Auch das Wiener Leitungswasser kommt aus karstigen Regionen.
Foto: Hans Klaus Techt/APA

Nicht nur in Österreich sickert ein großer Teil des Trinkwassers durch Karstböden, bevor es ins Grundwasser und später aus dem Wasserhahn fließt: Bei etwa einem Viertel der Weltbevölkerung ist das der Fall. Kommt es in diesen Regionen zu verstärktem landwirtschaftlichen Einsatz von Spritzmitteln und Dünger, ist Vorsicht geboten, wie eine Simulationsstudie zeigt.

In vielen Fällen wird davon ausgegangen, dass sich solche Stoffe zersetzen, bevor sie ins Grundwasser gelangen. Das Forschungsteam, zu dem auch Fachleute des Laxenburger Internationalen Instituts für Angewandte System Analyse (IIASA), des Umweltbundesamts, der Uni Wien sowie der Uni für Bodenkultur (Boku) gehören, fragte sich, ob die Schadstoffe gerade bei Karstböden nicht doch in Grundwasservorkommen gelangen können.

Besonders in diesen meist aus Kalkstein bestehenden Böden mit ihren Klüften und Höhlensystemen kann Wasser teilweise sehr schnell in tiefere Schichten fließen. Dadurch kann die Erde nicht wie in anderen Regionen ihre "Siebfunktion" wahrnehmen und diverse Stoffe ausfiltern und abbauen, bevor diese im Grundwasser landen. Wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass Pestizide, Medikamente oder Krankheitserreger etwa in Folge von Starkregenereignissen ins Grundwasser gelangen, sei bisher noch wenig untersucht worden, schreibt das Team im Fachblatt "PNAS".

Mögliche Grenzwertüberschreitung

Um das Ganze genauer einzuschätzen, verglichen die Forschenden, in welcher Zeitspanne Wasser von der Oberfläche bis in den Untergrund gelangten kann, und wie schnell verschiedene Schadstoffe in Kalksteinregionen in Europa, Nordafrika und im Nahen Osten abgebaut werden. Hierfür zogen sie exemplarisch drei Stoffe heran, die beim Trinkwasserschutz eine Rolle spielen, wie Studienerstautor und Hydrologe Andreas Hartmann von der Universität Freiburg in Deutschland im Radiomagazin "Forschung aktuell" erklärte: Das Antibiotikum Salinomycin, das in der Tierzucht eingesetzt wird, das Darmbakterium E. coli sowie das Pflanzenvernichtungsmittel Glyphosat.

Bei letzterem konnte man die Modellierung ohne Karstboden auch mit realen Daten aus Nordamerika vergleichen, wo Glyphosat in Grundwasser gemessen wurde: "In Nicht-Karst kommt kaum Glyphosat im Grundwasser an", sagt Hartmann. "In Karst wird der EU-Grenzwert um das Drei- bis 19-Fache überschritten." Insgesamt dürften durch den schnellen Wassertransport bis zu 50 Prozent der Schadstoffe das Grundwasser erreichen können.

Probleme im Mittelmeerraum

Die Abbauzeiten der Stoffe unterscheiden sich natürlich je nach Region. Besonders wichtig wären genauere Analysen etwa im Mittelmeerraum, wo zu den tiefgreifenden Gesteinsrissen erschwerend das trockene Klima hinzukommt. Gerade hier kann starker Pestizideinsatz problematisch sein.

Und: "Je wertvoller ein Öko- oder Trinkwassersystem für unsere Gesellschaft und die Natur ist, desto mehr könnte man überlegen, zu prüfen, ob Schnellfließwege existieren", sagt Hartmann. Dazu gehört das Bewusstsein darüber, wo sich Karstgebiete befinden, wofür auch globale Karten existieren. Wichtig sei außerdem, herauszufinden, ob an bestimmten Orten andere Faktoren wie zerklüftete Gesteinssysteme, Kanäle durch abgestorbene Wurzeln oder andere Löcher den Boden beeinflussen. (red, 12.5.2021)