Helmut Brandstätter, für die Neos auch im Ibiza-Untersuchungsausschuss.

Foto: APA / Helmut Fohringer

Die Auseinandersetzung zwischen Helmut Brandstätter (Neos) und Sebastian Kurz (ÖVP) geht in eine neue Runde. Die Plattform exxpress.at von Eva Schütz und Richard Schmitt berichtete am Montag über Beratungstätigkeit von Brandstätters Frau und ORF-Moderatorin Patricia Pawlicki. Brandstätter sieht das als "feigen" Angriff der ÖVP gegen ihn; schon 2017 habe ÖVP-Chef Kurz ihm im persönlichen Gespräch mit Informationen über seine Frau gedroht, sagt Brandstätter. Und er drehte dazu Dienstag ein Video vor dem Kanzleramt, adressiert an Kurz.

Böhmermann und "Politico"

Neos-Abgeordneter Brandstätter sieht sich auf Druck von Kurz als Chefredakteur des "Kurier" 2018 abgelöst, 2019 auch als Herausgeber. Er kritisiert Kurz' Umgang mit den Medien, auch an seinem Beispiel, scharf, zuletzt am Freitagabend bei Jan Böhmermanns Kurz-Special und am Dienstag auf "Politico" eine Story über "Sebastian Kurz' media war". Montag ging auf Richard Schmitts Plattform exxpress.at eine Story über die Beratungstätigkeit von Brandstätters Frau und ORF-Moderatorin Patricia Pawlicki online.

Hanger vs. Brandstätter

Andreas Hanger, ÖVP-Fraktionsführer im Ibiza-Untersuchungsausschuss, nahm die zunächst vom exxpress.at publizierten Vorwürfe in einer Aussendung am Dienstagvormittag auf: Brandstätter müsse "die schwerwiegenden Vorwürfe gegen sich restlos aufklären". Hanger sieht die Frage aufgeworfen, "ob ein heimisches Unternehmen mittels Zahlungen an die Firma von Brandstätters Ehefrau dessen journalistische Berichterstattung beeinflussen konnte". Brandstätter inszeniere sich "pausenlos als Saubermann, Aufdecker und Hüter von Moral und Rechtsstaat" und gerate nun "in akute Erklärungsnot". Brandstätter werfe "verzweifelt mit Nebelgranaten um sich, indem er das politische Gegenüber für die Vorwürfe gegen sich verantwortlich macht", ließ Hanger verlauten.

Im "Kurier" erschienen 2014/2015 ein Bericht über eine "Kurier"-Diskussion mit dem damaligen OMV-Chef Gerhard Roiss, die Brandstätter moderierte. 2015 schrieb Brandstätter Kommentare und Leitartikel gegen die Demontage von und Vorwürfe gegen Roiss im "Kurier". Brandstätter schrieb etwa: "Roiss weigerte sich, die hoch profitable OMV-Tochter Borealis an die Abu-Dhabi-Gesellschaft IPIC zu verkaufen." *

Brandstätter weist die Vorwürfe als unwahr zurück; die Entwicklung unter OMV-Chef Rainer Seele, der seinen Vertrag nun nicht verlängert und die Kritik am OMV-Borealis-Deal bestätigten seinen Befund von 2014/2015 im "Kurier".

. "Das ist eine Angelegenheit zwischen Kurz und mir", betont Brandstätter am Dienstag im Gespräch mit dem STANDARD. Wenn ihm die ÖVP den Krieg erkläre oder mit Zerstörung drohe (Brandstätter hat das nach eigenem Bekunden im Ibiza-Untersuchungsausschuss von Kurz-Beraterin Gabriele Spiegelfeld gehört), dann solle man mit ihm Krieg führen, aber nicht mit seiner oder über seine Frau.

"Kurier" prüft, "ob es erweiterter Regeln bedarf"

DER STANDARD bat Martina Salomon, die Brandstätter im Herbst 2018 als Chefredakteurin ablöste, um Auskunft, was da untersucht werde. Salomon erklärt dazu:

"Der 'Kurier' ging und geht davon aus, dass seine Redakteure unbeeinflusst und nach höchsten ethischen Standards handeln. Wir sind stolz auf unser starkes Redakteursstatut, um das uns andere Medien beneiden. Es sichert die politische Unabhängigkeit der Redakteure. Wir debattieren anlässlich des Falls nun redaktionsintern, ob es erweiterter, transparenter Regeln bedarf, um auch nur den Anschein wirtschaftlicher Befangenheit zu vermeiden."

Die Nachfrage, ob es aus Salomons Sicht einen Anschein wirtschaftlicher Befangenheit gebe in der Sache, ließ sie zunächst unbeantwortet. Ebenso die Frage, ob man die Berichterstattung und mögliche Zusammenhänge mit der Beratungstätigkeit von Pawlickis Firma untersuche. In einer späteren Stellungnahme erklärte sie: "Wir schauen uns das sehr genau an,", sie wolle dazu aber nicht ins Detail gehen (Stellungnahme nach Publikation ergänzt).

Martina Salomon leitete von November 2012 bis 2018 neben ihrer Funktion als stellvertretende Chefredakteurin des "Kurier" auch das Wirtschaftsressort, das gemeinhin auch für die Berichterstattung über den großen Konzern OMV zuständig ist, dessen Staatsanteile inzwischen bei der von Thomas Schmid geführten Öbag liegen.

ORF-Moderatorin Patricia Pawlicki ist mit Wissen und Genehmigung des ORF seit 2010 an der Business Zeus Media Agentur für Strategie Coaching und Moderation GmbH mit 51 Prozent beteiligt, die anderen 49 Prozent hält Johann Vlasich. Pawlicki ist auch Geschäftsführerin seit 2010.

Dieses Unternehmen habe von 2011 bis 2015 für die OMV gearbeitet und von ihr dafür insgesamt 386.000 Euro erhalten, berichtet Richard Schmitts exxpress.at. Der "Kurier" untersuche nun intern die Berichterstattung über die OMV – Brandstätter war ja Herausgeber und Chefredakteur.

"Rein gar nichts mit beruflicher Tätigkeit meines Mannes zu tun"

Patricia Pawlicki betont auf Anfrage des STANDARD:

"Ich bin eine beruflich und wirtschaftlich unabhängige Frau und will auch als solche akzeptiert werden. Mein berufliches Leben und meine Karriere hatten und haben rein gar nichts mit der beruflichen Tätigkeit meines Mannes zu tun. Ich halte es für sehr wichtig, dass Frauen im 21. Jahrhundert für ihr Können und ihre beruflichen Leistungen anerkannt und akzeptiert werden und nicht mit dem Ehemann, aus welchen Gründen auch immer, in einen Topf geworfen werden."

Für die Beteiligung an der Agentur Business Zeus habe sie "selbstverständlich eine Genehmigung beim ORF eingeholt": "Diese Agentur, die – ausschließlich und nur mit Zustimmung meines Arbeitgebers – auch Beratungsaufträge entgegennimmt, existiert seit 2010. Meine Tätigkeit ist somit aus arbeitsrechtlicher Sicht zulässig. Wenn ich selbst im Zuge der GesmbH eine Beratungsleistung durchführe, dann gebe ich diese im Vorfeld beim ORF als nebenberufliche Tätigkeit an und führe sie nur nach Genehmigung auch aus."

Der Inhalt "allfälliger Beratungsverträge" sei als Geschäftsgeheimnis datenschutzrechtlich geschützt: "Dieser Schutz umfasst auch das Verbot der Offenlegung des allfälligen Inhalts der Beratungsverträge, weil das Thema meiner genehmigten Nebenbeschäftigung evidenterweise kein überwiegendes öffentliches Informationsinteresse begründet."

Pawlicki hat Medienanwalt Peter Zöchbauer, er arbeitet etwa auch für die Fellner-Mediengruppe und Novomatic, mit ihrer anwaltlichen Vertretung in der Sache beauftragt.

ORF: Beteiligung und Tätigkeit genehmigt

Der ORF bestätigte auf Anfrage, dass Pawlickis Nebentätigkeit mit der eigenen GesmbH vom ORF genehmigt ist:

"Frau Pawlicki war im betreffenden Zeitraum zu 50 Prozent im ORF beschäftigt. Bei Beschäftigungsverhältnissen in diesem geringen Ausmaß sind die Vorgaben für das Ausmaß von Nebenbeschäftigungen weniger streng als bei Vollzeitangestellten. Das ist auch arbeitsrechtlich geboten. Eine Genehmigung für die Beteiligung am Unternehmen, das Aufträge der OMV erhalten hat, wurde erteilt. Die Höhe der Umsätze beziehungsweise Einkünfte, die mit einer Nebenbeschäftigung erzielt werden, sind dem ORF generell nicht bekannt und könnten selbst, wenn sie das wären, aus Datenschutzgründen weder bekanntgegeben noch bestätigt werden.

Aus Compliance-Sicht ist zu sagen, dass bei jeder Genehmigung einer Nebenbeschäftigung festgehalten wird, dass Interessenkonflikte auszuschließen sind, in dem Sinne, dass im Fall von journalistischen Mitarbeiter/inne/n jegliche Berichterstattung über das auftraggebende Unternehmen ausgeschlossen ist. Im konkreten Fall, im Zuge der Tätigkeit für das Parlaments-Magazin "Hohes Haus", war das selbstverständlich zu jedem Zeitpunkt gewährleistet."

Kanzleramt zu Brandstätter

Im Kanzleramt hieß es zuletzt auf Anfrage zu Aussagen Brandstätters vor der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft über Druck von Kanzler Kurz für seine Ablöse und weitere Aussagen und angebliche Drohungen: Man sehe bei Brandstätter einen "tiefen Hass gegenüber Sebastian Kurz". Er führe nach dem Wechsel vom "Kurier" zu den Neos "nun den gleichen Kampf mit neuem Hut fort". Weiter hieß es aus dem Kanzleramt dazu: "Dass er immer wieder unwahre Behauptungen und Gerüchte in die Welt setzt, um den Bundeskanzler zu diskreditieren, wie Falschaussage im U-Ausschuss oder Aussagen, Sebastian Kurz wäre bei Frau Spiegelfeld auf Mallorca zu Gast gewesen, zeigen seine Aversion gegen Sebastian Kurz." Brandstätter hat mit Medien befasste Mitarbeiter des Kanzleramts danach schriftlich aufgefordert, solche unwahren Behauptungen zu unterlassen und zu widerrufen. (fid, 11.5.2021)