Morawetz und ihre Kollege haben ihre Studie zwar vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie durchgeführt. Sie gehen aber dennoch davon aus, dass die Ergebnisse Bedeutung haben für die derzeitige Krise. "Wir dürfen im Zuge von Social Distancing und vor allem während des Lockdowns mit Freunden fast nur noch virtuell kommunizieren", sagt Carmen Morawetz. Aber es scheint offenbar schon zu reichen, wenn man etwa mit einer guten Freundin täglich über Whatsapp kommuniziert, dabei ihr Profilbild sieht und die Freundin beispielsweise schreibt, dass wieder alles gut werde.

Schon diese Unterstützung reiche vermutlich, um selbst besser mit dem Corona-bedingten Stress umzugehen. "Social Distancing ist zwar psychisch belastend, aber die neuen Medien helfen uns, mit dem Stress besser fertig zu werden." (Christian Wolf, 8.5.2021)