Schick, unangepasst, hip: Das französische Label Maison Cléo macht Mode aus Reststoffen von Couture-Häusern. Wenn der Jeansstoff aus ist, war’s das mit dem Blusenmodell.

Foto: Maison Cléo

Blusen mit Puffärmeln, gestrickte Tops, verspielte Krägen – die Mode des Labels Maison Cléo sieht erst einmal so aus, wie man sich die Mode einer französischen Marke vorstellt: schick und ein wenig unangepasst. Die New Yorker Influencerin Leandra M. Cohen gehörte zu den ersten prominenten Fans der kleinen Marke. Spätestens beim Einkauf wird aber klar: Das Label macht einige Dinge anders.

Der Onlineshop von Labelgründerin Marie Dewet öffnet nur einmal die Woche, jeden Mittwochabend bietet sie neue Blusen oder Strickkleider an. Die Stückzahl ist streng limitiert. Gefertigt werden die Modelle aus Reststoffen französischer Couture-Häuser.

Ein längerer Ärmel, eine größere Größe? Auf Sonderwünsche geht das Label ein. Wenn das Material allerdings aus ist, war’s das. Die Begrenztheit des Angebots, sie macht auch die Attraktivität der überaus angesagten Marke aus.

Ein weiteres Geheimnis des Labels: Maison Cléo verkauft Mode direkt an die Endverbraucherinnen. Über die Social-Media-Plattform Instagram, hier folgen ihm 108.000 Menschen, ist das auf zwei Standorte aufgeteilte Team von Marie Dewet mit ihnen in regem Kontakt. Sieben Personen, darunter drei Strickerinnen und die Labelbetreiberin, arbeiten im Studio in Lille, Dewets Mutter und drei Näherinnen sitzen in Calais.

Die Produktion wird auf Instagram leichtfüßig transparent gemacht. In den "Stories" sieht man die Strickmaschinen rattern sowie eine Tafel, auf denen die hereinkommenden Bestellungen vermerkt sind. Unter einem Foto von Strickdesignerin Chloé, die in einem violetten Schlauchkleid im Studio in Lille steht, kann man lesen: "In zwei Stunden kann man das Strickkleid in allen Größen kaufen, Chloé braucht viereinhalb Stunden, um eines zu fertigen."

Umweltschonende Arbeitsweise

Die Pandemie kam der Arbeitsweise des Modelabels entgegen: "Seit letztem Jahr trudeln immer mehr Bestellungen ein", erklärt Dewet. Sie vermutet, dass das damit zu tun habe, dass "die Menschen während der Lockdowns mehr Zeit vor dem Bildschirm verbracht haben". Der Großteil ihrer Kundinnen kommt aus den USA, aus Asien und Großbritannien, seit Beginn des Jahres auch zunehmend aus ihrer Heimat Frankreich.

Das Prinzip "Made-to-order", lange aus der Maßschneiderei bekannt, kommt kleineren Labels wie Maison Cléo entgegen. Es kann aber auch für exklusivere Unternehmen, die das E-Business entdecken, interessant sein.

Die amerikanische, auf Couture spezialisierte Modemarke Trigère verkauft neuerdings teure Kleider über den hauseigenen Onlineshop: Gefertigt wird erst nach dem Mausklick. Dafür muss die Kundschaft Geduld mitbringen: Sechs bis neun Wochen Wartezeit sind einzurechnen. Umweltschonender ist diese Arbeitsweise auch. "Durch Made-to-order kann die real existierende Kundenanfrage befriedigt werden", sagt Alf-Tobias Zahn, Experte für nachhaltige Mode.

Die gigantische Überproduktion gehört schließlich zu den drängendsten Problemen der Modeindustrie, es werden Unmengen an Kleidungsstücken gefertigt, die nie getragen werden. Das führten jene alarmierenden Schlagzeilen vor Augen, die 2017 durch die Medien gingen: "H&M verbrennt Tonnen unverkaufter Kleidung."

Strick auf Bestellung

60 Prozent der Kleidungsstücke der Strickmode-Designerin Christina Seewald werden erst gefertigt, wenn die Bestellung der Kundin eingetrudelt ist.
Foto: Maximilian Semlinger / Christina Seewald

Auch für die in Wien lebende Modedesignerin Christina Seewald, die für ihre Patchwork-Stücke Stoffüberschüsse verarbeitet, ist das Prinzip Made-to-order attraktiv. 60 Prozent ihrer Direktverkäufe an Kundinnen werden erst nach der Bestellung gefertigt. Nur Stücke, die die Designerin immer im Sortiment hat, werden im Voraus produziert.

"Für kleinere Labels ist Made-to-order finanziell viel besser zu stemmen", erklärt Seewald. In der Pandemie sei es nahezu unmöglich gewesen, alles vorproduzieren zu lassen. Außerdem kann die Modedesignerin den Kundinnen und Kunden so anbieten, Stücke auf den Körper anzupassen und auf Farbwünsche einzugehen. In ihrem Onlineshop will sie in Zukunft verstärkt auf die Bedürfnisse ihrer Kunden reagieren.

"Made-to-order hat den immensen Vorteil, dass wirklich individuelle Mode produziert werden kann", erklärt Alf-Tobias Zahn. Kunden und Kundinnen können so in den Prozess eingebunden werden: "Dem fertigen Textil ist man dadurch viel näher als bei Fast-Fashion-Massenprodukten."

Der Aufbau von Nähe zur Kundschaft, ob online oder offline, ist für kleinere Modeunternehmen ein Schlüssel zum Erfolg. Das trifft auch auf Shops zu. Sie sind nicht erst seit der Corona-Krise gezwungen, nachhaltiger zu agieren. Das beobachtet auch Camille Boyer von der Austrian Fashion Association (AFA), dem Förderverein für österreichisches Modedesign.

So luden japanische Shops ihre Endkunden und -kundinnen zu Trunkshows ein. In besonderem Rahmen wurden Kollektionen, zum Beispiel von Strickmodedesignerin Michaela Bürger, präsentiert: "Die Kundinnen und Kunden haben direkt Vorbestellungen platziert." Die Designerin musste nur die georderten Strickstücke produzieren – nicht mehr und nicht weniger. (Anne Feldkamp, RONDO, 15.5.2021)