Mamma mia! Jonathan und Brigitte Meese spielen Beuys.

Volkstheater / Nikolaus Ostermann

Wien – Wenn es schnell gehen muss und weder Stücktext noch Regisseur existieren und wenn obendrein auch noch ein Hauptdarsteller nicht aufkreuzt (Bernhard Schütz), dann hilft nur eines – der Meese-Style. Und der geht so: Pack deine Mutter in der Protagonistenrolle (Beuys) auf die Bühne, dazu ein echtes ehrwürdiges Pferd (in Wien am besten ein Lipizzaner), übe das rasche Überstülpen jeder Menge Tiermasken (Hund, Haifisch, Einhorn, Schwein usw.) und sorge in regelmäßigen Schüben für genug Easy Listening auf der Bühne, zum Beispiel Sirtaki-Klänge, das Soldatenlied Lili Marleen oder Der Jäger und der Prinz von DAF. Dann läuft’s.

Mithilfe dieses technisch-dramaturgischen Stützapparats brachte der deutsche Künstler und Alleinunterhalter Jonathan Meese seinem Kollegen und dem aktuellen Geburtstagskind Joseph Beuys am Mittwoch im Volkstheater eine einmalige Sause dar: 1000 Jahre Boys (Konzept und Musik: Henning Nass). Es war ein Trostpreis, den Meese, der eigentlich für seine Inszenierung Kampf L.O.L.I.T.A. nach Wien gekommen wäre, dem Publikum hinterlassen hat.

Wagner-Abend 2017

Spätestens seit seinem popkulturell durchlüfteten Wagner-Abend Mondparsifal Alpha 1–8 bei den Wiener Festwochen 2017 hat der Adidas-Kunstdiktator auch in Wien seine Fans. Noch bis Ende des Monats ist auch seine Ausstellung Die Dr. Mabusenlolita in der Galerie Krinzinger in Wien zu sehen.

Jonathan Meese hat jede Menge Manifeste mitgebracht. Doch zuvor geht es dem Guru und Jüngersammler Beuys noch an den Kragen. Denn es sei ja Hochverrat an der Kunst, sie mit Religion oder Politik in Berührung zu bringen, wie der Parteimitbegründer Beuys es tat. Sowieso sei Pippi Langstrumpf die wahre Beuys, weil sie sich – im Unterschied zu ihm – niemals angepasst habe. Dann rennt Meese im Kreis rund um das eingezäunte und mittlerweile durch ein flauschiges Spielzeugtier ersetzte Pferd und skandiert atemlos (definitiv nicht fit genug) die hauseigenen Stehsätze wie "Kunst ist das Geilste von allem".

1000 Jahre Boys ist ein adäquater, schnell extemporierter Meese-Abend, dem das Uferlose, das Chaos, die Überforderung, das Nichtfunktionieren (Mutter Meeses Mikrofon) und die steten Versuche der Errettung ins Aussagekräftige hinüber Spannung geben. Auch Butterpackerl (Beuys und das Fett) wurden zertreten.

PS: Der Sirtaki muss für Jonathan Meese erfunden worden sein.

(afze, 14.5.2021)