Maria Schickermüller und Kurt Grafl wohnen in der Wiener Lobau und haben sich vor 25 Jahren ihren Traum von einem ökologischen Holzhaus erfüllt. Die Dachneigung entspricht mit 52 Grad dem ägyptischen Original.

"Wir wollten ein ökologisches, nachhaltiges, aber ehrlich gesagt ganz normales Holzhaus haben. Das war der Plan. Und dann hat uns der Wiener Architekt Andreas Newald die Pläne für so ein echt arges, quadratisches Chalet präsentiert, zwölf mal zwölf Meter im Grundriss, Zeltdach vom Erdgeschoß bis hinauf zur allerletzten Spitze. An der höchsten Stelle haben wir eine Raumhöhe von über zehn Metern!

Viel Holz, gute Akustik: Maria Schickermüller und Kurt Grafl in ihrem quadratischen Chalet.
Foto: Lisi Specht

Für uns war das von Anfang an die Cheops-Pyramide. Wir waren eine Mischung aus schockiert und begeistert, doch nach ein paar kleineren Adaptierungen – wir haben das Dach, um nur ein Beispiel zu nennen, bis knapp über dem Boden hinuntergezogen – waren wir uns einig. Wenn schon, denn schon!

Die Baustelle war echt lustig. Denn im statischen Kern haben wir vier Schleuderbeton-Stützen, auf denen die gesamte Holzdachkonstruktion mitsamt Zwischendecken und Wendeltreppe lastet. Jedenfalls mussten wir natürlich nach unten graben und die vier Säulen ordentlich fundamentieren, und als die vier runden Betondinger dann hergebracht und vor Ort eingebaut wurden, hat das echt wild ausgesehen. Die einen haben gesagt, das schaut aus wie eine Kirche, die anderen haben geglaubt, dass das ein Billa oder eine Tankstelle wird.

Als dann das Dach mit 52 Grad Neigung montiert wurde, genauso wie bei der Cheops-Pyramide, ging das Raunzen weiter. Da hieß es dann, dass die Pyramide nicht wie in Gizeh genau nach Norden ausgerichtet sei. War manchmal spaßig, damals!

"Der Prozess war super, die Baustelle hat Spaß gemacht, und wir haben uns nicht einmal scheiden lassen, als alles vorbei war", erzählt das Paar.
Fotos: Lisi Specht

Im Frühjahr 1995 hat die Baustelle begonnen, im Sommer 1996 sind wir bereits eingezogen. Wir haben kürzer gebaut als geplant bitte schön!

Am Anfang hat das Kupferdach übrigens noch ziemlich geglänzt. Jedes Mal, wenn wir im Flieger im Landeanflug auf Wien waren – Einflugschneise Schwechat – und unter uns irgendwas Goldenes im Sonnenlicht gefunkelt hat, haben wir uns fast schon geniert. Wir wollten den Grünspanprozess am Kupfer beschleunigen, aber, na ja … das mit dem Pferdeurin ist in der Praxis keine so gute Idee, wie alle immer sagen.

In der Zwischenzeit ist das Dach ganz matt und fügt sich sehr gut in die üppig grüne Landschaft der Lobau. Ach, die Lobau! Was für ein schönes Fleckerl. Früher gab es in der Umgebung ganz viele kleine Siedlerhäuschen, weil sich hier in den 1920er-Jahren arme und ehemals obdachlose Menschen angesiedelt haben, die sich mit Hendln und Gemüsefeldern selbst versorgen konnten. Ein paar Nachfahren dieser sogenannten Kolonisten leben hier bis heute. Wir haben das Grundstück gefunden, 1700 Quadratmeter groß, und hatten damals die Möglichkeit, es zu erwerben.

Als die Stützsäulen für das Haus aufgestellt wurden, "hat das echt wild ausgesehen", erinnern sich Schickermüller und Grafl. Manche Beobachter erwarteten eher einen Supermarkt oder eine Tankstelle.
Fotos: Lisi Specht

Wir lieben die Gegend. Und wir denken, dass wir es – wenn wir schon ein Haus in die Natur setzen – der Welt schuldig sind, einen baukulturellen Qualitätsbeitrag zu leisten. Unser Beitrag ist ein nachhaltiges Haus mit Geothermie, mit wenig Beton, viel Holz und einem Erdgeschoß in Ziegelbauweise, damit das mit dem Raumklima hinhaut. Keine aalglatten Industrieklinker, sondern händisch hergestellte Backsteine mit ganz speckiger, verwordagelter Oberfläche. Offenbar haben wir gut investiert, denn wir haben zwar keine Kinder, aber in der Zwischenzeit sind Bienen, Mäuse, Hamster, Marder und alles mögliche Getier eingezogen.

Jetzt wohnen wir hier schon seit 25 Jahren und sind selbst fast schon Mumien geworden. Wir bereuen den Hausbau nicht. Der Prozess war super, die Baustelle hat Spaß gemacht, und wir haben uns nicht einmal scheiden lassen, als alles vorbei war!

Es geht uns gut, und wir erfreuen uns jeden Tag aufs Neue am offenen Raumkonzept. Die Akustik ist wunderbar, man hört jedes einzelne Wort im ganzen Haus und muss gegenüber dem Partner nicht einmal seine Stimme erheben, um sich Gehör zu verschaffen.

Wenn man älter wird, dann wird man bescheiden mit dem, was man sich wünscht. Wir wünschen uns, dass unser Leben so bleibt, wie es ist. (10.5.2021)