Martin Kocher und Gernot Blümel sehen Licht am Arbeitsmarkt.

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Wien – Den großen Sprung erhofft sich die Regierung von der großflächigen Öffnung kommende Woche: Rund 150.000 Personen werden dann aus der Kurzarbeit in den Normalbetrieb wechseln oder aus der Arbeitslosigkeit in Jobs zurückkehren, sagte Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) am Dienstag bei einer Pressekonferenz. Die Kurzarbeit ist weiter gefragt, seit Anlaufen von Phase vier wurden 306.000 Personen angemeldet. Erfahrungsgemäß würden aber nur etwa 60 Prozent der Angemeldeten dann auch tatsächlich in Kurzarbeit gehen, so der Arbeitsminister.

Derzeit erholt sich der Arbeitsmarkt Woche für Woche leicht. Auch diese Woche waren 5.000 Menschen weniger arbeitslos gemeldet als in der Woche davor. Immer noch sind damit knapp 341.000 Menschen arbeitslos und 77.000 in Schulungen, betont Kocher und verweist auf Licht und Schatten am Arbeitsmarkt. Gemessen am Mai des Vorjahres sind immerhin 130.000 Menschen weniger ohne Job als vor einem Jahr nach den Öffnungen der Wirtschaft. Vom Vorkrisenniveau ist man allerdings noch weit entfernt. 50.000 mehr sind arbeitslos als 2019, also vor der Corona-Pandemie.

Die jüngste Einschätzung des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), dass die Arbeitslosenquote erst 2025 wieder auf das Vorkrisenniveau zurückkehren wird, teilt Kocher nicht. Hier seien die Effekte der ab Sommer anlaufenden Joboffensive "Sprungbrett", mit der die Regierung Langzeitarbeitslose zurück auf den Arbeitsmarkt bringen will, nicht eingerechnet, so Kocher. Ziel sei, die Arbeitslosigkeit bis 2023 unter das Vorkrisenniveau zu bringen.

Joboffensive

Die im Herbst vergangenen Jahres ins Leben gerufene Joboffensive (Corona-Arbeitsstiftung) ist laut dem Arbeitsminister ein Erfolg. 77.000 Menschen (55 Prozent davon Frauen) hätten über diese Einrichtung eine Bildungsmaßnahme erhalten – bei insgesamt rund 140.000 Schulungsteilnehmern. Die Schulungen liegen demnach heuer um rund 60 Prozent über dem Vorjahr. Das Ziel, im Rahmen der Joboffensive 100.000 Menschen bis Ende nächsten Jahres in den Bereichen Digitalisierung, Pflege, Nachhaltigkeit oder Metallberufe weiterzubilden oder umzuschulen, werde erreicht, sagt Kocher.

Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) zeigt sich in der Pressekonferenz optimistisch – auch dank Aufwinds in der Konjunktur. Die Lage würde sich sukzessive verbessern, sagte Blümel – und verwies auch auf den in Brüssel eingereichten österreichischen Wiederaufbauplan, für den es "viele positive Rückmeldungen" gegeben habe. Der Wiederaufbauplan werde das österreichische BIP um 1,21 Prozent steigern und über 25.000 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen, ist der Finanzminister zuversichtlich.

Debatte um Arbeitslosengeld

Zur Debatte um das Positionspapier des Wirtschaftsbundes (unter anderem mit der Forderung nach einem degressiven Arbeitslosengeld mit einer Absenkung auf unter 40 Prozent) wollte sich Arbeitsminister Kocher nicht inhaltlich äußern. Es sei "einer von vielen" Vorschlägen, die sich das Arbeitsministerium nach der Krise ansehen werde, um ein Gesamtkonzept zur Belebung des Arbeitsmarktes zu entwickeln, sagte er. Anders die Grüne Klubobfrau Sigrid Maurer, die der Wirtschaftskammer (WKÖ) im Ö1-"Morgenjournal" "ein altes, ein unsoziales Denken, das auf Ausbeutung von Mensch und Natur basiert", attestiert. Maurer bezieht sich dabei nicht nur auf den Arbeitsmarkt, sondern auch auf den Umstand, dass den STANDARD ein Papier aus der Wirtschaftskammer erreicht hat, in dem die Vorschläge von Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) zur CO2-Bepreisung als "ideologiegetriebene Bestrafungsphantasien" bezeichnet wurden.

Karlheinz Kopf (ÖVP), Generalsekretär in der Wirtschaftskammer, schießt scharf zurück. "Politik ist der Wettbewerb von Ideen unterschiedlicher Parteien und Interessengruppen. Der Ton von Klubobfrau Maurer überrascht, war es doch auch ihr Parteiobmann Kogler, der eine degressive Gestaltung des Arbeitslosengelds begrüßt hat", so Kopf. Angesichts hoher Arbeitslosigkeit bei einem gleichzeitigen Fachkräftemangel seien neue Ansätze in der Arbeitsmarktpolitik nötig. (rebu, 11.5.2021)