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Arabische Staaten reagieren auf die israelisch-palästinensische Eskalation. Im Bild: Raketen über der Hafenstadt Ashkelon.

Foto: Reuters / Nir Elias

Auf eines können jene arabischen Regierungen, denen die neue israelisch-palästinensische Konfrontation so gar nicht in ihre neue freundliche Israel-Politik passt, nicht hoffen: dass die übliche Geschäftigkeit rund um das Ramadan-Ende und das Fest des Fastenbrechens die Menschen die Ereignisse in Jerusalem vergessen lässt. Es ist der zweite Ramadan, der von der Corona-Pandemie überschattet wird, das heißt, die Leute sitzen vor den Fernsehern – oder hängen in Social Media, wo die Empörung über Israel angeheizt wird.

Zu Hause statt in der Moschee

Die öffentlichen Einschränkungen durch die Gesundheitskrise könnten den Behörden andererseits helfen, etwaige Mobilisierungsversuche unter Kontrolle zu halten. Auch heuer werden viele Menschen mehr zu Hause als in Moscheen oder bei größeren Versammlungen sein, in vielen Staaten sind nur die für die Grundversorgung nötigen Geschäfte offen.

So lauten zumindest die Empfehlungen in vielen islamisch geprägten Ländern. Die Infektionszahlen in der Region sind meist wieder etwas rückläufig, auch leicht im Iran und in der Türkei, wo die Situation in den vergangenen Wochen besonders schlecht war. Es gibt einzelne aktuelle Ausreißer, wie Bahrain, wo zuletzt die Zahlen stark gestiegen sind. Statistiken aus manchen Ländern, etwa jene aus Syrien, aber auch aus Ägypten, werden für eher nicht belastbar gehalten.

Brennpunkt Jerusalem

Die israelisch-palästinensische Eskalation taugt in der des Palästinenserkonflikts eigentlich müden Region – wie manche Menschen vor allem in den Golfstaaten betonen – vor allem deshalb zur Mobilisierung, weil er just zu einem islamischen Fest die Al-Aqsa-Moschee in Jerusalem betrifft. Die Verurteilungen aus manchen arabischen Staatskanzleien klangen dennoch zumindest zu Beginn des Konflikts eher wie Pflichtübungen. Die Vereinigten Arabischen Emirate forderten am Wochenende Israel auf, "Verantwortung für die Deeskalation zu übernehmen", Marokko drückte "tiefe Sorge" aus, König Mohammed VI. halte es "für wahrscheinlich, dass diese Verletzungen (gemeint sind die Delogierungen von Palästinensern in Ostjerusalem, Anm.) Spannungen anheizen" würden. In Marokko stellt die Muslimbrüderpartei PJD den Regierungschef. Der marokkanische König ist zudem Chef des Jerusalem-Komitees der Organisation der Islamischen Zusammenarbeit (OIC), das jedoch seit Jahren nicht mehr zusammengetreten ist.

Verhaltene Meldungen

Auch aus Bahrain und dem Sudan kamen eher verhaltene Wortmeldungen. Die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Sudan und Marokko sind jene vier Staaten, die im vergangenen Jahr im Rahmen der "Abraham-Verträge" ihre Beziehungen mit Israel normalisiert oder zumindest damit begonnen haben. Außer ihnen haben zwei arabische Länder länger zurückreichende Friedensverträge, Ägypten seit 1979, Jordanien seit 1994.

In Ägypten ist zwar die öffentliche Meinung Israel nicht freundlich gesinnt. Seit der jetzige Präsident und damalige Armeechef Abdelfattah al-Sisi den Muslimbrüderpräsidenten Mohammed Morsi 2013 stürzte, ist jedoch die Zusammenarbeit mit Israel vor allem im Sicherheitsbereich wieder sehr eng. Für die Hamas im Gazastreifen – ursprünglich der palästinensische Zweig der in Ägypten entstandenen Muslimbruderschaft – gibt es sowohl bei der Regierung in Kairo als auch bei jenen in den arabischen Golfstaaten keinerlei Sympathie.

Versöhnungsprozesse

Dennoch ist soeben ein überraschend energischer, wenngleich noch offener Versöhnungsprozess zwischen Staaten im Gange, die man als pro beziehungsweise kontra Muslimbrüder bezeichnen könnte: Sowohl der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu – die Türkei gilt quasi als Pate der Muslimbrüder – als auch der Emir des mit der Türkei eng befreundeten Katar, das damit unter den Golfstaaten einen Einzelweg ging, waren zu Wochenbeginn in Saudi-Arabien. Auch Kairo arbeitet sowohl mit Ankara als auch mit Doha an einer Normalisierung der Beziehungen.

Und die Türkei hat zuletzt auch versucht, ihre am Boden liegenden Beziehungen zu Israel zu verbessern. Die Vorfälle auf dem Tempelberg könnten einen Rückschlag bedeuten, da sich Ankara als Verteidiger des Islam und der Muslime weltweit geriert – was auch Saudi-Arabien stets ein Dorn im Auge war.

Die israelisch-jordanischen Beziehungen hingegen haben zuletzt einen Tiefpunkt erreicht. Jordanien verwaltet die islamischen Stätten auf dem Tempelberg. Der auch von internen Problemen geplagte König Abdullah II. kann es sich gar nicht leisten, Israel nicht zu verurteilen. Nicht zuletzt wegen Israels Jerusalem-Politik warf er den "Abraham Accords"-Ländern mangelnde Solidarität vor. Und er befürchtet, ein Israel-freundliches Saudi-Arabien unter einem zukünftigen König Mohammed bin Salman, derzeit Kronprinz, könnte Jordanien mithilfe Israels dessen Funktion in Jerusalem abluchsen. (Gudrun Harrer, 11.5.2021)