Die MA 35 wird wegen langer Verfahrensdauern kritisiert. Verschärft wurde das Problem durch die Covid-Maßnahmen und den Wegfall persönlicher Termine. Aktuell sind persönliche Termine nur teilweise und nach vorheriger Vereinbarung möglich.

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Durch den Brexit brauchen Britinnen und Briten, die in Wien leben, künftig einen Aufenthaltstitel. Mehr als 5.000 Anträge wurden bislang eingereicht, 1.720 Verfahren bisher positiv abgeschlossen.

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Lange Verfahrensdauern, die für Antragsteller nicht nachvollziehbar in die Länge gezogen werden. Kurze Öffnungszeiten. Eine mangelhafte telefonische Erreichbarkeit. Überforderte sowie zu wenige Beamte. Das sind die Hauptkritikpunkte, die seit Jahren an der Wiener Einwanderungsbehörde (MA 35) geübt werden – im Februar 2020 etwa von den Neos. Damals waren die Pinken noch in Opposition. Seit dem Eintritt in die Wiener Stadtregierung im Herbst des Vorjahres sind die Neos mit Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr an der Spitze für diese Behörde politisch zuständig.

Die manifesten Schwierigkeiten haben sich seither nicht in Luft aufgelöst. Im Gegenteil: Sie wurden durch die Corona-Einschränkungen noch verschärft. Der zuständige Stadtrat Wiederkehr kündigte aber an, die Problembehörde "in einem mehrjährigen Weiterentwicklungsprozess" zu reformieren. In einem ersten Schritt sollen etwa 50 zusätzliche Mitarbeiter aufgenommen und damit das Personal um rund zehn Prozent aufgestockt werden. Insgesamt werden laut Wiederkehr rund 150.000 Verfahren pro Jahr bearbeitet.

Mehr Beamte, dennoch längere Verfahren

Dass mehr Beamte nicht unmittelbar für kürzere Verfahren für Einwanderer sorgen müssen, zeigt ein Blick in die jüngere Vergangenheit: Da nahmen Verfahrensdauern trotz mehr MA35-Mitarbeitern sogar deutlich zu. Das zeigt eine Anfragebeantwortung von Wiederkehr an die Wiener ÖVP. Demnach gab es im Jahr 2018 in der Behörde rund 369 Vollzeitstellen. 2020 waren es 424: In dieser Zahl enthalten sind auch Mitarbeiter, die der Behörde zusätzlich zugeteilt wurden. Mehraufwand gab es für die MA 35 im Vorjahr vor allem wegen Corona, Brexit sowie Anträgen für die Staatsbürgerschaft von NS-Verfolgten.

Dauerte es 2018 im Mittel rund 82 Tage, ehe ein Erstantrag zu Verfahren auf Aufenthaltsbewilligung bearbeitet wurde, waren es im Vorjahr bereits rund 95 Tage. In einigen Fällen dauert die Bearbeitung sogar Jahre: Diese langjährigen Verfahren werden aber nicht in die jeweiligen Jahresstatistiken der MA 35 eingearbeitet, erfuhr DER STANDARD aus dem Büro von Wiederkehr. Diese werden nur bei mehrjährigen Beobachtungszeiträumen angeführt: So dauerte zwischen 2015 und 2020 die Bearbeitung eines Erstantrags im Mittelwert sogar mehr als 136 Tage.

Covid-Bestimmungen sorgten für Verzögerungen

Erklärt wird der Anstieg der Verfahrensdauer von der Behörde neben mehr Anträgen auch mit den Covid-Bestimmungen "und dem Wegfall der persönlichen Termine". So konnten viele Informationen und Unterlagen nur über den Postweg eingeholt werden, was die Verfahren deutlich verlängerte.

Apropos Mehraufwand: Durch den Brexit brauchen Britinnen und Briten, die in Wien leben, künftig einen Aufenthaltstitel. Mehr als 5.000 Anträge wurden seither eingereicht, die Frist für die Einreichung von Anträgen läuft bis Jahresende. 1.720 Verfahren wurden bisher positiv abgeschlossen, berichtete Wiederkehr. 363 davon wurde der Aufenthaltstitel schon erteilt.

Bei den NS-Opfer-Nachfahren waren es mit Anfang Mai bereits 10.178 Anträge auf Erteilung der Staatsbürgerschaft – davon 3.747 aus Israel, 2.315 aus den USA und 1.878 aus Großbritannien. Knapp die Hälfte (4.621 Verfahren) wurde bisher positiv abgeschlossen, 1.241 Personen haben die Staatsbürgerschaft schon formal erhalten. Elf Anträge wurden bislang abgelehnt.

Telefonisches Servicecenter noch heuer

Um die Probleme mit der telefonischen Erreichbarkeit der Behörde in den Griff zu bekommen, wird ein telefonisches Servicecenter eingerichtet. Dieses werde Ende des Jahres den Betrieb aufnehmen, sagte Wiederkehr. Damit sollen etwa Fragen nach Unterlagen, die Antragsteller mitbringen müssen, bereits vorab geklärt werden können.

"Spätestens im Herbst 2021" soll zudem das im rot-pinken Regierungspakt angekündigte Business Immigration Office (BIO) eröffnen. Dieses wird eine Service-Anlaufstelle für ausländische Schlüsselarbeitskräfte sowie für Firmen, die dringend benötigten Fachkräften aus dem Ausland den Weg nach Wien ebnen wollen. Auch Betriebsansiedlungen aus dem Ausland sind hier Thema.

Darüber hinaus sollen in einem mehrjährigen Prozess die Abläufe der Behörde optimiert werden. Lösungsvorschläge werden von externen und internen Experten erarbeitet, unterm Strich soll es kürzere Verfahren geben. Großes Thema ist auch die Digitalisierung von Akten und Anträgen, dieser Reformschritt soll 2024 abgeschlossen sein.

Die Corona-Krise wird die MA 35 aber noch länger beschäftigen: Durch den eingeschränkten Parteienverkehr wird damit gerechnet, dass der Antragsrückstau erst gegen Ende 2022 abgearbeitet ist. Im kommenden Jahr soll zudem eine eigene EWR-Zentrale entstehen.

Schnellere und mehr Einbürgerungen gefordert

Im rot-pinken Wiener Regierungsprogramm ist zudem von einer "Einbürgerungskampagne" die Rede: Die Stadt Wien fordert da den Bund auf ,"die Hürden beim Zugang zur Staatsbürgerschaft abzubauen". Wiederkehr will sich dafür einsetzen, dass die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen im Staatsbürgerschaftsrecht geändert werden.

Damit sollen laut Wiederkehr auch mehr Einbürgerungen pro Jahr erreicht werden. Er sei der Meinung, dass "die Anzahl der Einbürgerungen in Relation zu den Menschen, die hier leben, zu gering ist". In Wien wurden im Vorjahr nur 3.435 Personen eingebürgert – ein Viertel weniger als im Jahr davor. Laut Wiederkehr löse das auch ein "massives Demokratiedefizit" aus, weil viele Personen, die zum Teil schon lange in Wien leben, als Ausländer etwa bei der Wien-Wahl nicht mitbestimmen dürfen.

Kritik an Erhöhung der Bundesgebühren

Kritisiert wird von Wiederkehr zudem, dass die jährliche Antragsgebühr für den Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EU" mit Anfang 2020 von 14,30 Euro auf 120 Euro erhöht wurde. Das sei "eine Entscheidung des Bundes" gewesen und betreffe in Wien mehrere Zehntausend Personen. Wien müsse das vollziehen. "Das bedaure ich und halte ich nicht für sinnvoll." (David Krutzler, 14.5.2021)