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Am Mittwoch ging es für die ÖVP bzw. das von ihr geführte Bundeskanzleramt Schlag auf Schlag. Am Vormittag gab Kurz selbst bekannt, dass gegen ihn wegen des Verdachts der falschen Zeugenaussage vor dem parlamentarischen Ibiza-U-Ausschuss ermittelt werde – er bestreitet die Vorwürfe. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) führt in ihrer 58-seitigen Verständigung aus, dass der Kanzler drei Mal falsch ausgesagt habe, es gilt die Unschuldsvermutung.

Drei Stunden später wurde eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) publik, wonach der Kanzler vom U-Ausschuss verlangte Akten "unverzüglich" vorzulegen habe. Der VfGH tritt dann auf den Plan, wenn im U-Ausschuss Meinungsverschiedenheiten auftauchen.

Diese aktuellen Erkenntnisse beruhen auf Anträgen der Opposition, die bestimmte Akten verlangt und bisher nicht bekommen hat. Das Bundeskanzleramt sicherte die Übermittlung aller geforderten Akten an den U-Ausschuss noch am Mittwoch zu, anders als bei Finanzminister Gernot Blümel stand noch kein Exekutionsantrag im Raum.

E-Mail-Postfächer sollen geliefert werden

Zum einen geht es um E-Mail-Postfächer von Kurz, dem damaligen Kanzleramtsminister Gernot Blümel sowie einigen engen Mitarbeitern. Hier droht der Verfassungsgerichtshof zumindest indirekt mit einer Exekution: Nur diese könne klären, ob E-Mails, wie vom Kanzleramt behauptet, tatsächlich "unwiederherstellbar gelöscht" seien. Die Höchstrichter monieren , dass die Nichtlieferung der angeforderten Akten nicht ausreichend begründet wurde. 692 Mitarbeiter des Kanzleramtes hatten versichert, nach einem "detaillierten und nachvollziehbar dargestellten Prüfprozess" keine "abstrakt relevante Akten und Unterlagen" gefunden zu haben. Für den VfGH erfüllen diese Meldungen "bei weitem nicht den Anspruch an eine vollständige Aktenvorlage".

So könne nicht geprüft werden, ob "eine Suche mit Schlagwörtern an sich", wie von den 692 Mitarbeitern durchgeführt, "überhaupt geeignet gewesen wäre, eine umfassende Erhebung aller Akten und Unterlagen zu gewährleisten". Der VfGH könne daher nicht beurteilen, ob Unterlagen tatsächlich nicht vorlagepflichtig seien, also seien diese "unverzüglich" zu liefern. Tatsächlich hat die Opposition aus anderen Ministerien E-Mails erhalten, bei denen der Sender oder der Empfänger im Bundeskanzleramt arbeitet – und die abstrakt relevant für den U-Ausschuss waren.

Think Austria

Zum anderen sind von der Vorlageverpflichtung die Akten und Unterlagen des Thinktanks "Think Austria" umfasst, die eine eigene Stabstelle im Kanzleramt ist. Leiterin des Think-Tanks ist Antonella Mei-Pochtler, die bereits als Auskunftsperson ausgesagt hat. Am 17. Februar forderten die Mandatare den Bundeskanzler auf, "binnen zwei Wochen seiner Verpflichtung zur Vorlage aller aus dem Untersuchungszeitraum stammender Akten und Unterlagen der Stabsstelle Think Austria sowie anderer Organisationseinheiten des BKA in Hinblick auf die Tätigkeiten der Stabsstelle Think Austria nachzukommen".

Am 9. März 2021 kam die Antwort, der Bundeskanzler legte Akten und Unterlagen zur Stabsstelle Think Austria sowie ein Begleitschreiben vor. Darin führte der Bundeskanzler aus, dass ihm keine weiteren Akten vorlägen, die von zumindest abstrakter Relevanz für den Untersuchungsgegenstand seien. Auch die Unterlagen von Think Austria wurden per Schlagwortsuche durchsucht. Allerdings: Von insgesamt 9.530 gelisteten Mails gibt es gemäß Kanzleramt lediglich ein einziges, das von abstrakter Relevanz sein könne. Nur vier Akten seien vorlagepflichtig, da handelte es sich um parlamentarische Anfragebeantwortungen. Nicht einmal die abstrakt relevante E-Mail wurde vorgelegt, sondern als rein privat erachtet. Der VfGH entschied auch hier, dass auch die noch nicht vorgelegten Akten zu liefern seien.

Formfehler bei Antrag auf ÖVP-Handy

Des Kanzlers Handy bekommt die Opposition nicht: Denn mit ihrem Antrag, dass Kurz dem U-Ausschuss die Nachrichten auf seinem Mobiltelefon übermitteln sollte, ist die Opposition abgeblitzt. Konkret sollte Kurz dem Ausschuss alle mit bestimmten Personen ausgetauschten SMS, WhatsApp-, IMessage-, Telegram- und Signal-Nachrichten seines auf die ÖVP-Bundespartei angemeldeten Mobiltelefons vorlegen.

Auch dazu hat die Opposition den Bundeskanzler im März mehrmals aufgefordert, unter Verweis auf verschiedene Paragraphen der Verfahrensordnung. Da das Kanzleramt dem nicht nachkam, rief die Opposition den VfGH zur Klärung an. Allerdings unterlief ihr in Bezug auf Datum beziehungsweise Paragraph ein Formalfehler. Der VfGH wies den Antrag daher als unzulässig zurück. Die SPÖ kündigte bereits an, den Antrag – nun korrekt – noch einmal einbringen zu wollen.

Das Kanzleramt kündigte am Mittwochnachmittag an, bereits zusammengetragene E-Mails noch am selben Tag an das Parlament zu liefern, sowohl in elektronischer als auch teilweise in gedruckter Form. Einzelne Teile würden zudem noch nachgeliefert, hieß es. Dazu habe man Mitarbeitern eine Frist bis Montagmittag gegeben, um noch einmal E-Mail-Postfächer zu durchsuchen und alle in Frage kommenden Nachrichten zu liefern, sofern noch nicht erfolgt. (gra, fsc, ta, 12.5.2021)