Bier trinken, aber davor Maske tragen: So wie hier im bayerischen Ammersee wird es bald auch in Österreich sein.

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Ein Blick auf die Corona-Fallzahlen in Österreich lässt in diesen Tagen leisen Optimismus aufkommen: Die Sieben-Tage-Inzidenz ist in den vergangenen Wochen im Osten des Bundesgebiets stark, in den meisten anderen Bundesländern leicht zurückgegangen – mit Ausnahme von Vorarlberg, wo die Gastronomie bereits geöffnet ist. In Vorarlberg lag die Inzidenz am Montag am höchsten – bei 154, im Burgenland am niedrigsten bei 47.

Bundesweit wurde damit, eine Woche vor der geplanten bundesweiten Öffnung am 19. Mai, erstmals seit sieben Monaten der Einhunderter unterboten. Konkret sank die Sieben-Tage-Inzidenz im ganzen Land auf 97,7. Erstmals seit Mitte Oktober wurden zudem von Sonntag auf Montag binnen 24 Stunden weniger als 1.000 Neuinfektionen verzeichnet, konkret 820. Eine Verbesserung, wenn auch auf einem weiter hohen Niveau, gab es außerdem auf den Intensivstationen. Erstmals seit sieben Wochen mussten am Montag österreichweit weniger als 400 Patientinnen und Patienten intensiv versorgt werden.

Fallzahlen sanken rascher als erwartet

Woran liegt das? Tatsächlich sind die Fallzahlen sogar etwas rascher gesunken, als es die Corona-Kommission prognostiziert hatte. Bis Mittwoch dieser Woche ging sie österreichweit von rund 1.500 neuen Fällen pro Tag aus. Wie ist nach langen Monaten des Reitens von einer zur nächsten Infektionswelle zu erklären, dass die Lage sich nun tatsächlich zu verbessern scheint?

Es habe mit mehreren Faktoren zu tun, sagt dazu der Simulationsforscher der Technischen Universität Wien, Nikolas Popper: "der fortschreitenden Impfaktion, den Screeningprogrammen, also dem Testen und Isolieren, sowie der Saisonalität des Coronavirus".

Stichwort Impfen: Mitte Mai, also in wenigen Tagen, werde die zunehmende Zahl ein- oder gar schon zweimal immunisierter Personen in Österreich mit einem Infektionsminus von fünf Prozent zu Buche schlagen, prognostiziert der Experte. Mitte Juni würden es, angekündigter Impffortschritt vorausgesetzt, bereits minus 20 Prozent sein. Schon mit Mai jedoch würden Impfung und durchgemachte Erkrankungen zusammengenommen die Dynamik um rund 30 Prozent verringern, so das Modell. Schon jetzt sind die Hospitalisierungszahlen bei den über 75-Jährigen massiv zurückgegangen.

Vor allem Jüngere betroffen

Dieser Positivtrend hat jedoch eine Kehrseite: Auf den Intensivstationen liegen jetzt überwiegend jüngere Menschen, die die lebensrettende, aber schwer belastende Behandlung vielfach über mehrere Wochen hinweg über sich ergehen lassen müssen.

Auch in der Fallstatistik ändert sich mit dem Impffortschritt der Stellenwert jüngerer Altersgruppen – sowie anderer nichtgeimpfter Menschen. Bei ihnen konzentrieren sich dann die Infektionen. "Auch bei niedriger Gesamtinzidenz kann die Inzidenz zum Beispiel bei Kindern, für die es noch keine Vakzine gibt, oder ihren Eltern ansteigen." Deshalb sollte man hier genau hinschauen.

Bereits jetzt weisen die jungen Altersgruppen die höchsten Inzidenzen auf: In der Kalenderwoche 17 lag die Sieben-Tage-Inzidenz bei den Sechs- bis 14-Jährigen bei 223, bei den 15- bis 24-Jährigen bei 210. Daher, so Popper, werde es auch im Sommer wichtig bleiben, die Hygieneregeln zu beachten. Und es brauche – Stichwort Screening – eine hohe Testbereitschaft. "Auch wenn es aktuell sehr positiv läuft – wir können auch im Sommer nicht so tun, als gäbe es die Pandemie nicht mehr."

Vielmehr müsse das Virus weiterhin unter engmaschiger Beobachtung bleiben: "Steigen die Inzidenzen wieder stärker, sagen wir um zehn pro Tag, müssen wir Halt schreien." Um etwaigen Mutationen rechtzeitig auf die Spur zu kommen, die bei Immunisierten neuerliche Erkrankungen verursachen würden, fordern Popper und andere Experten, die Daten über Geimpfte mit jenen Infizierter zu vernetzen. Bis dato geschieht das in Österreich nicht.

Entspannung durch Saisonalität?

Bleibt ein dritter Entspannungsfaktor, der in der Praxis einen merkbaren Einfluss haben könnte: die Saisonalität.

Was genau den Unterschied mache – "mehr Licht, höhere Temperaturen, dass die Menschen wieder mehr draußen sind" –, könne man bis dato nicht bestimmen: "Aber wir merken, dass die Saisonalität in Europa wirkt", sagt Popper.

So analysierten beispielsweise Forscherinnen und Forscher der John Hopkins University in Baltimore Daten aus 50 nichttropischen Staaten der Nordhalbkugel: Statistisch betrachtet nahm die Übertragbarkeit des Virus bei steigenden Temperaturen in der Anfangsphase der ersten Pandemiewelle 2020 ab. Ein kausaler Zusammenhang konnte jedoch nicht belegt werden.

Auch die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) kam nach einer Metaanalyse mehrerer einschlägiger Studien zu dem Schluss: Saisonale Effekte auf die Übertragbarkeit des Virus seien nicht unwahrscheinlich. Sie lassen sich aber schwer nachweisen. So wurde die Übertragungsdynamik im Jahr 2020 hauptsächlich durch Regierungsmaßnahmen gesteuert. Die WMO rät Regierungen deshalb, das Wetter nicht zum Anlass zu nehmen, Maßnahmen zu lockern. (Irene Brickner, Eja Kapeller, 10.5.2021)