Palmer hat Ärger mit der Parteispitze.

Foto: Rechte: imago images/Ulmer/Fabian Laemmle

Berlin – Nach einem Eklat in einer Rassismus-Diskussion auf Facebook über den früheren deutschen Fußball-Nationalspieler Dennis Aogo droht dem Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer der Parteiausschluss. Bei einer Abstimmung beim Grünen-Landesparteitag in Baden-Württemberg stimmten laut "SZ" 161 Delegierte für ein Ausschlussverfahren, 44 dagegen und 8 enthielten sich. Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand sagte in Stuttgart: "Das Maß ist voll." Palmer sorge mit "inszenierten Tabubrüchen" für eine Polarisierung der öffentlichen Debatte.

Die Grünen-Spitze hatte Palmer bereits zuvor heftig kritisiert. "Die Äußerung von Boris Palmer ist rassistisch und abstoßend", erklärte Co-Chefin und Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock am Samstag auf Twitter. Sich nachträglich auf Ironie zu berufen, mache es nicht ungeschehen. Palmers Äußerung reihe sich ein in immer neue Provokationen, die Menschen ausgrenzten und verletzten. "Boris Palmer hat deshalb unsere politische Unterstützung verloren. Nach dem erneuten Vorfall beraten unsere Landes- und Bundesgremien über die entsprechenden Konsequenzen, inklusive Ausschlussverfahren."

Auf Ironie berufen

Palmer hatte auf Facebook die Ex-Fußballprofis Jens Lehmann und Aogo in Schutz genommen, die mit Äußerungen jeweils für öffentliche Empörung gesorgt hatten. Der Grünen-Politiker kritisierte, dass ein Sturm der Empörung im Internet Existenzen vernichten könne und eine "Cancel Culture" die Menschen in Deutschland zu hörigen Sprechautomaten mache.

Lehmann musste wegen einer Whatsapp-Nachricht über Aogo seinen Posten im Aufsichtsrat des Bundesligisten Hertha BSC räumen. Aogo lässt nach einer umstrittenen Wortwahl in einer Fernsehsendung seine Expertentätigkeit beim Pay-TV-Sender Sky ruhen.

Dabei sorgte Palmer seinerseits mit einer Äußerung in einer der Antworten auf den Post für Empörung, in der Aogo vorgeworfen wurde, er sei ein "schlimmer Rassist". Dabei verwendete Palmer auch das N-Wort und eine Anspielung auf Aogos Penis.

Das habe er allerdings ironisch gemeint, erklärte Palmer am Samstag. Er habe einen absurden Rassismus-Vorwurf, der im Internet gegen Aogo erhoben worden sei, aufgegriffen und ins Groteske steigern wollen. Damit habe er ersichtlich machen wollen, wie abwegig der Vorwurf sei. Nun werde der falsche Eindruck erweckt, er sei der Urheber des Satzes und selbst ein Rassist, erklärte Palmer.

Weitere Kritiker

Palmer sprach von "haltlosen und absurden Vorwürfen". Hier gehe es darum, abweichende Stimmen zum Verstummen zu bringen. "Daher kann und will ich nicht widerrufen." Allerdings empfahl er dem Parteitag, dem Antrag für ein Ausschlussverfahren zuzustimmen. Dann habe er endlich die Gelegenheit, sich gegen die Anwürfe zu verteidigen.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagte: "Solche Äußerungen kann man einfach nicht machen. Das geht einfach nicht." Auch der früheren Grünen-Bundeschef Cem Özdemir kritisierte Palmer heftig. Eigentlich habe man sich in Stuttgart mit dem grün-schwarzen Koalitionsvertrag beschäftigen wollen. "Umso ärgerlicher, dass Boris Palmer wieder einen rausgehauen hat." Es sei auch für einen Oberbürgermeister eine "verdammte Pflicht" auf die Wortwahl zu achten.

Nicht zum ersten Mal

Palmers Äußerungen rufen nicht zum ersten Mal Kritik hervor. So hatte er sich etwa im Mai 2020 für mehr Lockerungen in der Corona-Krise ausgesprochen und zum Umgang mit älteren Menschen erklärt: "Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären." Es folgte ein Aufschrei über Parteigrenzen hinweg. Der Linken-Politiker Jan Korte sprach von "Menschenverachtung pur".

Bereits damals sprachen sich rund einhundert Grüne in einem offenen Brief für Palmers Parteiausschluss aus. (Reuters, red, 8.5.2021)