Publius Ovidius Naso (deutsch Ovid, 43 v. Chr. – 17 n. Chr.) ist der antike römische Lieblingsdichter des türkisen Finanzministers Gernot Blümel. Unter den vielen Zitaten dieses Klassikers passt eines auf die gegenwärtige Situation: Principiis obsta! – "Wehre den Anfängen!"

Den antiparlamentarischen, selbstherrlichen Anfängen und Ambitionen der türkisen Truppe oder des "System Kurz" muss man wehren, sonst landen wir in einer Demokratur wie bei Orbán oder Trump (siehe auch den Leitartikel von Chefredakteur Martin Kotynek).

Bundeskanzler Sebastian Kurz und Finanzminister Gernot Blümel.
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Aber wie konnte es so weit kommen? Welche Mentalität steht hinter der Weigerung, einen Spruch des Verfassungsgerichtshofs so provokant zu ignorieren, sodass der Bundespräsident als Exekutor auftreten muss?

Die türkise Mentalität basiert zunächst auf tiefem bürgerlich-konservativem Frust. Sie sind aufgewachsen unter der Hegemonie der Sozialdemokratie, abgestützt durch eine ÖVP als ewige Zweite. Als der erste ÖVP-Kanzler seit ewig, Wolfgang Schüssel, 2006 scheiterte, kamen wieder diese öden rot-schwarzen Koalitionen. Da war Sebastian Kurz 20, Blümel 25. Da sollten sie Karriere machen? Im bürgerlichen Milieu verachtete man die "Sozis" Gusenbauer und Faymann, aber auch die schwachen ÖVPler, die das mittrugen. Die historischen Errungenschaften der "Sozis" – Sozialstaat, Frauenemanzipation, Förderung liberaler Künstler und Intellektueller – sind ihnen zutiefst suspekt. Kurz wäre dafür, die Wiener Gemeindebauten zu privatisieren, am Abbau der Sozialversicherungen arbeitete man. Corona kam dazwischen.

Schlüsselerzählung

Eine Schlüsselerzählung von Kurz lautet, als 16-Jähriger sei er zur ÖVP Meidling gegangen, um seine Mitarbeit anzubieten. Die alten ÖVP-Funktionäre dort haben ihn weggeschickt, er solle wiederkommen, wenn er groß sei. Er ging zur jungen ÖVP und eroberte mit ihr die Partei und dann das Kanzleramt. Liberal-Konservative wie Mitterlehner, die mit "den Sozis" konnten, wurden beiseitegeschoben. Das ist es aber schon mit dem Programm. Der Slogan von 2017 – "Ein neuer Stil" – sagt es. Viel mehr an Substanz ist nicht.

Blümel hat Philosophie studiert, er ist aber fast so ahistorisch wie Kurz. Die Wurzeln der FPÖ im Nationalsozialismus und Deutschnationalismus waren ihnen nicht bewusst oder wurscht. Es war ihnen schon so viel gelungen, sie würden auch die im Grunde nicht regierungsfähige FPÖ mitorganisieren. Ein Irrtum. Dazu kommt das Klüngelhafte, Männerbündische an dem kleinen Kreis um Kurz. Das ist eine Stärke bei der Machterringung. Aber eine Schwäche beim Regieren. Ein föderaler, immer noch sozialpartnerschaftlicher Staat lässt sich nur mit einem gewissen Konsens regieren. Der peinlich puerile Ton in der internen Kommunikation der Kurz-Jünger untergräbt das Vertrauen in die Regierungsfähigkeit.

Je mehr die Gruppe Kurz merkte, wie schwierig eigentlich Regieren ist, desto stärker versuchten (versuchen) sie, sich mit autoritär-populistischen Tricks abzusichern. Hier halten wir. (Hans Rauscher, 8.5.2021)