Das Baugruppenprojekt Koowo Volkersdorf mit 28 Wohneinheiten nordöstlich von Graz wurde 2019 fertiggestellt und bezogen.

Foto: Koowo

Eine kleine Gemeinde nordöstlich von Graz, ein alter Bauernhof, ein paar Leute mit Pioniergeist: Mehr brauchte es nicht, um das partizipative Wohnprojekt "Koowo Volkersdorf" umzusetzen. 28 Wohneinheiten wurden im September 2019 bezogen, sie entstanden in drei Neubauten in Holzbauweise. Der Bauernhof wurde revitalisiert, die 1,8 Hektar an landwirtschaftlicher Nutzfläche werden gemeinsam beackert. Koordiniert und vorfinanziert hat das Projekt die Wohnprojekte-Genossenschaft WoGen.

Ein tolles Projekt, aber auch eines mit Seltenheitswert. Denn was Baugruppen betrifft, tut sich in der Steiermark sehr wenig. Vor allem dort, wo man es eigentlich erwarten würde, nämlich in Graz.

Interesse steigt

In der Hauptstadt steigt zwar nun wieder das Interesse an Baugruppen, doch es gibt kaum Flächen, die dafür infrage kämen. "Als Stadt unterstützen wir Baugruppen gerne bei den behördlichen Verfahren, übernehmen selbst jedoch keine aktive Rolle", sagt Stadtbaudirektor Bertram Werle auf Anfrage des STANDARD.

Umso mehr will das Land Steiermark wieder in diese Richtung unternehmen. Vor wenigen Wochen fand ein Wohnbaudialog statt, organisiert von Wohnbauforscherin Andrea Jany, wo es um Baugruppen ging und Vertreter des Landes Unterstützung signalisierten.

Ein erstes neues Projekt ist nun auch bereits in den Startlöchern, es nennt sich Kolibri, soll in der Gemeinde Kalsdorf entstehen und wird von Jany und Architekt Werner Nussmüller koordiniert. Die gemeinnützige Wohnbaugruppe Ennstal fungiert als Bauträger, das Land Steiermark wird die begleitende Forschung finanzieren.

Große Vergangenheit

Partizipativer Wohnbau, das wäre in der Steiermark aber an sich nichts Neues. Schon in den 1980er-Jahren gab es das sogenannte "Modell Steiermark", eine eigene steirische "Wohnbauepoche", in der durch experimentelle, innovative Konzepte "neue Maßstäbe für den Massenwohnungsbau gesetzt wurden", wie es Jany beschreibt. Sie hat sich in ihrer Dissertation mit dem Modell Steiermark auseinandergesetzt, ein Buch dazu ist 2019 erschienen.

Begonnen hatte die Entwicklung schon in den 1960er-Jahren mit dem Entwurf der Terrassenhaussiedlung Graz-St. Peter, die dann in den 1970er-Jahren gebaut wurde. Die künftigen Bewohnerinnen und Bewohner konnten u. a. den Grundriss ihrer Wohnung mitbestimmen.

Im Rahmen des Modells Steiermark (von dem der Wohnbau nur ein Teil war) entstanden 28 Projekte, neun davon in Graz. Eines der bekanntesten ist die Eschensiedlung in Deutschlandsberg, geplant von Eilfried Huth.

Initiative eingeschlafen

Mitte der 1990er-Jahre ging die Innovationskraft aber verloren. Diverse Anläufe zur Wiederbelebung des partizipativen Bauens gab es, etwa ab 2008 mit der Plattform Wohnbaualternativen, gegründet von drei Architektinnen. In Graz war und ist es aber schwierig für Baugruppen, an Flächen zu kommen; neuerdings spielen da auch Investoren eine große Rolle.

Die Initiative sei nach und nach wieder eingeschlafen, erzählt Karin Wallmüller, eine der Initiatorinnen. Dass vor rund zehn Jahren ein Baugruppenprojekt daran scheiterte, dass der dafür vorgesehene Trakt eines größeren Projekts dann einfach nicht gebaut wurde, mag der Idee nicht unbedingt förderlich gewesen sein.

Jetzt sei das Land aber wieder "mehr dahinter", verspürt Jany neuen Aufschwung. Neben Kolibri sind auch andere Projekte in Planung, aber noch nicht spruchreif. Vonseiten des Landes hofft man aber auch, dass sich – ähnlich wie bei Koowo Volkersdorf – private Wohnungssuchende öfter mal zusammentun, um gemeinsam ein Sanierungsprojekt anzugehen. Förderungen dafür stünden bereit. (Martin Putschögl, 10.5.2021)