Es war im Jahr 2018, als der humanitäre Sektor seinen sogenannten "MeToo-Moment" hatte: Mitarbeiter der britischen Hilfsorganisation Oxfam sollen unter anderem Frauen zu Sex als Gegenleistung für Hilfen in Notlagen gezwungen haben. Die Folge: Es kam zu Rücktritten, auch bei anderen Hilfsorganisationen wurden ähnliche Fälle publik. Führende Köpfe der Branche forderten einen grundlegenden Wandel, weg von einer "Kultur der Straflosigkeit", in der man mit den Schutzbefohlenen machen konnte, was man wollte.

Die Hilfsorganisation SOS-Kinderdorf wurde in Österreich gegründet.
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Das führt uns drei Jahre später zu SOS-Kinderdorf, der in Österreich gegründeten Hilfsorganisation. Gewalt und Missbrauch hat es gegeben in Einrichtungen in Afrika und Asien. Was bedeutet das nun? Soll alles aufgeklärt und alles getan werden, damit sich solche Grauslichkeiten nicht mehr wiederholen? Darauf kann es nur eine Antwort geben.

Doch wie sieht es mit Spenden aus? Soll man sie einstellen, weil man der Organisation nicht mehr vertraut? Es wäre eine vollkommen nachvollziehbare Reaktion – mit einem groben Schönheitsfehler: Es würde die Organisation empfindlich treffen, aber noch mehr jene Menschen in Asien, Afrika oder wo auch immer, die genau diese Hilfen bitternötig haben.

Der humanitäre Sektor ist eine riesige, globale Branche. Er ist alles andere als perfekt, wie viele andere Skandale belegen. Er muss sich immer hinterfragen, muss immer überprüft werden. Aber die Welt wäre ohne ihn ein gutes Stück düsterer. (Kim Son Hoang, 6.5.2021)