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5G-Gegner bei einer Demonstration, allerdings nicht in Indien, sondern in Los Angeles.

Foto: AP/Damian Dovarganes

Die Corona-Pandemie ist seit ihrem Beginn ein beliebtes Thema für Verschwörungserzählungen aller Art. Zu den ausgefalleneren Mythen zählen dabei jene, die mit Behauptungen über 5G-Mobilfunk kombiniert werden. Etwa dass sich Sars-CoV-2 über den neuen Mobilfunkstandard verbreiten lasse oder 5G die Covid-19-Erkrankung auslöse. In mehreren Ländern wurden in diesem Zusammenhang auch Fälle von Vandalismus an Mobilfunkmasten dokumentiert.

In Indien dürften diese Mythen gerade auf fruchtbaren Boden stoße. Laut India Today verbreitete sich etwa eine Sprachnachricht rasant, in der angebliche 5G-Tests für den Anstieg an Coronavirus-Infektionen verantwortlich gemacht wurden. Das Telekommunikationsministerium verfasste dazu nun eine öffentliche Klarstellung.

Kein Zusammenhang zwischen Covid-19 und 5G

Zahlreiche "irreführende Meldungen" zirkulieren demnach aktuell auf sozialen Medien und stellen einen Zusammenhang zwischen der zweiten Corona-Infektionswelle und 5G-Mobilfunk her. Dass sei aber schlichtweg falsch, es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Pandemie und dem neuen Funkstandard. Funktürme emittieren nicht ionisierende elektromagnetische Strahlung mit einer Leistung, die viel zu gering ist, um Schaden an menschlichen Zellen zu verursachen, erklärt man weiter. Das entspricht auch dem Stand der Forschung nach über drei Jahrzehnten Mobiltelefonie.

Was aber noch stärker ins Gewicht fällt: In Indien gibt es bislang noch gar kein 5G-Netz. Erst Anfang Mai wurden überhaupt die Zulassungen für erste Testläufe erteilt. Bis diese beginnen, dürften noch einige Monate vergehen.

Die Warnung vor solchen 5G-Fake-News in Indien erscheint gerechtfertigt. In vielen Bevölkerungsgruppen mangelt es an Medienkompetenz, immer wieder gibt es Berichte über teils fatale, reale Folgen von Falschinformationen. Infolge von Whatsapp-Kettenbriefen, in denen etwa behauptet wurde, dass Gastarbeiter Kinder entführen oder missbrauchen würden, kam es schon vielfach zu tätlichen Angriffen und sogar Lynchmorden.

Mitten in der zweiten Welle

Erschwerend kommt hinzu, dass die größte Demokratie und das zweitbevölkerungsreichste Land der Welt mit seinen 1,4 Milliarden Einwohnern derzeit schwer mit einer zweiten Corona-Infektionswelle zu kämpfen hat. Mit aktuell etwa 23 Millionen Fällen und teils über 400.000 Neuinfektionen täglich – bei einer potenziell sehr hohen Dunkelziffer – sorgen sich Epidemiologen auch wegen des Mutationsrisikos.

Die sogenannte indische Variante von Sars-CoV-2, B.1.617, wurde von der Weltgesundheitsorganisation WHO zuletzt als "besorgniserregend" eingestuft. Sie steht im Verdacht, stärker infektiös zu sein und die Immunabwehr auch nach einer Impfung aushebeln zu können.

Scharfe Kritik an neuen Richtlinien

Es sind allerdings nicht nur Corona-Fake-News, gegen die die Regierung unter dem nationalistischen Premier Narendra Modi zu Felde zieht. Im Februar erließ sie neue Richtlinien, die zur Bekämpfung von Desinformation und Kriminalität dienen sollten. Damit wurden neue Verpflichtungen für soziale Netzwerke und gleichzeitig weitreichende Eingriffsmöglichkeiten für die Regierung selbst geschaffen.

Das neue Regelwerk sorgte umgehend für scharfe Kritik von Datenschützern und Bürgerrechtlern. Indiens Internet Freedom Foundation (IFF) sah sich durch die "Information Technology Rules 2021" gar an Zensur im Stile Chinas erinnert. Soziale Netzwerke sollen etwa automatische Filter oder "andere Maßnahmen" setzen, um Bildmaterial zu identifizieren, das Kindesmissbrauch zeigt. Zudem sollen Vorkehrungen getroffen werden, um den Absender einer Nachricht stets identifizieren zu können.

Die Umsetzung dieser Auflage setzt faktisch eine Aushebelung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung voraus, die ein Grundpfeiler für sichere digitale Kommunikation ist. Ein Thema, das nicht nur in Indien heißdiskutiert wird, denn auch auf europäischer Ebene könnten Richtlinien eingeführt werden, die Messenger-Anbieter zum Einbau von Hintertüren verpflichten.

Immer wieder Regierungskritiker betroffen

Dass es nur um Verbrechen und Fake-News geht, wird von Kritikern jedenfalls angezweifelt. Schon zuvor hatte die indische Regierung den Zugang zu verschiedenen sozialen Netzwerken teilweise unterbinden lassen. Begründet worden war dies damit, dass diese von Bauern dazu genutzt worden waren, um Großdemonstrationen gegen neue Landwirtschaftsgesetze zu organisieren.

Im Februar kam es außerdem auch zu vorübergehenden und permanenten Sperrungen zahlreicher Konten auf Druck der Regierung aufgrund von "Desinformation". Dabei soll jedoch eine Reihe von Konten oppositioneller Politiker getroffen worden sein, die etwa den Umgang von Modi mit den Bauernprotesten kritisiert hatten.

Die IFF ersuchte die Regierung um die Nennung aller betroffenen Konten sowie die rechtliche Begründung der Sperren, erhielt daraufhin aber nur die Auskunft, dass die entsprechenden Listen unter Geheimhaltung stünden. Im April löschte Facebook auf Verlangen der Regierung Postings, in denen der Rücktritt Modis aufgrund seines Pandemiemanagements gefordert wurde. (gpi, 11.5.2021)