STANDARD: Zum Einstieg eine Frage am Hauptthema vorbei: Wann baut Mazda wieder ein Hochleistungsaggregat, wie wir es zuletzt vom Mazda6 MPS (2005 bis 2007, 2,3-Liter-Turbo, 260 PS, Anm.) in Erinnerung haben? Oder sind diese Zeiten endgültig vorbei?

Kunz: (seufzt) Ja, leider. Jedenfalls, direkt auf dieses Motorkonzept gesehen: Ich kann das gut verstehen, bin die auch immer gerne gefahren. Aber momentan habe ich da keine guten Nachrichten – so ein Konzept ist derzeit nicht beabsichtigt für Europa. Für die USA gibt es noch was in der Richtung. Das liegt einfach an den CO2-Vorschriften, die Geschichte mit den Flottenwerten und Strafzahlungen bei Überschreiten. Wir sind ja ein Hersteller, der noch längere Zeit an Benziner und Diesel festhält. Diese Antriebe werden allerdings alle in irgendeiner Form hybridisiert sein, also Mild- oder Plug-in-Hybrid. Das heißt: Wir werden schon wieder auch starke Motoren bekommen, in der nächsten Generation auch Sechszylinder, die werden leistungsmäßig ebenfalls so um die 260 PS liegen, wie damals der MPS. Bei Plug-in-Hybrid-Konzepten kommen wir sogar über diese Leistung. Es wird also schon auch in Zukunft starke Motorisierungen geben.

STANDARD: Sie wollen also die Emotionen weiter bedienen.

Kunz: Ja! Also: Einen direkten MPS-Nachfolger wird es nicht geben, aber durchaus leistungsstarke Antriebe. Emotional wird das auf jeden Fall auch sein: Ansprechverhalten, Motorsound, solche Sachen sind uns wichtig.

STANDARD: Dann gleich zur Sache. Der noch junge Skyactiv-X-Motor wurde soeben technisch aufgefrischt. Warum war das so rasch nötig?

"Es geht nicht primär um die Leistung – gut, es sind sechs PS mehr –, sondern vor allem um Ansprechverhalten, Drehmoment, Fahrbarkeit. Der Verbrauch ist ja auch ordentlich besser geworden."
Foto: Mazda

Kunz: War’s eigentlich nicht. Es hat ja auch in der 2019er-Version alles prima funktioniert. Aber wir haben jetzt einerseits die ersten Daten und Auswertungen aus dem realen Kundenbetrieb, andererseits Verbesserungen verfügbar, die wir so schnell wie möglich in die Serie einfließen lassen wollten. Es geht nicht primär um die Leistung – gut, es sind sechs PS mehr –, sondern vor allem um Ansprechverhalten, Drehmoment, Fahrbarkeit. Der Verbrauch ist ja auch ordentlich besser geworden.

STANDARD: Wir fuhren die überholte Maschine soeben im CX-30, Testverbrauch, ohne groß über die Stränge zu schlagen: 6,8 l/100 km. Nicht schlecht, aber immer noch eine Ecke weit vom Diesel entfernt.

Kunz: Gut, je nach Fahrweise kann es schon sein, dass mit einem guten Diesel bessere Werte herauskommen. Unter den Benzinern gesehen werden Sie aber nichts Besseres finden. Das zeigen unsere Messungen, das zeigen auch ziemlich alle Vergleichstests. Aber Sie haben schon recht, Diesel können noch besser sein, vor allem bei höheren Lasten oder wenn man schneller fährt. Deshalb ist ja der X mit dem Upgrade auch so gemacht, dass der in weiteren Bereichen als bisher tatsächlich mit dem Magermix und SPCCI (Spark Controlled Compression Ignition, also Kompressionszündung per Zündfunken; das extrem magere Sprit-Luft-Gemisch wird bis knapp unter Selbstzündung komprimiert, zündet dann aber per Kerze, Anm.) fahren kann – aber irgendwann nicht mehr, bei sehr hohen Lasten. Und dann kann der Diesel nach wie vor besser sein. Aber der Skyactiv X ist halt doch ein Benziner von der restlichen Charakteristik her: Geräusche, Vibrationen, Drehzahlbereich, Ansprechverhalten.

STANDARD: Hohe Verdichtung, extrem mageres Kraftstoff-Luft-Gemisch plus Anfettung durch getrennte Einspritzung um die Zündkerze während eines Arbeitsgangs, jetzt auch noch ein Drucksensor pro Zylinder: Sie betreiben enorm hohen Aufwand. Rechnet sich der denn überhaupt?

Joachim Kunz (Jahrgang 1961), seit 1991 bei Mazda Motor Europe tätig, ist Senior Manager beim Mazda-Entwicklungszentrum in Oberursel und koordiniert dort die Zusammenarbeit diverser Abteilungen.
Foto: Mazda

Kunz: Natürlich. Wir machen das ja, um mit den Autos Geld zu verdienen. Und zum zweiten: ja, völlig richtig, wir betreiben einen sehr hohen Aufwand, vor allem bei Sensorik, Motorsteuerung und der Regelung von allen Parametern. Zum Drucksensor: Das ist jetzt nicht ein einfacher Klopfsensor wie beim normalen Benziner, der keine richtige Druckmessung macht, sondern wir haben tatsächlich einen richtigen Drucksensor, der hoch aufgelöst in Echtzeit den ganzen Verbrennungsverlauf misst, aufzeichnet und auswertet, sodass dann die Steuerung eingreifen kann und wenn nötig aus dieser Kompressionszündung rausgeht – zum Beispiel bei Volllast wieder auf normalen Benzinerbetrieb mit Lambda 1 geht, also nicht mehr mit Magerbetrieb. Das heißt, Sensorik, Motorsteuerung sind in der Tat sehr aufwendig. Aber von der Hardware her, von der Motorkonstruktion, ist das dann in vielen Bereichen doch wieder günstiger als ein Diesel. Wir spritzen auch mit hohen Drücken ein, aber Diesel ist trotzdem eine andere, teurere Liga, und auch die Abgasnachbehandlung – so ein AdBlue-System beim Diesel ist auch heftig teuer.

STANDARD: … was Sie bisher durch innermotorische Maßnahmen umgehen konnten…

Kunz: Ja. Unser Diesel hat gute Rohemissionen, wir brauchen keine Harnstoffeinspritzung.

STANDARD: Zurück zum Skyactiv X. Die Kompression wurde reduziert, von 16,3:1 auf 15:1. Welche technische Notwendigkeit gab es dafür?

Kunz: Erst einmal ist ein hohes Basisverdichtungsverhältnis gut für den Verbrauch. Für unsere Kompressionszündung ist sie nötig. Mit den ursprünglichen 16,3 ist es gut möglich, das magere Gemisch mit Kompressionszündung zu entzünden, aber man kommt dann zu höheren Lasten wieder an die Grenze und muss aus dem SPCCI wieder rausgehen. Also. Generell funktioniert das SPCCI besser mit einer hohen Verdichtung, aber halt nicht so lange, zu hohen Lasten hin. Es ist da ein Zielkonflikt: Wenn ich häufig bei hohen Lasten fahre, ist es besser, die Verdichtung zurückzunehmen, weil ich dann zu den hohen Lasten hin länger im SPCCI drinbleiben kann. Da ist viel optimiert, auch analysiert worden: Wie fahren denn die Leute, wie oft in welchem Bereich. Im Endeffekt läuft es darauf raus, dass der Motor im Kundenbetrieb möglichst häufig in diesem optimalen Bereich SPCCI tatsächlich fahren kann. Da hat man also jetzt nach den Erkenntnissen das Optimum ein bisschen anders festgelegt.

STANDARD: Welche Langzeit-Verschleiß-Erfahrungen bei den einzelnen Komponenten haben Sie gemacht?

Kunz: Sehr gute. Wir haben ja unsere internen Standards für Haltbarkeit, Zuverlässigkeit, mit den entsprechenden Testverfahren. Das wurde dann auch bei uns in Europa gemacht als Dauertest, auch in den verschiedenen Ländern, mit verschiedenen Kraftstoffen. Wir haben sichergestellt, dass der X die gleichen Standards erfüllt wie unsere konventionellen Motoren. Auch aus den Kundenrückmeldungen haben wir sehr gute Ergebnisse, was die Haltbarkeit angeht.

STANDARD: Sie setzen weiterhin auf 24-Volt-Technologie, wo praktisch alle Konkurrenten auf 48 Volt setzen. Warum?

Kunz: Der Trend geht auf 48 Volt, richtig – wir haben nur 24. Aber das ist ja nur die Spannung. Das ist weder die Kapazität vom Akku, wie viel ich da zwischenspeichern kann, das ist auch nicht die Leistung, die die Batterie nachher liefern oder der Startergenerator einspeisen kann. Das ist nur die Betriebsspannung. Und für die gleiche Leistung bräuchte ich doppelt so viel Strom. Wenn die Leistungen hoch werden und die Spannung ist gering, muss viel Strom fließen, dann braucht man dickere Kabel. Wenn man jetzt immer weiter zu höheren elektrischen Leistungen geht, setzt man auch die Spannung hoch, sonst müsste man mit dem Strom hochgehen. Ich würde also sagen, dass 24 Volt kein prinzipieller Nachteil ist.

Foto: Mazda

STANDARD: Ihre Rekuperationsleistung entspricht etwa dem der 48-Volt-Konkurrenz?

Kunz: Ich habe da jetzt keine direkten Vergleichswerte. Unser Startergenerator hat 4,8 kW (6,5 PS) und 61 Nm Drehmoment – ein üblicher Wert für Mildhybrid. Damit kann man natürlich nicht fahren, aber es dient als Unterstützung kurzzeitig beim Anfahren, um das Ansprechverhalten zu verbessern. Die Batterie ist gleichgeblieben. Die Steuersoftware ist aber geändert worden, vor allem in Hinsicht schnelleres Ansprechverhalten, dass der Startergenerator in kürzerer Zeit seine Unterstützung reinpackt.

STANDARD: Wie geht es mit der Elektrifizierung bei Mazda weiter?

Kunz: Wir halten stärker als viele andere weiter am Verbrennungsmotor fest, aber, wie gesagt, eben mit Hybridisierung. Das heißt bei uns Multi-Solution-Approach. Wir wollen nicht auf ein Konzept setzen, sondern vieles parallel anbieten. Elektro-Fahrzeug: haben wir jetzt auch. Aber es kommen auch Range Extender…

STANDARD: … in Wankelmotor-Form?

Kunz: Ja, mit Wankel. Mehr kann ich dazu leider noch nicht sagen. Und es kommt auch eine komplett neue Generation von Dieselmotoren und Plug-in.

STANDARD: Von welchem Zeithorizont ist hier die Rede? Der erste Mazda-Plug-in-Hybrid kommt heuer noch? Nächstes Jahr?

Kunz: Dieses Jahr nicht mehr.

STANDARD: Sie sagten, Mazda hält am Diesel fest.

Kunz: Wir glauben weiterhin an dieses Konzept. Gerade für Leute, die weite Strecken fahren, Vielfahrer. Zum jetzigen Zeitpunkt ist das nicht nur die günstigste Lösung von den Kraftstoffkosten her. Sogar umweltmäßig – wir betrachten immer die gesamte Well-to-Wheel-Kette. Wenn tatsächlich viel gefahren wird, ist das, auch was CO2 angeht, die beste Lösung. Ich kann nur hoffen, dass wir nicht vom VW-Dieselgate so viele Kollateralschäden bekommen, dass die Leute nicht mehr zum Diesel greifen. Das wäre sehr schade. Es wird ja von vielen Seiten, auch von Unis und Professoren und Entwicklern, nach wie vor Bedarf für den Diesel gesehen.

STANDARD: Zur avisierten Plattform mit Hinterradantrieb. Wird das eine Mischplattform sein, auf der auch Elektrofahrzeuge entstehen?

Kunz: Auch dazu kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht viel sagen. Nur so viel. Zu der neuen Plattform wird es auch Sechszylindermotoren geben sowie Elektrifizierung in verschiedenen Formen, Mild bis Plug-in.

STANDARD: Man gewinnt beinahe den Eindruck, es gehe es Mazda in Europa fast ausschließlich um das Erreichen der Verbrauchs- und Abgaslimits.

Kunz: Wir sehen uns natürlich auch verpflichtet für Nachhaltigkeit und Klimaschutz, das ist ja nicht nur Zwang. Aber. Das steht bei uns nicht ganz vorne auf der Agenda. Ganz oben steht bei uns die Produktphilosophie Jinba-Ittai (Anm.: Der Begriff steht in Japan für Einheit von Reiter und Pferd). Da geht es um Fahrspaß, intuitive Bedienung, das Fahrzeug als Verlängerung des Körpers. Das ist unser Ansatz und das wichtigste für uns. Dazu zählt auch unverwechselbares Design, die Verarbeitungsqualität innen und außen. Human centered: Alles wird, auch nach psychologischen Erkenntnissen, so konstruiert, dass die Technik für den Menschen intuitiv bedienbar ist. (Andreas Stockinger, 21.05.2021)

Foto: Stockinger

Testbericht:

Das ging ja schnell. Mazda hat beim Skyactiv-X nachjustiert. Der Benziner mit der hohen Verdichtungswerten – bis knapp zur Selbstzündung – war zwar beim Spritkonsum stets weit vorn zu finden. Die Verheißung, die Vorzüge des Ottomotors mit der unschlagbaren Genügsamkeit des Diesels zu vereinen, kam aber bisher in der Realität nicht an.

Die überarbeitete Version, die wir im CX-30 begutachten konnten, soll nun einen halben Liter auf 100 km sparsamer sein, sie hat sechs PS zusätzlich (jetzt 186) und 16 Nm mehr Drehmoment (jetzt 240). Um es gleich vorwegzunehmen: Bei vorwiegend Stadt- und Autobahneinsatz kamen wir im Testzeitraum auf 6,8 l / 100 km, der Wagen war mit manueller 6-Gang-Schaltung und Frontantrieb ausgestattet – Allrad wäre auch verfügbar, 6-Gang-Wandlerautomatik ebenfalls.

Abgesehen vom Verbrauch haben wir dabei folgende Eindrücke mitgenommen. Die Gänge flutschen nur so hinein, aber das ist nichts Neues bei Mazda. Hingegen hat uns der schöne, harmonische Drehmomentverlauf gefallen, die Laufkultur.

Vibrationsarm und leise

Grafik: Der Standard

Der Vierzylinder ist absolut vibrationsarm und mitunter fast so leise wie ein E-Motor. Auf der Autobahn wirkt der Japaner bei Überholmanövern zwar etwas behäbig, speziell in höheren Gängen. Deshalb tut man schon bei leichteren Anstiegen gut daran, zurückzuschalten. Für Schaltfaule ist Automatik sicher die bessere Wahl. In der Stadt ist das Zweiliter-Aggregat aber sehr flott und agil. Das sportlich-straffe Fahrwerk hingegen: eins A.

Überzeugt hat uns auch die Ausstattung. Schon im Serienumfang enthalten ist beispielsweise ein vollwertiges Navigationssystem, Head-up-Display inklusive. Dabei handelt es sich keineswegs um eine günstige Lösung mit ausfahrbarer Plastikscheibe; vielmehr kommt ein vollwertiger Monitor zum Einsatz, der Informationen in Farbe auf die Windschutzscheibe projiziert, gestochen scharf. Das Bediensystem ist übersichtlich, überhaupt wirkt das Wageninnere angenehm aufgeräumt. Die Materialien wirken durchgehend hochwertig, die Verarbeitung derselben wurde selbst an schwer zugänglichen Stellen sauber durchgeführt.

Als angenehm haben wir auch die fast überschwängliche Kopffreiheit empfunden, welche man sogar auf den ansonsten etwas weniger opulent ausgeführten Fondsitzen findet. Leider gibt es keine längsverstellbare Oberschenkelauflage, damit hätte Mazda vor allem bei größeren Personen einen Pluspunkt mehr. (Günther Strobl, 21.5.2021)