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Bei Fragen zu Maßnahmen gegen Gewalt durch Männer biegt Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) besonders an einem Punkt gern ab: Immer dann, wenn von einer Systematik, von einer patriarchalen Grundhaltung oder einer Kultur, die die Gewalt gegen Frauen bedingt, die Rede ist, landet sie schnell bei "den anderen".

Als in einem Ö1-Interview, wenige Tage nach dem neunten, zehnten und elften Frauenmord dieses Jahres, die Frage danach kam, wie man diese Gewaltmuster durchbrechen könne, ob die Politik diese bisher zu wenig angegangen sei, kratzte Susanne Raab sofort die Kurve zu migrantischen Milieus. Sie tat das mit Begriffen wie "Ehre" oder "patriarchal geprägte Herkunftsländer". Eine Woche später, und noch einen Tag vor dem breit angekündigten runden Tisch mit 18 Vertreter*innen von Frauenberatungsstellen und Gewaltschutzeinrichtungen, bat sie Expertinnen und Experten zum Austausch über "kulturell bedingte Gewalt". Es war sofort klar, dass sie damit nicht unser aller Kultur meint – so gut hat der Spin zur Kombination "Kultur" und "Gewalt gegen Frauen" schon funktioniert. Beim Gespräch am Dienstag zu dem Thema waren auch ausschließlich Expert*innen, die sich mit dem Islam und muslimischen Communitys auskennen. Eine patriarchale Kultur? Tja, die haben die anderen.

Nicht blind sein

"Wir dürfen nicht auf einem Auge blind sein", alle Aspekte müssten "breit beleuchtet werden", sagte Raab im Zuge dieses Treffens. Dass die Frauenministerin aber genau das tut, daran lassen ihre Antworten auf Fragen nach Ideologie, strukturellen Bedingungen, die Gewalt forcieren, und patriarchalen Mustern zweifeln. Genau da werden immer "die anderen" adressiert, genau da geht es bei ihr schnell und oft – wenn nicht sogar meistens – um Männer mit Migrationshintergrund.

Und wie dieser Begriff "Migrationshintergrund" schon zeigt, kommen damit auch Ungenauigkeiten und Pauschalvorstellungen in die Debatte. Ab wann ist die Herkunft des Täters relevant? Wenn er religiös-fundamentalistische Anzeichen zeigte? Wenn er seine Frau zwang, zu Hause zu bleiben, sie nicht arbeiten durfte? Das wäre ein frauenverachtender Hintergrund, womit die Tat auch zu einem Verbrechen mit einem Vorurteilsmotiv werden würde. Was ist aber mit dem frauenverachtenden Hintergrund des "Bierwirts", der tatverdächtig des Mordes an seiner Ex-Partnerin ist? Der schon davor ihre Familie bedroht hat, der laut ihren Eltern seiner Freundin gegenüber schon oft gewalttätig war und auch verdächtig wurde, wüste frauenverachtende Nachrichten an die Politikerin Sigrid Maurer versandt zu haben?

Ab wann ist es Kultur?

Der soziale oder religiöse Hintergrund, vor dem ein misogynes Mindset blüht, interessiert uns oft nur bei ersterem Beispiel: ob er türkischer Staatsbürger oder Afghane ist oder dass er, wenn er die österreichische Staatsbürgerschaft hat, doch "gebürtiger Serbe" ist. Der Rahmen, ob und welche "Kultur" ein Täter hat, ist also mehr als flexibel, womit sich ein solcher Kulturbegriff für Instrumentalisierung anbietet, für Ablenkung, wo wir womöglich alle ein gemeinsames großes Problem haben.

Der Hintergrund, vor dem Gewalt gegen Frauen passiert, hat unterschiedliche Ausformungen, keine Frage. Dort meinen Männer, dass mittelalterliche Vorstellungen von "Ehre" Gewalt rechtfertigen, andere wiederum sehen in einem Seitensprung noch immer ernsthaft einen Grund, ganze Familien auszulöschen. Genauso lesen wir es ständig in österreichischen Medien. Wieder andere haben ein Besitzdenken gegenüber Frauen verinnerlicht, dass "die Frau" ihnen gehört – und wenn sie sie verlässt, habe sie keine Lebensberechtigung mehr.

Ja, wir müssen gegen die unterschiedlichen Legitimationen für Gewalt gegen Frauen unterschiedlich und gezielt vorgehen. Wer aber bei einer frauenverachtenden Kultur Österreich ausnimmt, sieht nicht annähernd das ganze Bild und das gesamte Ausmaß des Problems. (Beate Hausbichler, 12.5.2021)