Grün ist nicht nur die Hoffnung, sondern auch ein recht beliebtes kriminalisiertes Rauschmittel. Für sechs junge Männer endete die Marihuanabeschaffung nun mit Vorstrafen.

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Wien – Erstangeklagter B. hat einen grundsätzlich sehr gesetzestreuen Ansatz. "Ich wollte mein Geld nicht für Drogen ausgeben", erklärt er Daniela Zwangsleitner, der Vorsitzenden des Schöffengerichts. Blöderweise kam der 16-Jährige auf andere Weise zu zwölf Gramm Marihuana – er hielt einem Verkäufer seine Gaspistole ins Gesicht. Weshalb er und fünf seiner Freunde im Alter von 16 bis 19 sich nun wegen Raubes verantworten müssen.

Das Verhalten ist für den Teenager ungewöhnlich: Er ist unbescholten, Klassensprecher und hatte im Semesterzeugnis nur "Sehr gut", wie seine Verteidigerin betont. Am 20. März traf er sich in Wien-Mitte mit Freunden. Via Snapchat kontaktierte er einen Rauschmittellieferanten, vereinbart wurde ein Treffen auf dem Karlsplatz. Davor fuhr die Gruppe allerdings noch in den 19. Gemeindebezirk – B. wollte seine Gaspistole von einem weiteren Freund abholen.

Tatwaffe bei Freund deponiert

"Woher haben Sie die? Und wieso war die bei Ihrem Freund?", will die Vorsitzende wissen. "Ich hab sie auf Snapchat gekauft", verdeutlicht der Erstangeklagte die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten des Dienstes mit sich automatisch löschenden Nachrichten. Seine Antwort auf die zweite Frage überrascht: "Damit ich sie nicht nach Hause schleppen muss." – "War die so schwer?", sorgt sich Zwangsleitner. "Ich glaube eher, dass Sie nicht wollten, dass Ihre Eltern die Waffe daheim sehen", mutmaßt sie und erntet zerknirschte Zustimmung vom Angeklagten.

Am Tattag beschlossen die ersten drei Angeklagten jedenfalls, dem Dealer gleich seinen ganzen Vorrat abzunehmen. Man traf sich am Karlsplatz und suchte einen Übergabeort. Der Zweitangeklagte, der als Einziger bereits zwei Vorstrafen aufweist, hatte einen Z-Schlüssel dabei und entdeckte eine Haustür, die sich mit diesem öffnen ließ. "Woher haben Sie den?", fragt die Vorsitzende. "Von einem Freund." – "Und wofür brauchen Sie den?" – "Wenn wir einen Joint rauchen wollen." – "Dann gehen Sie in einen fremden Hausflur?" – "Ja." – "Aus anderen Verfahren weiß ich, dass es die Schlüssel in jedem zweiten Park um fünf Euro zu kaufen gibt. Haben Sie Ihrem Freund etwas gezahlt?" – "Nein."

"Du gibst jetzt dein ganzes Gras her!"

Die Übergabe sollte im Müllraum des Gebäudes stattfinden, Erst- und Zweitangeklagter, die beide seit eineinhalb Monaten in Untersuchungshaft sind, gingen mit dem Opfer hinein. Statt Geldes zückte B. seine Waffe und hielt sie seinem 16 Jahre alten Geschäftspartner knapp vor das Gesicht. Begleitet von der Aufforderung: "Du gibst jetzt dein ganzes Gras her!" Der Begleiter des Grasmannes hörte etwas und kam auch in den Müllraum – ihm wurde seine Baseballkappe und seine Geldbörse weggenommen. "Warum die Geldbörse auch? Sie haben doch gesagt, dass Sie Geld dabei hatten?", interessiert den Staatsanwalt. "Weil ich schon in diesem Film drin war", begründet der Erstangeklagte. Die anderen vier Angeklagten warteten vor dem Raum beziehungsweise auf der Straße und sind als Beitragstäter angeklagt.

Bei der Verlesung der Akten fällt der Vorsitzenden noch etwas auf. Der Zweitangeklagte hat sich nämlich ziemlich geärgert, dass über ihn die Untersuchungshaft verhängt wurde. Seine Begründung bei der Entscheidung: Er habe ja jemanden ausgeraubt, der Drogen verkauft. Was illegal sei. Der Drogenverkauf, nicht der Raub.

Für die vier Beitragstäter endet das Verfahren glimpflich: Sie erhalten jeweils sechs Monate bedingte Haft, die nicht im Strafregisterauszug aufscheinen. Der unbescholtene B. fasst 18 Monate, zwölf davon bedingt, aus, der vorbestrafte Zweitangeklagte wird zu 21 Monaten Gefängnis verurteilt, sieben davon sind unbedingt. (Michael Möseneder, 11.5.2021)