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Unterhaltungsserien wissenschaftlich zu erfassen mag kein alltägliches Beschäftigungsfeld an Universitäten sein. Wie sich an der Veranstaltung "Beyond the Wall – Game of Thrones aus interdisziplinärer Perspektive" zeigt, erweist sich diese Art der Auseinandersetzung aber als umso lohnender. Die Fantasy-Serie "Game of Thrones" startete vor zehn Jahren und inspiriert Fans bis heute zur lustvollen Auseinandersetzung mit der Serie.

Die Tagung wurde von den Rechtsprofessoren Anna Gamper und Thomas Müller veranstaltet und lieferte mit Beiträgen aus Rechts- und Politikwissenschaft sowie aus Soziologie, Geschichte, Kunstgeschichte, Musikwissenschaft, Sprach- und Literaturwissenschaft, Theologie und Psychologie Stoff für weitere Vertiefung.

"Game of Thrones" und die Kunst

Welche Rolle die Kunst in "Game of Thrones" spielt, referierte etwa der Kunsthistoriker Lukas Madersbacher. "Ungehemmte Stilbrüche" und einen "auf die Spitze getriebenen Eklektizismus" erkannte Madersbacher im Verwenden von Motiven aus Epochen, die weit über das Mittelalter hinausreichen. So entdeckte er etwa Im Haus von Lord Baelish Requisiten aus der Zeit zwischen dem 12. (Kistchen am Schreibtisch) und dem 20. Jahrhundert (oranges Sofa).

Brückenschläge durch die Epochen der Kunst würden in "Game of Thrones" in allen erdenklichen Varianten durchgespielt, sagt Madersbacher – nicht zuletzt unter Verwendung von berühmten Artefakten, etwa dem "Teppich von Bayeux" als bildgebende Einordnung einer Zeit. Ziel dieser Stilbrüche sei es, ein Bild zu erzeugen, das den Vorstellungen der Zuschauerinnen und Zuschauer vom Mittelalter entspreche.

Teppich von Bayeux ist eines der Kunstwerke in "Game of Thrones".
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Bezüge sah Madersbacher auch zur Filmgeschichte. Eine Truppenformation mit Daenerys Targaryen aus der vierten Staffel sei unverkennbar ein Zitat aus Leni Riefenstahls "Triumph des Willens" – eine Quelle, der sich Fantasyfilme ohnehin gern bedienen.

Die englischen Rosenkriege definierte der Historiker Jörg Schwarz als zentralen Hintergrund von "Game of Thrones" – inklusive aller Motive zwischen Königsmacht, Schuld und Sühne. Die nachhaltig wirkenden Bilder mögen schon jetzt ein Problem für an Universitäten Lehrende darstellen, die bei angehenden Historikern verzerrte Geschichtsbilder fortan erst einmal zurechtrücken müssen.

Wie bei Leni Riefenstahl.
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Bruckners 8. Symphonie (Scherzo)

Auf die Ähnlichkeit zwischen der Urfassung von Bruckners 8. Symphonie (Scherzo) mit der Titelmelodie von "Game of Thrones" wies die Musikwissenschafterin Monika Fink hin. "Die packende, emotionale und bildhafte Titelmelodie" des Komponisten Ramin Djawadi fände ihre Entsprechung im vielfältigen Einsatz von Filmmusik mit allen Mitteln: Diegetische bis extradiegetische Filmmusik bzw. Underscoring-, Mood- und Leitmotivtechniken fänden ihren Einsatz und würden das Drama bereichern.

Die Frage, warum Sprachvarietäten in der deutschen Synchronfassung unberücksichtigt bleiben, behandelte Masterstudentin Christina Scharf. Während in der englischen Originalfassung Akzente und Dialekte soziokulturelle Unterschiede der Figuren betonen und zur besseren Einordnung von multiplen Handlungssträngen und Figuren beitragen, bleibt die deutsche Synchronisation weitgehend ohne diese Nuancen. "Im deutschen Sprachraum ist das so üblich. Man hat sich an die Normen gehalten", sagt Scharf.

Staatslehre

Georg Jellineks Dreistaatenlehre findet die Verfassungsjuristin Anna Gamper in der Staatsbildung bei "Game of Thrones": "Sie verfügen über Staatsgebiet, Staatsvolk und eine zentralistisch ausgeübte Staatsgewalt." Absplitterungen, Unabhängigkeitserklärungen, Kriege und Proklamationen würden die Geschichte dominieren. Eine "zarte demokratische Andeutung" sieht Gamper in der Bezeichnung "König im Norden" (und nicht "of"), was man als gleichbedeutend mit der parlamentarisch-monarchistischen Bezeichnung des King oder der Queen "in parliament" interpretieren könne. Sezessionen wie im Norden erinnern Gamper an die Bestrebungen Katalaniens und Schottlands.

Die Serie zeige auch auf, "dass Sezessionen, die einseitig, gewalttätig und konfliktbeladen vorgenommen werden, meistens scheitern. Sie funktionieren nur in der letzten Folge, als es Sansa Stark gelingt, die Bedingung für Brans Wahl an die Unabhängigkeit des Nordens zu knüpfen." Von der Demokratie sei "Game of Thrones" am Ende aber weit entfernt, noch verweile man im Status einer Oligarchie.

Ästhetik der Macht

Der Soziologe Franz Eder betont die erzieherische Funktion der Serie: "'Game of Thrones' hilft uns, Theorien internationaler Beziehungen besser und mit mehr Freude zu vermitteln." Den Autoren Benioff/Weiss sei "der Transfer von Wissen aus unserer Disziplin in eine breite Masse gelungen", so Eder.

"Die Attraktivität von 'Game of Thrones' basiert nicht auf einem thematischen oder soziopolitischen Realismus, sondern auf den formal-ästhetischen Qualitäten der Fantasy-Fiction", lautet die durch eine Umfrage gestützte These des Soziologen Helmut Staubmann zur Frage der "Ästhetik der Macht". Sexualität und Gewalt seien demnach nicht als Hauptmotive für den Erfolg der Serie zu sehen. Vielmehr punkteten bei der Umfrage narrative Effekte wie Verlauf und Ausgang von Intrigen sowie komplexe Handlungsstränge.

In der seriellen Darstellung des Untergangs der Kulturen, von Ohnmachtsgefühlen und innergesellschaftlichen Konkurrenzkämpfen sieht der Gesundheitspsychologe Gerald Poscheschnik in "Game of Thrones" schließlich einen Spiegel der Gesellschaft.

Und wozu das alles?

Wozu das alles? In der Verbindung zwischen Wissenschaft und Serie versprechen sich Veranstalter und Teilnehmer positive Vermittlungseffekte in der Lehre. Darüber hinaus lässt sich über die unzähligen Details in "Game of Thrones" lustvoll spekulieren. Alle anderen dürfen schauen – und sich einfach gut unterhalten. (Doris Priesching, 13.5.2021)