Das höchste Holzhochhaus, das Mjøstårnet, ist rund 85 Meter hoch und steht in Norwegen.

Foto: Voll Arkitekter AS / RicardoFoto

Holz ist aus der Menschheitsgeschichte kaum wegzudenken. Denn lange Zeit war es das einzige in großen Mengen vorhandene Material, aus dem Dächer, Treppen, Tische und vieles mehr hergestellt werden konnten. Mit dem Einzug von Stahl und Beton wurde das Material allerdings immer mehr aus dem Gebäudebau – und insbesondere hohen Gebäuden – verdrängt.

Nun wollen einige Architekten und Architektinnen Holz ein neues goldenes Zeitalter bescheren: Als zentraler Bestandteil neuer Hochhäuser soll damit weit höher gebaut werden als bisher in der Geschichte des Baustoffs. Mehrere knapp hundert Meter hohe Holzhochhäuser befinden sich weltweit bereits in Planung, darunter in Deutschland, Großbritannien, Schweden, Kanada und den USA. Indem die Hochhäuser mit Holz gebaut werden, sollen Energie und CO2-Emissionen gespart und gleichzeitig auf nachwachsende Rohstoffe gesetzt werden, so die Befürworter und Befürworterinnen.

CO2 speichern

Das Potenzial ist durchaus beachtlich: Der Gebäudesektor ist laut Studien für rund 40 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich. Gleichzeitig verschlingt die weltweite Betonproduktion gewaltige Mengen an Sand und Kies und die Stahlproduktion Unmengen an Eisen.

Holz verspricht für viele, die nachhaltigere Alternative zu Beton und Stahl zu sein, weil es nicht nur nachwächst, sondern auch CO2 speichert. Verbaut in Gebäuden soll der Baustoff CO2 noch viele Jahrzehnte länger speichern und dabei helfen, die globalen Emissionen zu reduzieren, so die Befürworter. Laut einer Studie könnten Holzhochhäuser rund 25 Prozent weniger Emissionen verursachen als vergleichbare Betonhäuser.

Höchstes Gebäude in Norwegen

Hütten und Häuser aus Holz zu bauen ist eine Sache – etwas anderes ist es, ganze Hochhäuser damit zu bauen, würden viele meinen. Immerhin kann das Material nicht denselben Belastungen standhalten wie Stahl oder Beton. Die Frage der Sicherheit und Stabilität solcher Gebäude ist einer der Gründe, weshalb die Baugesetzgebung in Österreich und anderen Ländern lange Zeit kaum mehr als dreigeschoßige Holzbauten zuließ.

Nun scheint die Entwicklung aber deutlich Fahrt aufzunehmen. Tatsächlich gibt es bereits jetzt einige Holzhochhäuser, die traditionellen Hochhäusern durchaus ebenbürtig sind. Das derzeit höchste, das Mjøstårnet, befindet sich im Norden Oslos in Norwegen und wurde 2019 fertiggestellt. Es ist rund 85 Meter hoch und hat 18 Stockwerke, in denen sich Büros, Hotelzimmer und Wohnungen befinden.

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Seither werden auch in Kanada, den USA, Deutschland und Österreich Holzhochhäuser geplant und gebaut. In Chicago stellten Architekten und Architektinnen beispielsweise ein Konzept für den 80-stöckigen River Beech Tower vor, der mehr als 200 Meter hoch wäre. In Berlin wird aktuell an einem 80 Meter hohen Holzhochhaus, genannt WoHo, gebaut, das lediglich für das Fundament und einzelne Elemente wie den Lift und die Stiegen Beton nutzt und nach Fertigstellung günstigen Wohnraum zur Verfügung stellen soll. Und in der Seestadt Aspern in Wien wurde 2019 das rund 80 Meter hohe Holzhochhaus HoHo fertiggestellt, das zu 75 Prozent aus Holz gebaut wurde.

Spezielle Konstruktion

Entscheidend für den Bau so hoher Holzgebäude ist laut Experten und Expertinnen eine spezielle Konstruktionstechnologie, die auf Brettsperrholz setzt: Dabei werden die Holzplatten jeweils flach im 90-Grad-Winkel verleimt und anschließend unter hohem Druck verbunden. Diese Konstruktionen sollen stabiler als gewöhnliche Holzbauten, schneller herzustellen und auch – wohl im ersten Moment etwas überraschend – sicherer sein, wenn es etwa zu Bränden oder Erdbeben kommt, argumentieren Befürworter und Befürworterinnen.

Auch beim HoHo in Wien wurde größtenteils auf Holz gesetzt.
Foto: KiTO / Michael Baumgartner

Neu ist die Bauweise nicht: Schon seit mehr als zwei Jahrzehnten kommt sie in Österreich und anderen Ländern bei Einfamilienhäusern und Wohngebäuden zum Einsatz. Ein Grund für das nun steigende Interesse ist laut Experten, dass die Technologie in den vergangenen Jahren immer günstiger geworden ist. Einzelne Gebäudeteile sollen sich leicht und in größeren Mengen in einzelnen Betrieben vorfertigen lassen. Laut Studien sollen die Holzhochhäuser derzeit in etwa gleich viel oder nur um wenig mehr kosten als vergleichbare Beton- und Stahlhäuser.

"Das Material ist generell anfälliger gegenüber Feuchtigkeit als beispielsweise Stahlbeton", sagt Gerhard Schickhofer, Leiter des Instituts für Holzbau und Holztechnologie der TU Graz und etablierter Forscher im Bereich Brettsperrholz, zum STANDARD. Mit der richtigen Planung könne aber sowohl mit diesem Problem als auch mit der Brandgefahr gut umgegangen werden. Es liege auch an den angehenden Architekten und Ingenieuren, sich mit dem Material auseinanderzusetzen, so Schickhofer. Rund 68 Betriebe stellen weltweit bereits das Brettsperrholz her, weitere 24 sind in Planung.

Auch Kritik

Allerdings regt sich an den Holzhochhäusern auch Kritik. Einige Experten und Expertinnen und insbesondere auch Vertreter der Betonindustrie argumentieren, dass es noch mehr Studien und Tests brauche, um die Feuerbeständigkeit der Gebäude zu untersuchen. Befürworter des Holzbaus entgegnen, dass die dichte Holzkonstruktion eine hohe Feuerresistenz habe und im Vergleich zu Stahl Feuer bei Holz auf eine vorhersehbarere Art reagieren würde.

Aber auch die ökologischen Argumente der Holzhochhäuser werden kritisiert. Zwar speichere Holz CO2, die positiven Effekte auf das Klima könnten aber wieder zunichte gemacht werden, wenn Betriebe Holz nicht nachhaltig schlägern und so weltweit zu mehr Abholzung beitragen. Einige befürchten, dass der steigende Bedarf an Holz in der Baubranche dazu führen könnte, dass vor allem Monokulturen an Wald gepflanzt werden, die zum Aussterben vieler weiterer Tierarten beitragen könnten.

Regulatorische Hürden

Zwar sollen schon jetzt Gütesiegel wie der des Forest Stewardship Council (FSC) eine nachhaltige Forstwirtschaft garantieren. Allerdings kritisieren einige Organisationen, dass die FSC-Zertifizierung in der Vergangenheit auch an Unternehmen ging, die mit Monokulturen und ökologischen Problemen in Verbindung standen. Nicht zuletzt hängt eine CO2-Einsparung der Holzgebäude auch davon ab, wie lange das Gebäude genutzt wird und was mit dem Material am Ende passiert: Denn wenn sich das Holz in der Erde eines Tages zersetzt oder verbrannt wird, wird auch das CO2 wieder freigesetzt.

Auch einige regulatorische Hürden müsste die Holzbranche wohl noch überwinden, um Holz bei höheren Gebäuden tatsächlich großflächig etablieren zu können. Denn in vielen Ländern sind Holzgebäude gesetzlich nach wie vor auf einige Stockwerke begrenzt. Lediglich Länder wie Norwegen sind bei der Höhenbegrenzung offener.

"Halte nichts von Höhenwettbewerben"

Architekten und Architektinnen planen schon jetzt höher – wohl auch, um mehr Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken. In Japan gibt es bereits einen Vorschlag zur Errichtung eines 350 Meter hohen Hochhauses, das hauptsächlich aus Holz und ein wenig Stahl bestehen soll.

"Von diesen Höhenwettbewerben halte ich nichts", sagt Schickhofer. Technisch seien künftig zwar große Höhen möglich, diese seien für ihn aber nicht Sinn der Sache. "Es gibt viele Möglichkeiten, Holz auch vermehrt für Schulen oder Kindergärten einzusetzen, nicht nur in der Stadt, sondern auch auf dem Land. Wir müssen nicht immer weiter in die Höhe bauen." (Jakob Pallinger, 15.5.2021)