Gerade Kunststoff landet noch sehr oft im Restmüll. Bei vielen Materialen ist Österreich beim Mülltrennen den EU-Zielen für 2030 bereits nahe.

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"Pecunia non olet", lautet ein lateinisches Sprichwort. Übersetzt bedeutet es: "Geld stinkt nicht." Nimmt man die alte Weisheit, die auf den römischen Kaiser Vespasian zurückgeht, wörtlich, stinkt auch der Verpackungsabfall, den die Menschen in Österreich Jahr für Jahr produzieren, nicht. Denn in den Mülltonnen liegen nicht nur Verpackungsmaterialen, sondern auch viel Geld, wie Alexander Biach, stellvertretender Direktor der Wiener Wirtschaftskammer (WKW), am Dienstag erklärte. Die Kammer hat sich die wirtschaftlichen Potenziale der Kreislaufwirtschaft angeschaut. Und die sind groß. Vor allem bei Plastikverpackungen.

Zur Kreislaufwirtschaft gehören Abfallwirtschaft wie Abwasserentsorgung, Rohstofferzeuger, Gebrauchtwarenhändler und viele Branchen mehr. In Wien allein verdienen rund 3.000 Unternehmen mit der Wiederverwertung von Materialien ihr Geld, rund 22.000 Jobs schafft die Kreislaufwirtschaft laut Zahlen der WKW. Wenn man indirekt beteiligte Branchen wie etwa wissenschaftliche Dienstleister, Gastronomie und Immobilienwirtschaft dazuzählt, leben in Wien rund 75.000 Beschäftigte von der Kreislaufwirtschaft. Die Bruttowertschöpfung beträgt laut Wiener Kammer rund 6,7 Milliarden Euro.

Chance auf Wachstum

Das ist viel, könnte aber deutlich mehr sein, hebt man bei der WKW hervor. Der Ausbau der Kreislaufwirtschaft sei eine doppelte Chance: Die Umwelt profitiere, und Unternehmen auch. Als Beispiel schwebt Biach eine vollautomatische Müllsortierungsanlage vor, die am besten mit dem Zug erreichbar wäre. Zwar gehe es um Investitionen von zig Millionen Euro, aber der Standort Wien würde profitieren, weil sich Unternehmen ansiedeln könnten, die die Materialien für eine Wiederverwertung aufbereiten.

"In der Europäischen Union werden etwa zehn Prozent des Bedarfs an Kunststoffs aus Sekundärkunststoffen gedeckt", rechnet der WKW-Mann vor. "Möglich wären 50 Prozent." Der Markt für Sekundärstoffe sei in Europa noch kaum entwickelt, wittert Biach eine Marktchance für Wien.

Überhaupt ist die Zirkularität mit 9,7 Prozent in Österreich vergleichsweise gering. Die Zirkularität ist aussagekräftiger als Sammel- und Recyclingquoten, weil sie den aus Kreislaufwirtschaft gedeckten Ressourcenverbrauch misst – also wie viele Primärressourcen geschont werden. Das Marktpotenzial für Kreislaufwirtschaft ist riesig.

Müllsortierung ist längst noch nicht überall vollautomatisch.
Foto: Altstoff Recycling Austria (ARA)

Sorgenkind Plastik

Harald Hauke, Chef der Altstoff-Recycling Austria (ARA), sieht in der Kreislaufwirtschaft nicht bloß Chancen, er hält sie auch für alternativlos: "Ohne Kreislaufwirtschaft wird es keinen Green Deal geben", sagt er mit Verweis auf die Klimaziele der Europäischen Union. Zahlen zur Kreislaufwirtschaft zeichnen ein uneinheitliches Bild, was das Recyclingziele in Österreich betrifft – besonders bei Verpackungsmaterialien.

Die Europäische Union gibt Sammelquoten für Verpackungsmaterialen vor, die 2030 erreicht werden sollen. Bis dahin sollen etwa 75 Prozent der Glasverpackungen recycelt werden – Österreich übertrifft das Ziel schon heute mit 84 Prozent. Auch bei Metallen und Papier liegt Österreich gut. Nicht aber bei Plastikverpackungen. Dort liegt die Sammelquote gerade einmal bei 25 Prozent, bis 2030 soll sie laut EU-Vorgabe aber auf 55 Prozent klettern. Eine Steigerung um 90.000 Tonnen, die dem Recycling zusätzlich zugeführt werden sollen.

Bequemlichkeit

Wie bringt man die Menschen in Österreich dazu, mehr Kunststoff zu recyceln? Zumindest bei Plastikflaschen setzt die Bundesregierung auf Pfand als Anreiz, Flaschen nicht in den Restmüll zu schmeißen. Die WKW lehnt die Maßnahme allerdings ab – und zwar mit dem Argument, dass Plastikflaschen ohnehin viel häufiger gesammelt würden als andere Kunststoffabfälle, das Plus durch ein Pfand würde laut Kammer nur einen kleinen Teil zu den notwendigen 90.000 Tonnen Kunststoff, die es zusätzlich zu recyceln gibt, beitragen. Zudem, so der immer wieder vorgetragene Einwand, belaste eine Pfandlösung die Wirtschaft.

ARA-Chef Hauke plädiert für eine andere Lösung. Einerseits brauche es Aufklärungsarbeit, dass Recycling wichtig ist. Aber Mülltrennen müsse den Menschen vor allem so bequem wie möglich gemacht werden, sagt er. Heißt einerseits: Kurze Distanzen zur nächsten Müllsammelstelle helfen.

Außerdem dürfe man den Menschen das Mülltrennen auch in der Privatwohnung nicht zu schwer machen. Nachdem 2019 in Wien die gelbe und die blaue Tonne zusammengelegt wurden – also seither Plastikverpackungen und Metallverpackungen in derselben Tonne gesammelt werden –, sei die Sammelmenge binnen eines Jahres um zehn Prozent gestiegen, sagte Hauke. Die Sammlung von PET-Getränkeflaschen nahm um 26 Prozent zu. (Aloysius Widmann, 11.5.2021)