Sportdirektor Freund hat nicht nur ein Auge für talentierte Spieler, er gibt auch jungen Trainern eine Chance.

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Jesse Marsch war in der Saison 2018/19 Cotrainer von Ralf Rangnick bei RB Leipzig. Nun geht der US-Amerikaner zurück nach Deutschland.

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Jesse Marsch wechselt im Juli nach zwei Jahren als Trainer von Red Bull Salzburg zu RB Leipzig. Matthias Jaissle, Coach beim Kooperationspartner FC Liefering, übernimmt seinen Platz beim österreichischen Serienmeister.

STANDARD: Wie finden Sie immer wieder neue Trainertalente?

Freund: Wir sehen uns viele Spiele und Trainingseinheiten an. Bei Matches interessiert uns unter anderem, wie die Spieler miteinander umgehen. Wie ist ihre Disziplin, und wie gehen sie mit Negativerlebnissen um? Das alles sagt etwas darüber aus, wie gut eine Mannschaft funktioniert. Daran erkennt man auch die Handschrift, den Führungsstil eines Trainers.

STANDARD: Was muss ein Trainer können, um interessant zu werden?

Freund: Das lässt sich nicht so einfach in ein Schema gießen, der Trainerjob ist ja auch sehr komplex. Aber eine hohe Sozialkompetenz ist essenziell. Man muss bedenken: Der Cheftrainer hat jeden Tag mit rund 50 Personen – Spielern und Betreuern – zu tun. Da sind Managerqualitäten gefragt. Wenn wir den Eindruck haben, dass es einem Kandidaten nicht gelingt, die Mannschaft hinter sich zu bringen und positive Energie zu vermitteln, dann reden wir erst gar nicht über fußballerische Inhalte.

STANDARD: Was sind relevante fußballerische Inhalte?

Freund: Beim FC Red Bull Salzburg verfolgen wir einen speziellen Spielstil. Wir suchen Spieler, die Tempo und Aggressivität mitbringen und kognitiv schnell sind. Der Trainer sollte von dieser Art und Weise von Fußball überzeugt sein und einen Spielstil forcieren, der diese Vorzüge bestmöglich zur Geltung bringt.

STANDARD: Also hohes Pressing und schnelles Umschaltspiel.

Freund: Ich interpretiere einen Trainer als Multiplikator. Er vermittelt eine Spielidee. Ein roter Faden über alle Nachwuchsteams hinweg bis zu den Profis ist uns ganz wichtig. Ich kann Ihnen ein anschauliches Beispiel geben.

STANDARD: Bitte!

Freund: Wenn zwei Mannschaften gegeneinander spielen, die eine in schwarzen Trikots, die andere in weißen, ohne Logos auf der Brust, soll nach einigen Minuten erkennbar sein, welche der beiden die Red-Bull-Salzburg-Mannschaft ist. So wollen wir arbeiten. Trainer müssen Überzeugungstäter in unserer Spielidee sein.

STANDARD: Wie finden Sie heraus, ob sie das sind?

Freund: Der Austausch und die Beobachtungen im Vorhinein sind sehr wichtig. Je besser man sich kennt, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass man sich gegenseitig gut einschätzt und es auch es funktioniert. Das war auch ein Schlüssel, warum es mit den letzten Trainern immer sehr gut geklappt hat. Denn wenn die grundsätzliche Ausrichtung unterschiedlich ist, gibt es permanent Diskussionen darüber, welche Spieler es im Kader braucht, wie man spielt oder gar ein Training leitet. Das hilft niemandem.

STANDARD: Sollen alle Trainer aus Salzburgs Akademie künftig Kandidaten für die Profis sein?

Freund: Es ist nicht immer möglich, vorherzusagen, in welche Richtung sich junge Trainer entwickeln. Einige werden Experten in der Analyse. Anderen liegt eine Rolle als Assistenztrainer mehr. Nicht jeder hat ein Cheftrainer-Gen. Wir halten Ausschau nach jungen Trainern, bei unserem Kooperationspartner können sie sich entwickeln. Das ist in den letzten Jahren gut gelungen. Einen großen Vorteil hat es, wenn man einen Trainer in jungen Jahren holt. Man lernt ihn sehr gut kennen, in all seinen Facetten.

Matthias Jaissle trainiert noch bis zum Saisonende den FC Liefering. Ab Juli ist er Salzburg-Trainer, er unterschrieb einen Zweijahresvertrag.
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STANDARD: Liefering-Trainer Jaissle kommt im Sommer. Macht die einheitliche Spielweise einen fliegenden Wechsel einfacher?

Freund: Das würde ich nicht so sehen. Man kann es nicht nur auf Trainer in der Kooperationsakademie herunterbrechen. Wir holten auch Trainer von anderen Vereinen, etwa Adi Hütter von Grödig. Die Philosophie wurde dennoch hochgehalten.

STANDARD: Wie stellen Sie sicher, dass Trainer frischen Wind bringen?

Freund: Der Pfad eines jeden Trainers verläuft ein wenig unterschiedlich, jeder hat eine andere Persönlichkeit und geht seinen eigenen Weg. Bei Red Bull Salzburg gibt es dabei Leitplanken, damit unser grundsätzlicher Weg nicht verlassen wird. Unsere Ex-Trainer haben auch persönlich davon profitiert, das sieht man daran, welche Karrieren sie jetzt hinlegen. Und wir als Verein konnten ebenfalls großartige Erfolge mit unseren Trainern feiern. Es war meistens eine Win-win-Situation.

STANDARD: Red Bull Salzburg lebt vom Hunger der Leute, die neu zum Verein stoßen.

Freund: Es ist für mich ein Schlüssel zum Erfolg. Wir lassen Spieler auch immer wieder ziehen, wenn sie ein attraktives Angebot von einem renommierten Klub vorliegen haben. Wir wollen immer eine junge, hungrige Mannschaft. Genauso ist es bei unseren Trainern. Sie stehen bei uns meistens am Beginn ihrer Karriere. Wenn sich die Chance ergibt, nach zwei oder drei Jahren den nächsten Schritt zu machen, ist es sogar gesund für alle, einen Wechsel zu vollziehen.

STANDARD: Salzburg erhält für Jesse Marsch eine Ablöse. In Deutschland werden Rekordsummen für Trainer ausgegeben. Ein Trend?

Freund: Die Arbeit von Trainern wird immer mehr geschätzt und hat an Bedeutung gewonnen. Wenn ein Verein von einem Trainer überzeugt ist, wird er für ihn auch Geld in die Hand nehmen. Ich denke, in Zukunft wird das noch weiter zunehmen.

STANDARD: Leipzig sucht aktuell einen Sportdirektor. Sind Sie da interessiert?

Freund:Ich bin in Salzburg sowohl beruflich als auch privat sehr glücklich. Die Arbeit macht mir einen Riesenspaß. Deshalb werde ich auch in der nächsten Saison mit großer Freude Sportdirektor beim FC Red Bull Salzburg sein. (Lukas Zahrer, 9.5.2021)