Wien – Heirate die Person nicht, bevor du nicht weißt, wie sie mit langsamem Internet umgeht. Ein relativ neues Sprichwort, das neben dem Autofahren eine zweite große Geduldsprobe für die Menschheit thematisiert. Denn ja, langsames Internet ist ärgerlich, in allen Lebensbereichen.

Die Wirtschaftskammer Wien (WKW) hat kürzlich mehr als 2500 Unternehmen dazu befragt, wie zufrieden die Unternehmerlandschaft mit der Internetanbindung in der Hauptstadt ist. Rund ein Fünftel ist sehr zufrieden, knappe zwölf Prozent dagegen gar nicht. Überschlagsmäßig haben 60 Prozent wenig auszusetzen, die anderen 40 sehen ordentlich Luft nach oben. Die Ergebnisse decken sich größtenteils mit jenen derselben Umfrage vor zwei Jahren.

Wie schnell geht es

Im Bericht der Rundfunkregulierungsbehörde RTR zum vierten Quartal 2020 wird Wien eine durchschnittliche Downloadgeschwindigkeit von 33 Mbit attestiert, im ersten Quartal waren es noch 29. Schlusslicht bleibt weiterhin Oberösterreich mit einem Medianwert von 22 Mbit pro Sekunde. Vom vor Jahren von der Stadt erklärten Ziel, 2020 ganz Wien mit 100 Mbit zu versorgen, ist man also noch weit entfernt. Die reale und die mögliche Downloadgeschwindigkeit divergieren jedoch. Ein großer Teil der Wiener Anschlüsse sei bereits "gigabitfähig" gemacht worden, heißt es bei der RTR. "Gigabitfähig" sei aber nicht gleichzusetzen mit der tatsächlichen Nutzung.

Foto: RTR

Die WKW hat einen Forderungskatalog an die Stadt Wien erstellt, um die Breitbandsituation zu verbessern. Allen voran sollte verstärkt auf "Trenching" gesetzt werden, eine kostengünstige Variante zum Verlegen von Glasfaserkabeln. Dabei werden schmale Schlitze in den Gehsteig gefräst, das Kabel wird hineingelegt und der Gehsteig wieder verschlossen. Die Grabungskosten sollen laut WKW auf ein Drittel reduziert werden können.

"Die Pandemie hat gezeigt, dass eine Weltstadt wie Wien es sich nicht leisten kann, beim Internetanschluss hintan zu sein", sagt der WKW-Spartenobmann für Information und Consulting Martin Heimhilcher. Schließlich würden die anderen Bundesländer auch auf Trenching setzen, es sei effizient und günstig. Aber die Stadt verweigere das.

Absage der Stadt

Warum legt sich Wien quer? "Trenching eignet sich sehr gut auf Überlandstraßen zur Verbindung von Gemeinden. In der Stadt geht das nicht", erklärt Thomas Keller, der Leiter der für Straßenverwaltung und Straßenbau verantwortlichen MA 28. "Gehsteige sind voll mit Wasser-, Strom- und Gasleitungen, das Glasfaserkabel wäre immer im Weg, wenn es zu Arbeiten kommt." Rund 10.000 Aufgrabungen gäbe es jährlich. Müsste man immer auf das Glasfaserkabel Rücksicht nehmen, wäre das teurer und aufwendiger – es dürfte schließlich nicht beschädigt werden. "Wir arbeiten mit Steuergeld, dieser Aufwand ist unverhältnismäßig, deshalb wird es auch künftig kein Trenching in Wien geben", meint Keller.

Beim Netzbetreiber Magenta zeigt man sich ob der Situation entspannt. "Grabungen werden mit der Stadt koordiniert, das funktioniert", sagt ein Sprecher. Trenching wäre kostengünstiger, das würde man begrüßen, aber die Situation sei nun mal wie sie sei.

Im ländlichen Gebiet bietet sich Trenching als kostengünstige und effiziente Option für den Breitbandausbau an. In der Großstadt gibt es einen "Interessenkonflikt" mit viel anderer Infrastruktur.
Foto: APA/dpa/Sina Schuldt

Geografische Überraschung

Innerstädtisch zeigt WKW-Spartenobmann Heimhilcher Verständnis für das Problem, würde sich aber zumindest Testbetriebe in den Randbezirken wünschen. Einen derartigen Testbetrieb gibt es der MA 28 zufolge momentan, und zwar am Johannesberg in Favoriten. Dieser sei aber noch nicht abgeschlossen.

Dass mit Hietzing, Liesing und Hernals Unternehmer aus Randbezirken über die Internetanbindung klagen, überrascht vielleicht weniger. Doch auch der erste Hieb, die Innere Stadt, und Margareten scheinen in den unzufriedenen Top fünf auf. Geschwindigkeitsprobleme und zu häufige Störungen seien die größten Probleme. Die Kammer nennt noch weitere Forderungen: Die Mitbenutzung bereits vorhandener Glasfaserinfrastruktur müsse zu attraktiven Kosten ermöglicht werden. Die Gebäudeinfrastruktur gehöre verbessert, etwa über ein Fördermodell für Renovierungen der Inhouse-Verkabelung oder eine Verfahrensbeschleunigung für Standardbauweisen.

Regierung investiert 1,4 Milliarden

Mehr Fokus auf Digitalisierung schreibt sich auch die Bundesregierung auf die Fahnen. Mitte April kündigte sie an, bis 2026 insgesamt 1,4 Milliarden Euro für den Breitbandausbau zur Verfügung zu stellen. 891 Millionen davon stammen aus dem Resilienzfonds der EU, der STANDARD hat berichtet. Weitere 389 Millionen stammen aus Auktionserlösen und 166 Millionen Euro waren ohnehin dafür budgetiert. (Andreas Danzer, 15.5.2021)