Auch Bilder sprechen eine Sprache: Dem Bild vom Eisbären können Umweltpsychologen allerdings meist wenig abgewinnen. Zu weit weg sei dessen Lebensrealität für viele Menschen, um sie zu berühren, sagen sie.

Foto: AFP/KT MILLER

"Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt", sagte der Philosoph Ludwig Wittgenstein. Das bedeutet: Wie wir uns ausdrücken, sogar wie wir denken, hängt davon ab, welche Begriffe uns zur Verfügung stehen. Ändert sich die Welt, ändern sich auch die Begriffe, die wir benutzen, um sie zu beschreiben. Das hat nicht nur die aktuelle Corona-Pandemie mit all den Inzidenzen, Wellen und Lockdowns gezeigt, sondern auch der Klimawandel (oder besser die "Klimakrise"?).

Seither ist in der Politik die Rede von Klimaabkommen, Klimaflüchtlingen, Klimakiller, Klimakinder, Klimaleugner oder Klimanotstand. Wir reden vom Klimaschutz, meinen aber den Menschen-, Tier- oder Pflanzenschutz. Was banal klingt, kann reale Konsequenzen haben: Denn die Art, wie wir über den Klimawandel sprechen, beeinflusst, wie wir damit umgehen, sagen Experten und Expertinnen. Müssen wir unser Vokabular überdenken?

Wort soll Gefahr ausdrücken

Die Diskussion entzündet sich schon an dem eigentlichen Begriff selbst: Heißt es nun Klimawandel, Klimaerwärmung, Klimakrise, Klimanotstand oder gar Klimakatastrophe? Schon 2019 entschied sich die britische Tageszeitung The Guardian dafür, statt Klimawandel vom Klimanotfall oder von der Klimakrise zu schreiben, statt von globaler Erwärmung von globaler Erhitzung und statt von Klimaskeptikern von Klimaforschungsleugnern. Die Begründung: Etwa das Wort Klimawandel kommuniziere nicht genug, in welcher Gefahr sich die Menschheit befinde.

Auch in der Politik wird über die Begriffe diskutiert. Als die USA im vergangenen Jahr von dutzenden Waldbränden heimgesucht wurden, verkündete Jay Inslee, Gouverneur des Staates Washington: "Das sind keine Waldbrände, das sind Klimabrände." Denn während Waldbrände vor allem eine natürliche Ursache implizieren würden, verbinde der Begriff "Klimabrände" die Brände mit der menschengemachten Erderhitzung. 2019 rief auch der österreichische Nationalrat den Klimanotstand aus. Lediglich die FPÖ lehnte den Vorstoß mit der Begründung ab, der Begriff erzeuge eine "Klimahysterie".

"Klimawandel" sehr neutral

"Es ist durchaus ein Unterschied, ob wir vom Klimawandel oder etwa der Klimakrise reden", sagt der Sprachwissenschafter Martin Reisigl vom Institut für Sprachwissenschaft der Universität Wien. Der abstrakte Begriff Klimawandel impliziere einen allmählichen Prozess ohne Zutun konkreter Handelnder. Trotzdem sei der Begriff in vielen Zusammenhängen sinnvoll, weil er sich nicht nur auf die globale Temperaturerhöhung, sondern auch auf veränderte Windverhältnisse, die Zunahme von Wetterextremen, das Steigen des Meeresspiegels und die Veränderung der Niederschlagsmengen beziehe.

Verwende man die Begriffe der Klimakrise und des Klimanotstands, helfe dies, auf die gegenwärtige Problematik und die negativen Folgen der globalen Erwärmung hinzuweisen und Menschen dafür zu sensibilisieren, so Reisigl. Im Vergleich zu dem allgemeinen Begriff des Klimawandels stehe Krise für eine schwierige Situation, in der Entscheidungen getroffen werden müssen.

Keine "Klimakatastrophe"

Global von Klimakatastrophe zu sprechen, hält der Experte aber für nicht sinnvoll. "Geht es um lokale klimawandelbedingte Katastrophen, etwa Überschwemmungen und das Versinken von Inseln wegen des steigenden Meeresspiegels, ist der Begriff berechtigt. Wird der Klimawandel generell als eine Katastrophe kommuniziert, besteht die Gefahr, dass viele Menschen abstumpfen und das Thema als Alarmismus abtun, da sie den Klimawandel in ihrer gegenwärtigen Lebenswelt derzeit nicht als katastrophal wahrnehmen."

Letztlich gehe es aber nicht nur um einzelne Begriffe, sondern auch um den Kontext, in den diese eingebettet sind, so Martin Reisigl.

Bei Bedrohung schalten viele ab

Tatsächlich kann die Art der Kommunikation reale Auswirkungen auf den Umgang mit dem Thema haben. Das hat etwa eine Studie aus dem Jahr 2017 gezeigt, bei der jeweils 120 Österreicher und Argentinier befragt wurden. Von diesen bekam je eine Hälfte der Teilnehmer einen neutralen Text zum Klimawandel zu lesen, während der anderen bedrohliche Fakten vorgelegt wurden.

Das Ergebnis: Jene Gruppe, die mit der Bedrohung konfrontiert wurde, zeigte sich im Anschluss weniger bereit, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen. Und: Österreicher waren nach den bedrohlichen Fakten weniger bereit, ihr Verhalten zu ändern, als Argentinier.

Sprachliche Unterschiede

Laut den Forscherinnen könnte das auf die Tatsache zurückzuführen sein, dass der Klimawandel in Ländern wie Argentinien von den Menschen deutlich spürbarer wahrgenommen wird. Aber auch kulturelle und sprachliche Unterschiede könnten eine Rolle spielen. Statt bedrohlichen Informationen sollten laut den Forscherinnen bei der Kommunikation lieber auf konkrete Handlungsanweisungen gesetzt werden.

Einige Forscher gehen noch weiter. Laut einer australischen Studie soll schon allein die Frage, ob in einer Sprache über die Zukunft im Präsens oder im Futur gesprochen wird, eine Auswirkung auf den Umgang mit Umweltproblemen und dem Klima haben. Menschen, die Sprachen sprechen, in denen vermehrt das Präsens benutzt wird, seien angeblich eher bereit, sich für das Klima und die Umwelt einzusetzen, als jene, die in der Sprache stärker zwischen dem Präsens und der Zukunft unterscheiden, heißt es in der Studie.

Wenig belegt

Sprachwissenschafter wie Reisigl können Studien wie diesen allerdings wenig abgewinnen. "In Wahrheit ist die Sache viel komplizierter", sagt er. Es gebe viele weitere Faktoren, die dabei eine Rolle spielen. Viel wichtiger sei, in welcher Form mit der Klimakrise in Gesetzen, Abkommen, Anleitungen und Empfehlungen umgegangen werde.

"Die Klimakrise wird immer wieder als Problem für das Wirtschaftswachstum dargestellt. Dass das, was metaphorisch Wachstum genannt wird, tatsächlich kein natürlicher Prozess, sondern oft Naturzerstörung und daher Teil des Problems ist, wird zu wenig thematisiert und gesehen", sagt er. Letztlich gehe es darum, die Klimakrise ganzheitlich zu begreifen. "Ob Corona-, Mobilitäts- oder Klimakrise: Alle diese Krisen hängen eng miteinander zusammen. Darüber sollten wir viel mehr sprechen." (Jakob Pallinger 19.5.2021)