Noch fünf Tage. Dann öffnen sich die Tore der Schulen wieder für alle Schülerinnen und Schüler. Es wird eine andere Schule sein als vor der Corona-Pandemie, aber sie wird den Namen verdienen, denn Unterricht braucht Präsenz und Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden. Lernen braucht Nähe und Miteinander, nicht nur zurückgezogene Vereinzelung, auf die Schule zuletzt viel zu lang geschrumpft ist. Es war eine Implosion der kindlichen Lebenswelten, die das Coronavirus erzwungen hat. Die Kinder haben unglaublich viel ausgehalten, geleistet, ja, auch gelernt, wenngleich nicht unbedingt das, was in den Lehrplänen steht.

Die Tore der Schulen öffnen sich wieder für alle Schülerinnen und Schüler.
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Aber sie haben auch viel verloren von dem, was Kindsein ausmacht: Unbeschwertheit, vorsichtige Schritte in die Autonomie, nicht 24 Stunden unter den Augen der Eltern. Die Kollateralschäden werden sich erst noch zeigen, wenngleich viele Verheerungen, die der Verlust der Schule als Lern- und Lebensort für Kinder mit sich gebracht hat, schon jetzt sichtbar sind – auf den Wartelisten von Kinderpsychologinnen oder in den Kinder- und Jugendpsychiatriestationen der Spitäler. Kinder brauchen den Austausch, das Spiel, das Rangeln und Lachen mit anderen Kindern und Jugendlichen. Sie brauchen "Echtzeitkontakt", nicht nur digitale Ersatzformen. Gut, dass sie das bald zurückbekommen.

Ungutes Gefühl

Dennoch beschleicht viele ein ungutes Gefühl der Verärgerung beim Gedanken an die Rückkehr in die Schulen: Vielerorts wartet nämlich ein Problem hinter dem Lehrpult. Denn obwohl sie als Impfprivilegierte schon jetzt vor einem schweren Krankheitsverlauf oder gar tödlichen Ausgang einer Sars-CoV-2-Infektion geschützt sein könnten, gibt es enorme Impflücken in der Lehrerschaft. In Oberösterreich ist nur die Hälfte geimpft, in Kärnten, Tirol und Vorarlberg hat ein Drittel des pädagogischen Personals das Impfangebot ausgeschlagen. Dabei ist das Prinzip so simpel: Wer sich nicht impfen lässt und meint, hasardieren und sich selbst gefährden zu wollen, gefährdet auch andere, die sich nicht schützen können – weil es für sie, wie Kinder unter 16 in Europa, noch keinen zugelassenen Impfstoff gibt oder aber weil die Impfung bei ihnen aus gesundheitlichen Gründen nur beschränkt wirksam ist und sie daher auf den Schutz durch die "Herde", sprich die zu einem hohen Prozentsatz immunisierte Gesellschaft, angewiesen sind. Es gilt: Wo viel geimpft wird, sinkt das Ansteckungsrisiko insgesamt stark.

Impfen ist also immer auch ein Akt gesellschaftlicher Solidarität. Wer sich jetzt nicht impfen lässt, handelt unethisch und verantwortungslos – besonders auf Kosten der Kinder, die zurzeit gar keine Wahl haben, und jener Eltern, die nicht zu den Alters- oder Berufsprivilegierten mit Impfbonus gehören.

Am Impfen wird sich zeigen, ob wir als Gesellschaft in der Lage sind, die Risiken der Pandemie auch auf den letzten Metern solidarisch abzufedern und nicht zu den Jüngsten umzuschichten. Es wäre ein schlimmes Scheitern, wenn sich ausgerechnet in den Schulen zeigen würde, dass die pandemiebedingte Solidarität nur eine Einbahnstraße zu den Älteren war, die die Kinder bewundernswert verantwortungsbewusst mitgetragen haben. Jetzt brauchen sie den Schutz der Erwachsenen. Mit Zwang? Gute Pädagoginnen und Pädagogen würden sagen: Das ist meist nicht die beste Methode. Na dann: Wo sollte man mehr auf die Kraft der Vernunft hoffen als in der Schule? (Lisa Nimmervoll, 11.5.2021)