Die Ausbeutung von Arbeitskräften müsse "spürbare Konsequenzen" haben, sagte Sozialminister Wolfgang Mückstein (Grüne).

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Die Ausbeutung von Arbeitskräften müsse "spürbare Konsequenzen" haben, sagte Sozialminister Wolfgang Mückstein (Grüne) bei der Präsentation des neuen Sozialdumping-Gesetzes. An der Erarbeitung des Entwurfs hat er selbst noch nicht mitgewirkt. Die Neuregelung der Strafen ist schon länger geplant – genau genommen seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus 2019.

Damals kippte das Höchstgericht Millionenstrafen, die gegen Vorstände der Andritz verhängt wurden. Das Unternehmen hatte die Lohnunterlagen von ausländischen Arbeitskräften nicht vollständig bereitgehalten. Aufgrund des in Österreich geltenden Kumulationsprinzips multiplizierte die Behörde die Strafe mit der Anzahl der betroffenen Beschäftigten. Das führte zu ausufernden Strafhöhen, die laut EuGH unzulässig waren.

Daher sei die Neuregelung notwendig gewesen, sagt Daniela Krömer, Anwältin für Arbeitsrecht in der Kanzlei CMS. Der EuGH-Entscheid hatte zur Folge, dass der alte Strafrahmen, der für einen Verstoß bei einem einzigen Arbeitnehmer vorgesehen war, auch bei mehreren betroffenen Arbeitnehmern angewendet werden musste. Ohne Gesetzesänderung wären die Höchststrafen für Unterentlohnung deshalb deutlich zu niedrig gewesen.

Kaum Rechtssicherheit

Die punktuelle Änderung im Sozialdumping-Gesetz wird aber kaum Rechtssicherheit schaffen. Dass Strafen kumuliert werden müssen, ist ein allgemeines Prinzip des österreichischen Verwaltungsrechts. Dessen weitere Anwendung in anderen Bereichen wie dem Arbeitszeitgesetz oder dem Arbeitsschutzgesetz bleibt daher fraglich.

Dazu kommt, dass der EuGH im Fall von Andritz in einem grenzüberschreitenden Sachverhalt entschieden hat. Die Frage, ob die Rechtsprechung auch auf reine Inlandssachverhalte übertragen werden muss, wird von den Höchstgerichten bisher unterschiedlich beantwortet.

Erst kürzlich hat der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) den Antrag an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) gestellt, die Strafbestimmungen im Ausländerbeschäftigungsgesetz aufzuheben: Wende man das Kumulationsprinzip bei Sachverhalten mit EU-Bezug nicht mehr an, führe das zu einer Diskriminierung rein österreichischer Fälle, die dann vergleichsweise stärker bestraft würden.

Generelle Regelung

Laut Wolfgang Mazal, Professor für Arbeitsrecht, sei die Frage, ob das Kumulationsprinzip weiter angewendet werden muss, nicht pauschal zu beantworten. Der EuGH habe das Prinzip als solches nicht infrage gestellt, sondern nur die Unverhältnismäßigkeit in bestimmten Situationen.

Man müsse daher unterscheiden: Bei rein administrativen Delikten – wenn etwa keine ordentlichen Aufzeichnungen geführt werden – müsse der Staat die Verhältnismäßigkeit wahren, indem er sich bei der Strafhöhe an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit orientiert.

Anders seien jedoch Delikte zu beurteilen, bei denen der Arbeitgeber in die Rechtssphäre von Einzelpersonen eingreift. Dann solle die Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer weiterhin eine Rolle spielen. Die Verhältnismäßigkeit könne man auch im Rahmen der Strafmilderung berücksichtigen.

Europarechtliche Vorgaben

Würde die Rechtsprechung des EuGH künftig auch auf reine Inlandssachverhalte übertragen, wären viele Strafbestimmungen in den Verwaltungsgesetzen nicht mehr anwendbar, sagt Mazal. Eine mögliche Lösung wäre eine generelle Neuregelung im Verwaltungsstrafgesetz, die den europarechtlichen Vorgaben gerecht wird.

Einen entsprechenden Vorschlag der Sozialpartner habe es schon 2017 gegeben, sagt Walter Gagawczuk, Jurist bei der Arbeiterkammer. "Damit wäre die Diskussion eigentlich erledigt gewesen." Das Kumulationsprinzip gänzlich abzuschaffen hält auch er für überzogen. "Es braucht aber eine Deckelung für Ausreißerfälle." (Jakob Pflügl, 10.5.2021)