Die Festspiele Reichenau fallen heuer ein weiteres Mal aus. Nach dem Rücktritt der Intendanz wird an einer Neuaufstellung für 2022 gearbeitet.

Foto: Imago

Die kurzfristige Absage der Festspiele Reichenau Ende vergangener Woche trifft die unter Vertrag stehenden Künstlerinnen und Künstler sowie das Betriebspersonal am allermeisten. Zwei Wochen vor Probenbeginn sieht sich das Ensemble per Massen-Mail überraschend vor die Tatsache eines arbeitsfreien Sommers gestellt, so Nicolaus Hagg. Und das, obwohl das Intendantenpaar Peter und Renate Loidolt noch Ende Jänner schriftlich bekundet habe, die diesjährige Ausgabe auch bei einem Einnahmenverlust von 40 bis 50 Prozent stemmen zu wollen.

Hagg ist den Festspielen als Autor und Schauspieler seit vielen Jahren verbunden. Nun sieht er den auf das Festival an der Rax oft angewendeten Begriff des "Schauspielertheaters" verraten. 38 von 41 Ensemblemitglieder werden die Verträge auf dem Rechtsweg einklagen, sagt er. Es sei sittenwidrig, die Festspiele abzusagen, während sie stattfinden könnten, findet Hagg: "Theater ist mehr als ein Wirtschaftsfaktor!" Würde er im Umkehrschluss als Schauspieler seine Mitwirkung zwei Wochen vorher aufkündigen, so zöge das eine hundertprozentige Pönale nach sich.

Freiwillig proben

Dabei sei das Ensemble sogar dazu bereit gewesen, im Rahmen der bestehenden Verträge zusätzliche Vorstellungen zu spielen, um insgesamt mehr Karten verkaufen zu können. Überdies hätte es, um die verkürzte Probenzeit auszugleichen, freiwillig und unversichert in Eigenregie geprobt. Kein geringes Entgegenkommen, aus dem wahrlich Leidenschaft spricht. Vonseiten der Leitung wusste man dies offenbar nicht zu schätzen. "Bitte kontaktieren Sie uns nicht", soll es in der an die Künstler gerichteten Mail geheißen haben. Für eine Stellungnahme war die Intendanz am Dienstag nicht erreichbar.

In einer nun nachträglich auf der Webseite der Festspiele veröffentlichten Erklärung empfiehlt das Intendantenpaar den Schauspielern, den Verdienstentgang beim Staat einzufordern und attestiert dem Ensemble zudem "Unkenntnis über die tatsächliche Nachfrage nach Karten". Demnach hätten auch mehr Spieltage die Einnahmenlage nicht gebessert.

Austragungsalternativen waren offenbar nie im Sinn der Festivalleitung. Das Interesse am wirtschaftlichen Gewinn scheint dasjenige an der künstlerischen Wertschöpfung zu übersteigen. Ein privates Unternehmen wie die Festspiele Reichenau, in dem letztlich alle Entscheidungen familiär und im Alleingang getroffen werden – ermöglicht durch die im Rechnungshofbericht massiv kritisierten Firmenkonstruktionen – gewährt hier kaum Einblick.

Wer übernimmt?

Wie geht es nun weiter? Die Sommerfrischeregion definiert sich von jeher über ihre Kulturstandorte, die Festspiele Reichenau sind vor Ort der größte treibende Motor. Nach der letztjährigen Absage scheint nun aber die diesjährige Spielzeit ein weiteres Mal verloren zu sein. Ein enormer Schaden auf vielen Ebenen. Die Solidarität für die Künstler ist groß, sagt Hagg. "Nachbarn" wie der Intendant des Kultursommers Semmering, Florian Krumpöck, hätten bereits die Tore geöffnet.

Um für 2022 eine dritte Absage zu verhindern, müssen nun rasch Entscheidungen getroffen werden. Wer kann das Zepter in die Hand nehmen? Hagg: "Ich hoffe nur, dass es transparent und anständig funktioniert." An einer Neuaufstellung wird bereits gearbeitet. (Margarete Affenzeller, 11.5.2021)