Wien – Offiziere und Unteroffiziere sollen sie sich im Zuge ihrer Ausbildung auch eingehend mit den Verbrechen des Nationalsozialismus befassen: Vor der jährlichen Befreiungsfeier in Mauthausen am Sonntag hat Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) mit Barbara Glück, der Leiterin der KZ-Gedenkstätte, eine entsprechende Kooperation vereinbart.

Unteroffiziere bei ihrem Dienstantritt: Wohin blinder Gehorsam einst führen konnte, soll ihnen im Zuge ihrer Ausbildung verdeutlicht werden.
Foto: Bundesheer / Daniel Trippolt

Konkret werden angehende Führungskräfte beim Bundesheer ab dem Wintersemester 2021 an der Militärakademie Wiener Neustadt und an der Heeresunteroffiziersakademie Enns dazu verpflichtet, sich mit den Auswüchsen des "Dritten Reichs" auseinanderzusetzen, um ihnen zu verdeutlichen, wohin blinder Gehorsam einst führen konnte. Bekanntlich sind zwischen 1938 und 1945 allein in Mauthausen und seinen 49 Nebenlagern mindestens 90.000 Menschen ermordet worden oder wegen der grausamen Haftbedingungen zu Tode gekommen, ehe US-Truppen am 7. Mai 1945 die Überlebenden befreien konnten.

Aufarbeitung auch in Melk

Geplant ist nun beim Bundesheer, dass sich zunächst jeweils ein Jahrgang im Zuge seiner politischen Bildung auch diesem dunklen Kapitel und den Lehren daraus widmet. Zudem sollen die Grundwehrdiener der Kaserne Melk mit dem Thema befasst werden – denn in der heutigen Kaserne Melk befand sich einst ein KZ-Außenlager.

Für das Fach "Führung, Recht und Moral" wurden gemeinsam mit Pädagogen der Gedenkstätte Mauthausen weitere Komplexe für die Auszubildenden ausgearbeitet: Unter anderem soll dabei die Rolle der Wehrmacht im "Vernichtungskrieg" und Holocaust ebenso beleuchtet werden wie die Konsequenzen für Wehrdienstverweigerer und Wehrmachtsdeserteure. Und ebenfalls auf der Agenda: das Schicksal jener Soldaten der Wehrmacht, die mitunter im Zuge der Verweigerung von Befehlen selbst als Gefangene im Konzentrationslager Mauthausen endeten.

Debatten über Grenzen am Plan

Nicht zu kurz kommen dabei sollen auch Diskussionen mit den militärischen Ausbildnern von morgen, wo "heute die Grenze" zwischen dem Erteilen bedenklicher Befehle erreicht ist und in welchen Bereichen entsprechende Härte zur Vorbereitung auf etwaige Einsätze sehr wohl nötig sei, erklärt Oberst Michael Bauer: "Ein hohes Maß an Disziplin und Überwindung wird den Soldaten stets abverlangt werden müssen. Als unnötige Schikane würde aber etwa gelten, wenn Vorgesetzte ihre Untergebenen ausgerechnet bei minus 20 Grad im Winter erstmals eine Flussüberquerung üben lassen." Seit 1955 stehe gemäß den allgemeinen Dienstvorschriften für alle Soldaten außerdem fest, "dass gesetzeswidrige oder die Menschenwürde verletzende Befehle verweigert werden müssen".

Ministerin Tanner wiederum hält fest: "Ziel der Lehrveranstaltungen mit dem Mauthausen Memorial ist, den angehenden Führungskräften des Bundesheeres zu vermitteln, wie sie selbst hochkomplexe Situationen stets rechtsstaatlich und moralisch fundiert bewältigen können." Die Direktorin der KZ-Gedenkstätte, Glück, begrüßt, dass damit beim Bundesheer "die Gedenkkultur gestärkt" und "die demokratischen Grundwerte" vertieft werden. (Nina Weißensteiner, 14.5.2021)