Miguel Berger, Staatssekretär im deutschen Außenamt, ist gegen die Idee der Nationalisten in Bosnien-Herzegowina.

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Die deutsche Bundesregierung hat einer Änderung des Wahlgesetzes nach völkisch-nationalistischen Kriterien in Bosnien-Herzegowina eine klare Absage erteilt. Dabei geht es darum, dass die nationalistische bosnisch-herzegowinische Partei HDZ seit geraumer Zeit versucht, für die Idee einer "legitimen Repräsentation" im Staatspräsidium und in der Völkerkammer des Parlaments zu lobbyieren. Im Zentrum steht aber nicht die angebliche Diskriminierung von Kroaten in Bosnien-Herzegowina, sondern die Machterhaltungsinteressen der HDZ.

Ihre Schwesterpartei in Zagreb und das kroatische Außenministerium unterstützen die bosnisch-herzegowinische HDZ allerdings auch innerhalb von EU-Institutionen in dieser Causa. Konkret geht es darum, dass neue Wahlkreise nach ethnischen Kriterien in Bosnien-Herzegowina geschaffen werden sollen, damit die HDZ sichergehen kann, dass der kroatische Vertreter im Staatspräsidium von der HDZ entsandt wird, was zurzeit nicht der Fall ist.

Ethnische Spaltung überwinden

Auf eine Anfrage des grünen deutschen Bundestagsabgeordneten Manuel Sarrazin, der auch Präsident der Deutschen Südosteuropagesellschaft ist, antwortete die deutsche Bundesregierung nun, dass "leitendes politisches Ziel" bei der Reform in Bosnien-Herzegowina sein sollte, "die ethnische Spaltung des Landes zu überwinden".

Der Idee der Nationalisten in Bosnien-Herzegowina und einiger ihrer Freunde in Kroatien erteilt Deutschland, namentlich der Staatssekretär im Außenamt, Miguel Berger, eine klare Absage: "Das im Rahmen der Wahlrechtsreform diskutierte Prinzip der 'legitimen politischen Repräsentation' könnte nach Auffassung der Bundesregierung die Spaltung Bosnien und Herzegowinas weiter vertiefen und die Umsetzung von einschlägigen Gerichtsurteilen erschweren." Gemeint sind die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), die etwa die Beendigung der Diskriminierung von Juden und Roma fordern.

Sechs EU-Abgeordnete setzen sich ein

In der Zwischenzeit haben sich auch sechs EU-Abgeordnete in der Causa an den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell und an den EU-Kommissar für Erweiterungsverhandlungen, den ungarischen Orbán-Vertrauten Olivér Várhelyi, gewandt. Die EU-Abgeordneten kritisieren dabei die Art der Verhandlungen über das Wahlgesetz, konkret, dass "die von der EU erleichterten Verhandlungen und Gespräche sich auf eine sehr begrenzte Anzahl politischer Akteure konzentrieren, hauptsächlich von zwei politischen Parteien" – gemeint sind die HDZ und die ebenfalls nationalistische bosniakische SDA, die seit geraumer Zeit miteinander verhandeln, also noch bevor ein Rahmen für inklusive Verhandlungen geschaffen wurde. "Dies ist ein äußerst exklusiver Ansatz, den wir stark kritisieren, da er ein Risiko für die politische Stabilität des Landes und seiner Zukunft darstellt", so die EU-Abgeordneten.

Sie fordern die Einbeziehung aller politischen Parteien sowie einer breiten Palette an Akteuren und Organisationen der Zivilgesellschaft und der interessierten Öffentlichkeit. Gespräche hinter verschlossenen Türen sollten die Ausnahme und nicht die Regel sein, so die EU-Abgeordneten. "Leider ist dies nicht der Fall, und die EU hat es bisher versäumt, einen derart integrativen und transparenten Dialog mit einer sinnvollen Beteiligung aller politischen Parteien und Vertreter der Zivilgesellschaft aufzunehmen. Mit der Fortsetzung dieser Praxis riskieren wir nicht nur die Stabilität von Bosnien und Herzegowina, sondern auch die Glaubwürdigkeit der EU als Vermittler und als Akteur in der Region", so die Kritik aus dem EU-Parlament.

Diskriminierung von Serben in Sarajevo

Die EU-Abgeordneten setzen sich dafür ein, dass zunächst die Urteile des EGMR umgesetzt werden, bei denen es darum geht, dass jene Bosnier – etwa Juden, Roma oder alle, die sich nicht ethnisch definieren –, die bisher diskriminiert werden und nicht einmal für das Staatspräsidium kandidieren können, endlich zu ihren Rechten kommen. So können auch etwa Serben, die in Sarajevo leben, sich nicht um das Amt des Staatspräsidenten bewerben – nur Serben, die im zweiten Landesteil, der Republika Srpska, leben.

Zweitens sollte der Fokus auf der Herstellung von Rechtsstaatlichkeit in Bosnien-Herzegowina liegen. Die Institutionen der Justiz sind in dem Balkanstaat nämlich von politischen Parteien und anderen klientelistischen Interessen unterlaufen. Es gibt keine unabhängige Justiz. Unterschrieben wurde der Brief an Borrell und Várhelyi von den Abgeordneten der Grünen, Tineke Strik und Thomas Waitz, den Abgeordneten der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten, Tanja Fajon und Dietmar Köster, und den Abgeordneten der liberalen Renew Europe, Klemen Grošelj und Ilhan Kyuchyuk.

EU-Kommission will eine inklusive Arbeitsgruppe

Auf Anfrage des STANDARD erklärt die EU-Kommission in Brüssel, dass die Gespräche über die Gesetzesreformen in Bosnien-Herzegowina im institutionellen Umfeld einer interinstitutionellen Arbeitsgruppe stattfinden müssten, die in den kommenden Wochen eingerichtet würde, "um die lokale Eigenverantwortung, Inklusivität und Transparenz des Reformprozesses sicherzustellen". Außerdem dürfe jeder Vorschlag zur Änderung von Gesetzen "weder diskriminierend sein noch zu einer weiteren Spaltung führen", heißt es in dem Schreiben. Beide Punkte – ein umfassender Verhandlungsrahmen mit allen Akteuren, etwa auch der Wahlkommission, und die Absage an eine weitere Spaltung des Landes entlang ethnischer Linien – werden den Nationalisten wohl nicht gefallen. (Adelheid Wölfl, 7.5.2021)