Wien – 1,5 Milliarden Euro könnte die Schließung des MAN-Werks in Steyr nach Schätzungen der Gewerkschaft kosten. Der Investor Siegfried Wolf hat nun aber ein neues Angebot für das Werk und will damit die Belegschaft überzeugen. Statt beim gescheiterten Angebot mit 1.250 sollen nun 1.400 Stellen erhalten bleiben, indem 150 Jobs über eine Forschungsgesellschaft abgesichert werden. Arbeitnehmervertreter begrüßten den Vorstoß, ihnen fehlt es aber an Details. Auch MAN kennt diese noch nicht.

Verbessertes Angebot

Auf die Stiftung für 150 Jobs hat sich Wolf laut Angaben in der "ZiB2" vom Freitag mit Stadt, Land und Bund geeinigt. Jene, die trotzdem vom Wegfall von 500 Jobs betroffen wären, sollen etwas besser aussteigen, als zuvor geplant. Sie sollen, wenn sie den Sozialplan annehmen, "nach dem deutschen Modell in der Nettoausgleichszahlung" gleichgestellt werden, so Wolf. Dank eines Altersteilzeitmodells müssten sich ältere Mitarbeiter nicht "beim Arbeitsamt anstellen". 166 Lehrstellen würden gesichert. Gehaltskürzungen, wie sie beim ersten gescheiterten Angebot vorgesehen waren, blieben freilich aufrecht.

Wolf in der ZiB2.
ORF

Außerdem werde sich Raiffeisen Oberösterreich an dem Projekt beteiligen, sagte Wolf. "Wir würden nicht Nein zu MAN sagen, wenn ein Konsortium einen wirklich zukunftsweisenden Plan auf den Tisch legt", hatte der Chef der Raiffeisenlandesbank (RLB) Oberösterreich, Heinrich Schaller, im April bereits einmal dem "Kurier" gesagt.

Er hoffe, dass nun "Vernunft einkehrt und ein gemeinsames Programm zusammengestellt" werde, so Wolf in Richtung Arbeiterbetriebsrat, über den er sich verärgert zeigte. Schließlich war sein erstes Angebot von der Belegschaft in einer Urabstimmung abgeschmettert worden. Nun hofft Wolf auf eine Dreiviertelmehrheit, sollte das neue Angebot zur Abstimmung gelangen.

Arbeitnehmernvertreter noch skeptisch

Betriebsrat und Gewerkschaft begrüßten den neuen Anlauf von Wolf, ihre Skepsis blieb aber groß. Betriebsratschef Helmut Emler kritisierte gegenüber dem "Mittagsjournal" des ORF-Radio Ö1 am Samstag, dass Wolf über die Medien ausrichte, wieder mit den Mitarbeitern verhandeln zu wollen. Eine Bewertung des neuen Angebots von Wolf sei schwierig, weil er keine Details kenne. "Wenn es Änderungen gibt, dann soll er es bitte auf den Tisch legen", forderte Emler. "Wir sehen das natürlich sehr kritisch. Aber man kann es natürlich versuchen. Wenn es wirklich Verbesserungen gäbe, dann kann man darüber reden." Zwar im Nachhinein, aber als erstes werde nun der Betriebsrat persönlich informiert, betonte Wolf-Sprecher Josef Kalina.

"Da bin ich nicht ganz damit einverstanden, weil eine Arbeitsstiftung bedeutet immer, dass man die Mitarbeiter aus dem Unternehmen geben muss", sagte Angestelltenbetriebsrat Thomas Kutsam zu Ö1 zum Angebot, 150 zusätzliche Jobs mittels Arbeitsstiftung abzusichern. Wobei Kalina konkretisierte, dass es sich um eine Forschungsgesellschaft für Mobilität handle, wie auch die "OÖN" am Samstag berichteten. Die Details seien noch zu definieren, es gehe darum, dass die Menschen weiterhin Arbeit haben, hieß es aus dem Büro des oberösterreichischen Wirtschaftslandesrats Markus Achleitner (ÖVP). Dafür würden Land und Bund jede unternehmerische Lösung, die die Arbeitsplätze für die Zukunft absichere, unterstützen, "selbstverständlich auch das verbesserte Angebot von Siegfried Wolf", bestätigte Achleitner.

Kutsam hofft, mehr Jobs erhalten zu können, wenn man mehr Aufträge an Land zieht. "Für mich ist es trotzdem ganz ganz wichtig, dass man sich alternative Angebote auch noch ansieht. Beziehungsweise auch Angebote, die man gemeinsam mit Sigi Wolf da in Steyr produzieren kann."

Alois Stöger von der Produktionsgewerkschaft PRO-GE sprach von einem "insgesamt guten Schritt" und forderte ein schriftliches Angebot von Wolf. Wenn konkret etwas vorliege, könne das Angebot geprüft werden.

MAN abwartend

"Bisher ist noch niemand auf uns zugekommen", sagte ein MAN-Sprecher im "Mittagsjournal". Grundsätzlich sei man offen für Gespräche über eine Nachnutzung des Werks. Aber das Zeitfenster schließe sich. MAN München hielt erst am Freitag neuerlich fest, dass Wolf "als einziger Interessent ein industriell logisches und fundiertes Konzept für eine Nachnutzung des Standorts vorgelegt hat". Eine Nachbesserung gelte es jedoch mit den Arbeitnehmern zu besprechen.

Wolf zeigte sich in der "ZiB2" überzeugt, dass MAN – wenn es ein vom Betriebsrat unterstütztes Modell gebe, bereit sein werde, sich für Gespräche an einen Tisch zu setzen. Steyr dürfe nicht zum "Detroit Österreichs" werden. Dort verfiel die Stadt einhergehend mit einem Strukturwandel in der US-Autoindustrie.

Für seine Pläne müsse man die Produktionsstraßen umbauen, so Wolf. Dafür seien bis zu 18 Monate eingeplant. Der Investor hofft, dass MAN in diesem Sinne einer Weiterführung des Werks für zwei Jahre zustimmt.

Egger zeigt Interesse

Freitagnachmittag hatte sich auch das Green-Mobility-Konsortium rund um den Linzer Unternehmer Karl Egger (KeKelit) aus der Deckung gewagt. Dessen Sprecher Gerald Ganzger teilte mit, "dass das Konsortium mit MAN München eine NDA – Non-Disclosure Agreement, Vertraulichkeitserklärung – zur Aufnahme weiterer Gespräche abgeschlossen hat". Gemeinsam mit dem Consulter Deloitte Wien werde an der Endausarbeitung eines Konzepts gearbeitet. Es solle "nach Ablauf der Exklusivitätsfrist" nach München übermittelt werden. "Wir sind an den eingeleiteten konstruktiven, vertraulichen Gesprächen mit MAN sehr interessiert, um im Sinne der Belegschaft in Steyr und allen Stakeholdern ein besseres Ergebnis zu erzielen als bisher vorliegt", so Ganzger. In ein bis zwei Wochen soll das Angebot übermittelt werden.

Arbeiterbetriebsrat Helmut Emler (links) und Angestelltenbetriebsratsvorsitzender Thomas Kutsam fordern mehr Details zum neuen Wolf-Angebot.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Die gewerkschaftliche Kalkulation der Schließkosten von 1,5 Milliarden Kosten setzt sich laut Stöger, Leiter der Abteilung der Sozialpolitik der Produktionsgewerkschaft PRO-GE, aus den Lohnfortzahlungen, die aus dem Kündigungsverzicht resultieren, und der Investitionszusage von MAN für den Standort Steyr zusammen, wie er gegenüber der APA vorrechnete.

Gerichtliches Nachspiel

In der Standortsicherungsvereinbarung 2019 habe sich MAN verpflichtet, jährlich vier Prozent des Umsatzes von Steyr in den Standort zu investieren, erklärte Stöger – das wären bei rund einer Milliarde Umsatz jährlich 40 Millionen Euro, also bis Ende 2030 rund 400 Millionen. Hinzu komme der Kündigungsverzicht, der nach Ansicht der Arbeitnehmervertretung eine Entgeltfortzahlung bis 2030 nach sich ziehen würde. Das wäre bei einer Lohnsumme von rund 170 Millionen Euro auf zehn Jahre gerechnet etwa eine Milliarde Euro, schätzt Stöger.

MAN hat diese Vereinbarung zwar gekündigt, laut einem Rechtsgutachten im Auftrag der Gewerkschaft sei der Kündigungsverzicht aber weiterhin gültig. Stöger geht davon aus, dass die Chancen der Belegschaftsvertretung vor Gericht zu gewinnen, sehr gut seien. Dass MAN nicht die Gelegenheit nutze, vom OGH feststellen zu lassen, ob die Vereinbarung gültig sei, zeige, dass dem Konzern das Risiko offenbar zu hoch sei, so Stöger. Die Arbeitnehmerseite will vor Gericht ziehen, sobald betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden. (APA, 8.5.2021)