Meist sind es Männer in akuten Trennungskrisen, die sich an die Hotline der Männerberatung wenden.

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Einer "falschen Männlichkeit entgegenzutreten", lautete das deklarierte Ziel von Gesundheits- und Sozialminister Wolfgang Mückstein (Grüne) nach dem neunten Femizid dieses Jahres in der vergangenen Woche – mittlerweile zählt Österreich bereits elf getötete Frauen. Um weitere Morde zu verhindern, müsse früh angesetzt und Beratungsangebote für Männer, etwa die Männerinfo, bekannter gemacht werden, so Mückstein. Die Hotline für Männer in Krisensituationen gibt es seit dem ersten Corona-Lockdown 2020. Der Psychotherapeut und Leiter der Männerberatung Steiermark, Manfred Kummer, erklärt, wie solche Gespräche in der Praxis ablaufen.

STANDARD: Sie heben immer wieder selbst beim Männerberatungstelefon 0720 / 70 44 00 ab. Wer ruft da an?

Kummer: Zu neunzig Prozent sind es Männer in schwierigen Lebenslagen. Diese spüren meist einen großen Leidensdruck wegen akuter Beziehungs-, Trennungs- oder Scheidungskrisen. Oft machen wir die Erfahrung, dass der Übergang zur Gewaltanwendung dann ein fließender ist. Gerade Trennungen sind ganz gravierende Lebenskrisen, und nichtbewältigte Trennungen können zu selbst- oder fremdschädigendem Verhalten oder Radikalisierungsprozessen führen.

STANDARD: Rufen auch Männer in akuten Krisensituationen an, etwa weil sie fürchten, einen Konflikt nicht mehr gewaltfrei lösen zu können?

Kummer: Ja, auch wenn sie das nicht so direkt formulieren. Sie kündigen beispielsweise nicht an, dass sie kurz davorstehen, ihre Lebensgefährtin zu schlagen. Aber es rufen Männer an, die eine Situation einfach nicht mehr bewältigen können und verzweifelt sind. Dabei neigen die Betroffenen dazu, Schuld und Verantwortung von sich zu weisen. Die Klienten sind oft depressiv verstimmt, meist aber klagen sie recht aggressiv über das, was ihnen angetan wurde. "Ich hab so viel investiert, und jetzt geht sie einfach. Es ist nicht zum Aushalten." Bei uns steht dann die Frage im Raum: Wozu könnte die Person fähig sein? Und was hat die Person selbst im Kopf?

STANDARD: Wie läuft so ein Gespräch im Akutfall ab?

Kummer: Wir versuchen zuerst abzuklopfen, wie die Wohnsituation und das soziale Netz sind – gerade bei Weggewiesenen. Dann fragen wir nach, ob es Bezugspersonen gibt, mit denen er reden kann. Wenn die Personen nicht mehr schlafen können, nur mehr grübeln, ermutigen wir sie, Kontakt mit dem Hausarzt aufzunehmen. Oder im Extremfall und wenn notwendig, sich in psychiatrische Behandlung zu begeben. Für uns im Gespräch geht es darum, dem Menschen in seinem Leid Raum zu geben. Und nicht konfrontierend zu sein. Der Mensch sollte sich in seinem Schicksal angenommen fühlen. Jeder gelingende Beratungskontakt steigert die Wahrscheinlichkeit, wieder unseren Kontakt zu suchen. Darum ist die Männerinfo so wichtig, weil es eine positive Beratungserfahrung ermöglicht, die wiederum gewaltpräventiv ist.

STANDARD: Die Hotline der Männerinfo ist nur zwei Stunden am Tag erreichbar.

Kummer: Man kann natürlich aufs Tonband sprechen, alle Leute werden dann zurückgerufen. Unser Bestreben ist allerdings, dass Experten vom Fach bei der Männerinfo 24 Stunden am Tag erreichbar sein sollten. Da haben wir einfach ein Ressourcenproblem.

Manfred Kummer sieht die Hotline Männerinfo als wichtiges Mittel der Gewaltprävention.
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STANDARD: Wie müssten Sie finanziell aufgestellt sein, um das zu bewerkstelligen?

Kummer: Vergangenes Jahr wurde eine Summe von rund 250.000 Euro genannt. Jetzt müssen wir das alles noch mal durchkalkulieren. Wenn wir wirklich eine breitflächige Erreichbarkeit zusammenbringen wollen, könnte es teurer werden. Aktuell ist es ein Stückwerk, das wir nebenbei machen.

STANDARD: Gesundheitsminister Mückstein will die Männerberatungsstellen bekannter machen, die Männerinfo nennt er dezidiert als Beispiel. Reicht das aus? Sind Sie in Gesprächen mit ihm über eine bessere finanzielle Ausstattung?

Kummer: Es war ein wichtiger Beitrag des Ministers, das Angebot anzusprechen. Es ist auch zu erwarten, dass sich durch die Bekanntheit mehr Männer melden werden. Da werden wir mehr Ressourcen brauchen. Mein Stand der Dinge ist, dass der österreichische Dachverband für Männerarbeit gestern mit Wolfgang Mückstein gesprochen hat. Genaueres weiß ich nicht. Aber da tut sich gerade viel in den letzten Tagen. (Elisa Tomaselli, 6.5.2021)