Als Chefin der der rumänischen Antikorruptionsataatsanwaltschaft hat Laura Kövesi mehrere führende Vertreter der regierenden Sozialdemokraten ins Gefängnis gebracht.

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Luxemburg – Die oberste EU-Korruptionsjägerin Laura Kövesi hat dem künftigen EU-Ratsvorsitzland Slowenien vorgeworfen, ihre Arbeit zu behindern. "Slowenien kann die EU-Staatsanwaltschaft nicht aufhalten, aber das Fehlen aufrichtiger Zusammenarbeit macht es uns schwerer, wirksam das zu tun, wofür wir geschaffen wurden: den Schutz des EU-Budgets zu verbessern und die Rechtsstaatlichkeit zu wahren", sagte die Chefin der EU-Staatsanwaltschaft der slowenischen Zeitung "Delo".

Die neue EU-Justizbehörde soll am 1. Juni ihre Arbeit aufnehmen, doch ist sie bei ihrer Tätigkeit zentral auf Unterstützung aus den Mitgliedsstaaten angewiesen. Konkret geht es um "delegierte Staatsanwälte", die Verdachtsfällen an Ort und Stelle nachgehen. Slowenien hat der Luxemburger EU-Behörde bisher noch keine Ankläger vorgeschlagen. Medienberichten zufolge stehen die zwei vom Justizministerium ausgewählten Kandidatinnen dem konservativen Ministerpräsidenten Janez Janša nicht zu Gesicht. Beobachter schließen nicht aus, dass es sich um eine bewusste Schwächung der EU-Behörde geht, die eine wichtige Rolle bei der Durchsetzung des neuen Rechtsstaatlichkeitsmechanismus bei der Auszahlung von EU-Geldern spielen soll.

Chefin der rumänischen Antikorruptionsstaatsanwaltschaft

22 der 27 EU-Staaten sind bei der neuen Behörde an Bord. Neben den Schweden, Dänemark und Irland bleiben der EU-Staatsanwaltschaft auch die beiden wegen Rechtsstaatsverletzungen unter Beobachtung stehenden Länder Polen und Ungarn fern. Janša gilt als enger politischer Verbündeter des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán und wirft Brüssel vor, im Umgang mit Ländern wie Ungarn oder Polen mit zweierlei Maß zu messen. Voreingenommen ist Janša auch, was die Justiz des eigenen Landes betrifft. Nachdem er wegen Korruptionsvorwürfen selbst ins Gefängnis musste, attestiert er den Richtern, Staatsanwälten und Korruptionsbekämpfern des Landes politische Motive.

Kövesi kennt sich mit dieser Art von Politikern aus, hat sie doch als Chefin der rumänischen Antikorruptionsstaatsanwaltschaft mehrere führende Vertreter der regierenden Sozialdemokraten hinter Gitter gebracht. Ihre Nominierung zur ersten Chefin der EU-Staatsanwaltschaft boxte das Europaparlament gegen massiven Widerstand der Regierung in Bukarest durch.

Meiste bearbeitete Fälle in Slowenien

In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Bloomberg bezeichnete Kövesi Slowenien als "Grund zur Sorge". "Welche Botschaft will man eigentlich damit aussenden, wenn man weiß, dass die Behörde am 1. Juni ihre Arbeit aufnimmt und man trotzdem keinen Staatsanwalt nominiert hat?", fragte sie rhetorisch. Kövesi berichtete, dass die Regierung in Ljubljana weder auf E-Mail-Anfragen noch auf Telefonanrufe in dieser Angelegenheit reagiert habe.

Gegenüber "Delo" führte Kövesi aus, dass die slowenische Obstruktion die EU-Staatsanwaltschaft nicht lähmen könne. "Wir werden mit unserer Arbeit beginnen. Praktisch wird es aber schwieriger als es ohnehin schon ist, weil wir uns intern reorganisieren müssen, um die fehlenden delegierten Staatsanwälte aus Slowenien zu ersetzen", sagte sie. Laut dem Bloomberg-Bericht zählt Slowenien zu den Staaten mit den meisten zu bearbeitenden Fällen, gemeinsam mit Italien, Rumänien, Tschechien und Deutschland.

Eklat um Propagandavideo

Die slowenische Justizministerin Lilijana Kozlovič betonte indes, dass die slowenische Justiz mit der Nominierung von Matej Oštir und Tanja Frank Eler ihre Arbeit erledigt habe. Laut einem Bericht des Internetportals 24ur.com rief die Politikerin der liberalen Partei des modernen Zentrums (SMC) das Generalsekretariat der Regierung auf, die beiden Namen offiziell nach Luxemburg zu melden. Premier Janša soll die beiden wegen vermeintlich mangelnder Englischkenntnisse diskreditiert haben.

Slowenien übernimmt am 1. Juli für ein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft. Der Ratsvorsitz soll für die Umsetzung von europäischen Gesetzesprojekten in Rat und Europaparlament sorgen. Mit der EU-Volksvertretung legte sich Janša im Vorfeld mehrmals an. So sorgte er bei einer Parlamentsanhörung zum Thema Medienfreiheit in Slowenien für einen Eklat. Janša beendete abrupt einen Videoauftritt, nachdem sich die Ausschussvorsitzende geweigert hatte, ein Propagandavideo der slowenischen Regierung abzuspielen. Per Twitter lieferte sich Janša Gefechte mit dem führenden liberalen Abgeordneten Guy Verhofstadt, nachdem dieser Janšas Angriffe auf eine Journalistin des Portals "Politico" als "Mobbing" kritisiert hatte. Janša erinnerte den belgischen Ex-Premier daraufhin, dass er kein politischer Führer einer "Kolonialmacht" mehr sei, und Slowenien auch nicht der Kongo.

Verhofstadt soll slowenischen Medienberichten zufolge eine Rede Janšas bei der feierlichen Eröffnung der EU-Zukunftskonferenz am vergangenen Sonntag in Straßburg verhindert haben. Laut "Delo" soll Ljubljana dafür lobbyiert haben, dass neben dem aktuellen Ratsvorsitz Portugal und dem übernächsten Frankreich auch Slowenien sprechen dürfe. Schließlich sprachen der portugiesische Premier António Costa und der französische Präsident Emmanuel Macron. Der slowenische EU-Staatssekretär Gašper Dovžan betonte in Reaktion auf entsprechende Berichte am Dienstag, dass Janša an der Zeremonie in Straßburg hätte teilnehmen können, wenn er das gewollt hätte. (APA, 12.5.2021)