Diskussionen um Einschränkungen von Bargeld sind in Österreich wie ein Stich ins Wespennest. Als EU-Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness zu Wochenbeginn in einem Interview ankündigte, zur Geldwäschebekämpfung eine Obergrenze für Barzahlungen bei 10.000 Euro einzuziehen, lehnte Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) den Vorstoß umgehend ab. "Wir werden keine schleichende Abschaffung des Bargeldes akzeptieren", betonte er reflexartig und fügte hinzu, Münzen und Scheine seien "immer noch das wichtigste und bevorzugte Zahlungsmittel, vor allem in Österreich".

Verglichen mit anderen Ländern ist die Bargeldaffinität in Österreich und Deutschland noch immer stark ausgeprägt.

Umsetzen will die Europäische Kommission die Obergrenze als Teil eines Pakets an Gesetzesvorschlägen gegen Geldwäsche, das sie im Juli vorstellen will. Der Kampf gegen Geldwäsche ist für Blümel "selbstverständlich wichtig", dürfe aber nicht zulasten der ehrlichen Bürger gehen. Im türkis-grünen Regierungsprogramm findet sich ein "Bekenntnis zum Erhalt des Bargelds", allerdings nur "im Rahmen der geltenden Geldwäschebestimmungen".

Aber warum sind Geldmünzen und Scheine in Österreich und Deutschland so ein sensibles Thema? Schließlich sind wesentlich geringere für Barzahlungen in anderen Euroländern wie Italien, Frankreich oder Griechenland längst gang und gäbe. Und ist dies überhaupt ein wirksames Mittel gegen Geldwäsche und Kriminalität? Eine Bestandsaufnahme.

·Zahlungsverhalten

"Nur Bares ist Wahres" – ein Spruch, der in Österreich offenbar weiterhin gilt. Der Finanzminister führte Zahlen der Oesterreichischen Nationalbank ins Treffen, wonach der Bargeldanteil bei Transaktionen in Österreich bei 79 Prozent liege und sich damit über dem Durchschnitt des Euroraums von 73 Prozent befinde. Diese Vorliebe bestätigt auch eine internationale Umfrage des schwedischen Zahlungsdienstleisters Klarna. Während in Österreich und Deutschland 47 Prozent der Befragten bevorzugt mit Bargeld zahlen, sind es im internationalen Schnitt nur 30 Prozent.

Zum Vergleich: Besonders beliebt ist der bargeldlose Zahlungsverkehr mit Karte in Schweden, den dort 72 Prozent bevorzugen. Noch nicht durchgesetzt hat sich das Handy. Am liebsten wird es in den Niederlanden zum Bezahlen gezückt, allerdings auch nur von 17 Prozent.

·Freiheit

Bargeld wird oft mit Freiheit assoziiert – und das trifft insofern zu, dass es seinen Wert in sich trägt. Im Gegensatz zu Giralgeld auf Konten, das für elektronische Zahlungen verwendet wird, benötigen Bürger weder zur Verwahrung noch für die Übertragung Dienstleister wie Banken, die im Hintergrund Kontenregister führen. Diese können nämlich im Gegensatz zu Notenbanken, die das Bargeld ausgeben, auch insolvent werden, wovon auch Einlagen aller Kunden betroffen wären. Daher müssen für Giralgeld zusätzliche Sicherheitsnetze wie nationale Einlagensicherungen eingezogen werden.

·Anonymität

Zahlungen mit Bargeld gelten als anonym, Dienstleister im Hintergrund wissen höchstens, wann man wie viel davon abhebt, aber nicht, wofür es ausgegeben wird. Dies wissen viele Bürger generell zu schätzen, aber besonders, wenn es um den Kauf von ungesunden Genussmitteln wie Tabak oder Alkohol geht. Die Zahlungsplattform Paysafe berichtet, das 51 Prozent der Österreicher ihre Daten beim Zahlen nicht gern hergeben.

·Zinsen

Auf Bargeld gibt es keine Zinsen. Dies war lange ein Nachteil gegenüber Giralgeld, doch der Wind hat mit der Negativzinspolitik der EZB gedreht. Derzeit besteht eher die Gefahr, dass Einlagen mit Strafzinsen – in Deutschland gerne als Verwahrungsentgelt bezeichnet – belegt werden. Dem hat der ÖGH in Österreich zwar bei Privatkunden einen Riegel vorgeschoben, bei Bargeld ist es schlichtweg unmöglich. Daher horten auch Banken große Euroscheine, statt jährlich 0,5 Prozent Minuszins auf Einlagen bei der EZB zu zahlen – dies ist trotz der Kosten für die sichere Verwahrung günstiger.

·Kosten

Dennoch, was die Kosten betrifft, ist der elektronische Zahlungsverkehr wesentlich effizienter, zumal Bargeld ja auch geprägt oder gedruckt werden und von Händlern stets genug Wechselgeld bevorratet werden muss. Schneller ist es auch, daher bevorzugt der Handel eher elektronische Zahlungen. Oft wird für Kartenzahlungen auch mit der Corona-Pandemie argumentiert, laut der Prägeanstalt Münze Österreich besteht aber kein erhöhtes Ansteckungsrisiko durch Bargeld.

·Geldwäsche

Die EU-Kommission führt als Argument für eine Bargeldobergrenze die Bekämpfung von Geldwäsche an. Von der Effektivität dieser Maßnahme sind Verbraucherschützer nicht überzeugt. Geldwäsche laufe oftmals über Unternehmen wie Lokale, die viele kleine Beträge einnehmen würden, also von einer Bargeldobergrenze nicht betroffen seien, betonte VKI-Experte Bernd Lausecker zu Jahresbeginn. Er kritisierte auch, dass Finanzdienstleister alle Daten von Transaktionen über 10.000 Euro erhalten würden. "Dann wäre wieder ein rechtlicher Vorschub geschaffen, dass Institute an solche Daten kommen."

Mit der voranschreitenden Digitalisierung verlagern sich nicht nur legale Aktivitäten stärker ins Internet, sondern auch kriminelle. Dort spielt aber Bargeld gar keine Rolle, sondern vielmehr Kryptowährungen wie Bitcoin.

·Ausgeben

Was für Münzen und Scheine spricht: Kleine Kinder können damit den Umgang mit Geld lernen. Experten betonten, dass auch Erwachsenen die Trennung von Geld bei Barzahlungen eher schwerfällt. Das heißt, Kartenzahlungen machen das Ausgeben, also den Konsum, psychologisch leichter. Ein Nebeneffekt, den die EU-Kommission womöglich sogar wohlwollend in Kauf nimmt. (Alexander Hahn, 12.5.2021)