Gegen Kanzler Kurz wird ermittelt, er will auch bei einem Strafantrag nicht zurücktreten.

Foto: APA/Hochmuth

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat Ermittlungen gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und seinen Kabinettschef Bernhard Bonelli aufgenommen. Beide werden der Falschaussage vor dem U-Ausschuss verdächtigt und als Beschuldigte geführt. Sie sollen den Untersuchungsausschuss falsch über Vorgänge rund um die Bestellung des Öbag-Aufsichtsrats informiert haben. Es handelt sich um ein Verfahren, das wegen des geringen Strafmaßes vor einem Einzelrichter landen würde, die WKStA könne jederzeit einen Strafantrag stellen, sagte Kurz. Auch dann werde er nicht zurücktreten.

Neu ausgewertete Chats aus dem Smartphone von Öbag-Chef Thomas Schmid hatten vor einigen Wochen gezeigt, dass sich sowohl Kurz als auch Bonelli stärker als bisher bekannt in die Suche nach Aufsichtsräten für die neu gegründete Staatsholding involviert hatten. Die Neos hatten deshalb eine Sachverhaltsdarstellung eingebracht, wegen der sich Bonelli bei seiner letzten Befragung vor dem U-Ausschuss großteils entschlagen hatte.

Das Statement von Bundeskanzler Sebastian Kurz zu den Ermittlungen.
ORF

Kurz: "Aufgeheizte Stimmung" im U-Ausschuss

Kurz und Bonelli sollen erst vor kurzem über ihren Status als Beschuldigte informiert worden sein, für beide gilt die Unschuldsvermutung. Vor dem Ministerrat gab Kurz an, er habe versucht, im U-Ausschuss stundenlang auch Jahre zurückliegende Sachverhalte aufzuklären. Es sei "Methode geworden, im U-Ausschuss mit Unterstellungen eine aufgeheizte Stimmung zu erzeugen". Es werde "schnell versucht, einem das Wort im Mund umzudrehen" und "Menschen in eine Falschaussage hineinzudrängen".

Die ÖVP war zuletzt für eine U-Ausschuss-Reform eingetreten, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka hatte eine Abschaffung der Wahrheitspflicht ins Spiel gebracht, will danach aber falsch verstanden worden sein. Zuletzt hatte Tourismusministerin Elisabeth Köstinger wieder Gespräche darüber angeregt.

Die Vorwürfe

Die WKStA hält Kurz vier mögliche Falschaussagen vor:

  • Er gab an, dass er nicht mit dem damaligen Finanz-Kabinettschef Thomas Schmid über dessen Ambitionen gesprochen habe, bevor sich dieser darum beworben hatte. Im U-Ausschuss befragte Kurz dazu der ehemalige "Kurier"-Chefredakteur Helmut Brandstätter (Neos). Kurz antwortete darauf: "Nein, es war allgemein bekannt, dass ihn das grundsätzlich interessiert." Nach der Befragung wollte Kurz bei der vorgesehenen Prüfung des Protokolls das "Nein" streichen lassen und seine Antwort auf "Es war ja allgemein bekannt" abändern.
  • Auf die Frage nach der Einbindung in seine Entscheidung gab Kurz an, "eingebunden im Sinne von informiert" gewesen zu sein. Schmid schrieb jedoch in Chatnachrichten, zum Beispiel an den FPÖ-Regierungsverhandler Arnold Schiefer, dass "Sebastian will, dass ich noch bleibe" – und zwar im Finanzministerium.
  • Kurz gab außerdem auf die Frage nach der Besetzung des Aufsichtsrats an, er wisse, "dass es im Finanzministerium und im Nominierungskomitee Gespräche und Überlegungen gab – er habe aber die Entscheidungen nicht getroffen. Dazu schreibt die WKStA, es könne festgehalten werden, "dass sich Sebastian Kurz offenbar bereits im Herbst 2018 mit dem Thema der Aufsichtsräte beschäftigte".

Auch Bonelli gab an, dass er "im Zuge" des Bewerbungsprozesses über Schmids Pläne Kenntnis erlangte. Falschaussagen sind juristisch schwierig nachzuweisen, da sie vorsätzlich sein müssen. Diesbezüglich laufen eine Reihe anderer Verfahren, im Burgenland wird auch Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) einer Falschaussage im Commerzialbank-U-Ausschuss verdächtigt. (Fabian Schmid, Renate Graber, 12.5.2021)