Wird ein Objekt ohne Schuld des Bestandnehmers unbrauchbar, dann ist es von Miete und Pacht befreit.

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Die Corona-Pandemie hat nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch im Rechtsleben zu viel Verunsicherung geführt. Ein heftig diskutiertes Thema mit bedeutenden praktischen Auswirkungen betrifft die Frage der Mietzinsminderung bei bestehenden Mietverträgen. Diese Kontroverse wird nicht, wie sonst üblich, in Fachzeitschriften diskutiert, sondern immer mehr in den Tagesmedien.

In ihrem Gastbeitrag vom 4. Mai haben Reinhard Pesek und Alexander Hock die Ansicht vertreten, dass Umsatzeinbußen als Folge von Covid-19-Maßnahmen Mieter nicht zu einer Mietzinsreduktion berechtigen. Diesen Ausführungen muss aus verschiedenen Gründen entgegengetreten werden. Denn die Tatsache, dass es sich bei der Corona-Pandemie um eine Art juristisches Jahrhundertereignis handelt, soll nicht dazu führen, von den Grundsätzen und den Bestimmungen des ABGB abzuweichen.

Nur mit hellseherischen Fähigkeiten

Schon die Einleitung des Beitrags zeigt eine erste Unschärfe: "Die Corona-Pandemie hat niemand vorhersehen können. So ist es nachvollziehbar, dass Mieter und Vermieter auch im Mietvertrag keine Regelungen darüber getroffen haben, ob und in welchem Ausmaß der Mietzins in Pandemiezeiten entfällt", heißt es da. Damit wird suggeriert, dass man dieses Problem – offenbar dank hellseherischer Fähigkeiten – vertraglich hätte regeln können.

Aber wie realistisch ist das? In Wahrheit besteht diese Möglichkeit – bei Verträgen, die ab dem 1. Oktober 1979 abgeschlossen wurden – nur im engen Korsett des § 879 Abs 3 ABGB. Dort ist normiert, dass eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, jedenfalls nichtig ist, wenn sie einen der Vertragspartner gröblich benachteiligt. Vertragsbestimmungen, die für Pandemiezeiten eine vom Gesetz abweichende Regelung treffen, wären daher wohl in vielen Fällen mit Nichtigkeit bedroht. Entgegen der Ansicht von Pesek und Hock ist das somit kein "Allheilmittel" für die hier anstehende Thematik – und wird es auch in Hinkunft nicht sein.

Was in den ABGB steht

Auch die weiteren vertretenen Thesen widersprechen der herrschenden Rechtsansicht – so etwa auch den Gutachten von Brigitta Zöchling-Jud und Andreas Vonkilch für die Wirtschaftskammer Österreich (WKO). Sie sind auch nicht mit dem Gesetzeswortlaut des ABGB in Einklang zu bringen. Man muss sich dazu nur die vier maßgebenden Normen näher ansehen – und zwar die §§ 1096, 1104, 1105 und 1107 ABGB.

So besagt § 1096, dass der Vermieter den Mieter im bedungenen Gebrauch nicht stören dürfe. Wird das Bestandstück während der Vertragslaufzeit ohne Schuld des Bestandnehmers derart mangelhaft, dass es "zu dem bedungenen Gebrauche nicht taugt", so ist der Bestandnehmer für die Dauer und in dem Maße der Unbrauchbarkeit von der Entrichtung des Zinses befreit. Diese Bestimmung setzt also eine Abhilfemöglichkeit des Vermieters voraus.

Dem steht § 1104 ABGB gegenüber: Maßgeblich ist nach dieser Bestimmung ausschließlich, dass die Bestandsache wegen eines außerordentlichen Zufalls wie zum Beispiel Seuche – also auch Covid-19 – nicht gebraucht oder benutzt werden kann. In diesem Fall ist kein Miet- oder Pachtzins zu entrichten. Ob der Bestandgeber eine Abhilfemöglichkeit hat, ist dabei ebenso irrelevant wie die Frage, ob der Bestandnehmer von dritter Seite eine Unterstützung erhält. In § 1105 geht es um Fälle, in denen der Mietgegenstand trotz eines solchen Zufalls eingeschränkt brauchbar bleibt. Dann hat der Mieter Anspruch auf Minderung des Mietzinses.

Vom Zufall betroffen

§ 1107 regelt hingegen die Sphäre des Mieters, betrifft "also nur" diesen: Kann er den Bestandgegenstand wegen eines ihm selbst zugestoßenen Hindernisses oder Unglücksfalls nicht nützen, geht das zu seinen Lasten, der Bestandzins ist dann trotzdem zu zahlen.

Damit folgt schon aus dem Wortlaut des Gesetzes, dass der Mieter immer dann entweder gar nichts oder nur teilweise zahlen muss, wenn er die Sache wegen der Folgen eines – nicht nur ihn treffenden – Zufalls nicht oder nicht im vereinbarten Umfang nutzen kann. Auf ein Zutun des Vermieters – oder auf den Grund der gänzlichen oder bloß teilweisen Unbenutzbarkeit – kommt es hingegen nicht an. Entgegen der Ansicht von Pesek und Hock kommt es daher auch nicht darauf an, ob dem Mieter ein bestimmter Umsatz zugesichert wurde oder nicht.

Besenkammer statt Großraumbüro

Und auch ein Umsatzverlust ist nur subsidiär von Relevanz. Maßgeblich ist ausschließlich die dem Vertrag entsprechende Nutzbarkeit. Mietet man daher ein Großraumbüro und können die Mitarbeiter aufgrund von pandemiebedingten Abstandsvorschriften nicht mehr alle dort arbeiten, ist die vertragliche Nutzung eingeschränkt. Sonst hätte man ja anstelle des Großraumbüros auch eine sprichwörtliche "Besenkammer" mieten können. Die fehlende Nutzbarkeit kann zu einem Umsatzverlust führen, muss es aber nicht; der Umsatz ist daher (außer unter Umständen bei einer Umsatzmiete) nicht die maßgebliche Größe.

Maßgeblich ist richtigerweise die eigentliche Nutzung, die man dem Vertrag zugrunde gelegt hat. Diese liegt in einer auf das Unternehmen ausgerichteten Auslastung. Kann diese Nutzung als Folge der Pandemie nicht im vertraglich vereinbarten Umfang ausgeübt werden, sieht das ABGB eine Mietzinsminderung vor – egal ob es sich dabei um eine unmittelbare Folge der Pandemie handelt ("staatliche Anordnung") oder um eine mittelbare ("Empfehlungen, Kontakte zu vermeiden, und damit verursachte Ängste").

Auch über die Kurzarbeit kommt man zum selben Ergebnis: Kein Unternehmer mietet ein großes Büro, um viel Miete zu zahlen, aber keine Angestellten dort zu beschäftigen. Und dass es ausschließlich auf die vertraglich vereinbarte Nutzung ankommt und nicht (allein) auf den Umsatz, belegt auch ein Vergleich mit Ferienwohnungen: Kann man zur gemieteten Ferienwohnung nicht hinfahren, muss man in der Zeit nicht zahlen.

Kein Nutzen für andere

Aus diesen Gründen versagt auch das Argument von Pesek und Hock, ein anderer Mieter könnte das Objekt eben doch nutzen – und es komme aus diesem Grund § 1107 ABGB zum Tragen. Genau darin liegt eben der Trugschluss: Ein anderer Mieter müsste das Bestandobjekt nämlich zum selben Vertragszweck (vollumfänglich) nutzen können. Und das trifft in keinem Fall zu.

Es mag zwar richtig sein, dass gewisse Lieferanten keinen Einbruch wegen Covid-19 erleiden und andere schon. Nur liegt die Ursache erneut in der Pandemie, ebenso wie zum Beispiel manche Fachärzte mehr oder weniger beeinträchtigt sind beziehungsweise waren. Derartige Extrembeispiele mögen in Verbandsverfahren zum Schutz von Verbrauchern üblich sein – und dort auch durchaus zu Recht. Das kann aber unseres Erachtens nicht dazu führen, dass durch eben solche Extrembeispiele das Gesetz, das eindeutig auf den (beschränkten) Gebrauch abstellt, ausgehebelt werden kann. (Christian Prader, Lukas Gottardis, 8.5.2021)