Für Deutschland empfahl die Ständige Impfkommission am Montag, das Vakzin von Janssen, das bloß einen Stich braucht, an Personen über 60 zu verimpfen.

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Die Zahl der Infektionen geht zurück, während die Zahl der gelieferten Impfdosen steigt. Dieser erfreuliche Trend zeigt sich nicht nur in Österreich, sondern in den meisten anderen europäischen Ländern. Das hat auch Auswirkungen auf die Impfpläne. Denn bei einem geringeren Infektionsrisiko verändern sich auch die Schaden-Nutzen-Kalkulationen für Impfstoffe mit mehr Nebenwirkungen, also insbesondere für Vaxzevria, den Impfstoff von Astra Zeneca, aber auch den von Johnson & Johnson (eigentlich: Janssen).

Konkret geht es um die sehr seltenen, durch die beiden Impfstoffe ausgelösten Fälle von Thrombose mit Thrombozytopenie- Syndrom (TTS), wie diese Nebenwirkung mittlerweile offiziell heißt. Dabei handelt es sich um ein Blutgerinnsel bei gleichzeitiger Abnahme der Zahl der Blutplättchen. In Deutschland etwa wurden bis Ende April insgesamt 67 TTS-Fälle nach Vaxzevria-Impfungen registriert.

Je nach Altersgruppe und Geschlecht ergibt sich eine Melderate von 0,2 bis 2,2 Fällen pro 100.000 verabreichten Impfungen; die höchste Rate gibt es für Frauen im jüngeren Alter. Insgesamt 14 Patientinnen und Patienten verstarben. Geringer ist die TTS-Rate, die aus den USA für das Janssen-Vakzin bekannt ist.

Neue Risikoabwägungen

Dieses Risiko wiegt bei sinkenden Inzidenzen und damit geringeren Infektionswahrscheinlichkeiten zunehmend schwerer gegen den Vorteil einer schnelleren Immunisierung mit Vaxzevria – zumal dann, wenn Alternativen wie mRNA-Impfstoffe verfügbar sind. Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA hat das auch grafisch veranschaulicht: Bei hoher Infektionrate (wie im Jänner 2021 mit rund 220 Infektionen pro Woche pro 100.000 Personen bzw. 886 pro Monat) überwiegt der Vorteil einer Vaxzevria-Impfung im Vergleich zum TTS-Risiko klar:

Grafik: EMA

Sind die Infektionszahlen aber so niedrig wie im September 2020 (mit 55 Infektionen pro 100.000 pro Moment), dann würde die Impfung immer noch ein positives Nutzenverhältnis haben, das aber bei den jüngeren Personen sehr gering wird, zumal bei diesen das TTS-Risiko höher ist:

Bei geringer Infektionsrate nähert sich bei den Jüngeren das Risiko eines Krankenhausaufenthalts ohne Vaxzevria dem einer Thrombose mit Vaxzevria an.
Grafik: EMA

In Deutschland hat das Gesundheitsministerium die Impfpriorisierung sowohl für Vaxzevria wie auch für das Vakzin von Johnson & Johnson aufgehoben. Sprich: Jeder Erwachsene, der will, kann einen Termin bekommen. Zugleich rät die Ständige Impfkommission wegen der seltenen TTS-Fälle dazu, Vaxzevria und den Janssen-Impfstoff nur an Personen über 60 zu verimpfen. Auch wenn die Inzidenz noch lange nicht jener einer "niedrigen Infektionsrate" nach EMA-Definition entspricht.

Die Lage in Österreich und GB

In Österreich spielt das Janssen-Vakzin wegen geringer Bestellmengen noch kaum eine Rolle; zudem wurden TTS-Fälle noch seltener gemeldet als bei Vaxzevria. In Sachen Vaxzevria haben in Österreich vor allem die anhaltenden Lieferschwierigkeiten von Astra Zeneca dazu geführt, dass die Erstimpfungen mit Vaxzevria in Österreich zuletzt zurückgingen: Von den rund 315.000 Personen, die in der Vorwoche ihren ersten Stich erhielten, erhielten nur 34.184 das Serum von Astra Zeneca. Der Impfstoff wird im Moment vor allem für Zweitimpfungen eingesetzt.

Wieder etwas anders ist die Lage in Großbritannien, wo man ebenfalls stark auf den Impfstoff von Astra Zeneca setzte: Seit vergangenem Freitag empfiehlt das dortige nationale Impfgremium Vaxzevria nur noch für Menschen ab 40 anstatt wie zuvor für alle über 30. Der Grund dafür ist ebenfalls die stark gesunkene Inzidenz, die mittlerweile bei nur knapp über 20 Neuinfektionen pro Woche pro 100.000 Personen liegt.

Da sind wird in Deutschland und Österreich allerdings noch lange nicht. (Klaus Taschwer, 10.5.2021)