Friede beim Bergradeln? Nicht immer.

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Die hitzige Diskussion unter der letzten Tretlager-Kolumne zum Thema Trail-Etikette hat gezeigt, wie tief die ideologischen Gräben mittlerweile in der Mountainbike-Szene sind. Sie verlaufen kreuz und quer durch die Spielarten des Sports, fast so wie die illegalen Trails in den heimischen Wäldern. Statt den Boom, den unser Sport erlebt, dafür zu nutzen, der geeinten Stimme der Mountainbiker mehr Gewicht zu verschaffen, bekriegen sich die selbsternannten "wahren Radler" lieber untereinander. Es erinnert an Monty Pythons "Life of Brian", wo sich Judäische Volksfront und Volksfront von Judäa gegenseitig bekriegen.

Aufruf des "Lines"-Magazins

Christoph Berger-Schauer, Chefredakteur des österreichischen Mountainbike-Magazins "Lines", hat diese Selbstzerfleischung im Editorial der aktuellen Ausgabe seines Heftes zum Thema gemacht. Er beschreibt das Problem treffend:

Jungbiker werden von Alteingesessenen gemaßregelt, weil sie neue Sprünge in die illegalen Trails bauen. Andere aus der 26-Zoll-Ära verstauben die Sick Series Boys, weil sie nicht schaufeln, sondern nur fahren. Wie man's macht, ist's falsch. Lycra-Marathonisti und Kniedeckel-Fraktion würdigen sich im Wald keines Blickes (okay, das hat Historie). Bikebergsteiger finden liftunterstütztes Fahren verwerflich, während die Park Rats so was von gar nicht nachvollziehen können, warum man sein Radl einen Steig raufträgt, nur um ihn ein paar Stunden später runterzustolpern. Für die einen sind Flowtrails die Pest, für die anderen Sucht. Und hat man in den letzten fünf Sätzen keine Streitpunkte gefunden, dann gibt's zumindest ein Thema, über das man immer lästern kann: die E-Biker.

Absage an alle Apologeten

Berger-Schauer hat recht. Die Trennlinien sind keine, wenn jede und jeder bereit ist, über seinen Schatten zu springen. Denn in Wahrheit ist es dieselbe Leidenschaft, die all jene eint, die sich gern auf Fahrrädern bewegen. Und wie wollen wir Respekt für unsere Anliegen einfordern, wenn wir einander selbst nicht respektieren? Im "Lines"-Editorial erteilt der Chefredakteur allen selbsternannten Apologeten des wahren Mountainbikens eine deutliche Absage:

Mountainbiken ist vielfältig. Jetzt ist schon Skifahren kein in sich homogener Sport. Die wenigsten Ski-Amadé-Saisonkartenbesitzer können nachvollziehen, warum sich wer freiwillig mehrere Stunden einen potenziell lawinengefährdeten Berg raufquält, nur um dann einen nicht gespurten Hang in viel zu tiefem Schnee runterzujauken. Mit dem Spektrum Forststraße bis Gebirgssteig ist Biken noch einen guten Schuss abwechslungsreicher. Das heißt im Umkehrschluss: Es gibt nicht den EINEN richtigen Weg, biken zu gehen. Was wir alle am allerwenigsten brauchen, sind Mountainbiker, die versuchen, ihren Mitstreitern genau das einzubläuen. Bikepark-Partylaps, Forststraßentouren oder Gipfelkreuz-Bike-Erlebnisse entbehren Kategorien wie richtig oder falsch. Wenn's Spaß macht (und keinem anderen schadet), dann lassts ihnen doch die Freude.

Bleibt zu hoffen, dass diese wahren Worte auf fruchtbaren Waldboden fallen. Denn eigentlich wären wir viele, aber offenbar verstehen wir das selbst nicht. Solange wir weiter im radelnden Gegenüber einen Gegner oder eine Gegnerin sehen, nur weil er oder sie eine andere Vorstellung von Spaß am Radfahren hat, wird niemand unsere Forderungen ernst nehmen. Also fahrt raus und seid die Veränderung, die wir uns alle wünschen. Redet miteinander und erzählt einander von der Leidenschaft, die Radfahren für euch bedeutet. (Steffen Arora, 11.5.2021)