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Nach Einschätzung von Branchenexperten dürfte es etwa zwei Wochen dauern, bis die Kraftstoff-Lager in den USA wieder aufgefüllt sind.

Foto: Drew Angerer/Getty Images/AFP

Knapp eine Woche nach dem Hacker-Angriff auf eine der wichtigsten Kraftstoff-Pipelines in den USA sickern Informationen über eine millionenschwere Lösegeldzahlung durch. Einem Bericht der Finanznachrichtenagentur Bloomberg zufolge zahlte die Betreibergesellschaft Colonial osteuropäischen Erpressern fast fünf Millionen Dollar. Das Unternehmen habe den Betrag nur Stunden nach der Attacke in Form einer nicht zurückverfolgbaren Kryptowährung übermittelt, hieß es unter Berufung auf zwei mit dem Vorgang vertraute Personen.

Danach hätten die Hacker Colonial ein Hilfsmittel zur Entschlüsselung zur Verfügung gestellt, um das außer Betrieb gesetzte Computersystem wiederherstellen zu können. Doch dieses habe nur langsam funktioniert, daher habe der Pipeline-Betreiber schließlich auf eigene Datensicherungsinstrumente zurückgegriffen.

Von Colonial war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten. Die US-Bundespolizei FBI macht für den Angriff eine Hackergruppe namens "Dark Side" verantwortlich, die in Russland oder Osteuropa vermutet wird.

Biden: Kriminelle leben in Russland

Ähnlich äußerte sich am Donnerstag US-Präsident Joe Biden. Es gebe starke Anhaltspunkte, dass die Kriminellen in Russland leben. Moskau sei aber nicht in den Angriff verwickelt gewesen. "Wir glauben nicht, dass die russische Regierung in diesen Angriff involviert war."

Die USA hätten Russland aber aufgefordert, gegen die Täter und solche Cyberangriffe und Erpressungsversuche vorzugehen, sagte der US-Präsident.

Keine Panik

Biden forderte die Amerikaner angesichts örtlicher Engpässe bei der Benzinversorgung auf, nicht in "Panik" zu verfallen. "Kaufen Sie in den nächsten Tagen nicht mehr Benzin, als Sie brauchen", sagte er im Weißen Haus. Die Versorgung werde sich in den kommenden Tagen wieder normalisieren und "Panikkäufe werden das nur hinauszögern", sagte Biden. Schlangen an Tankstellen zu sehen, sei beängstigend, räumte er ein. Das wichtigste sei nun aber, "nicht in Panik zu verfallen".

Biden erklärte, die Pipeline solle bereits am Donnerstag wieder mit voller Kapazität im Einsatz sein, woraufhin sich die Engpässe zum Wochenende oder spätestens Anfang nächste Woche auflösen dürften. Dies sei eine "zeitlich begrenzte Lage", betonte Biden. Die Pipeline ist für die US-Versorgung von großer Bedeutung, sie transportiert etwa 45 Prozent aller an der Ostküste verbrauchten Kraftstoffe.

Schrittweise zurück zur Normalität

Die größte Benzin-Pipeline in den USA hat den Betrieb laut Aussagen der Betreibergesellschaft Colonial vom Mittwoch (Ortszeit) schrittweise wieder aufgenommen. Sie warnte jedoch, dass es mehrere Tage dauern dürfte, bis die Anlage wieder normal läuft.

Die Firma hatte Ende vergangener Woche Systeme nach einer Cyberattacke vom Netz genommen, um die Bedrohung einzudämmen. Der Betrieb der Pipeline kam dadurch komplett zum Erliegen, was in Teilen des Landes Benzin-Engpässe verursachte. Die Ölpreise sind am Donnerstag im frühen Handel nach den Gewinnen in den vergangenen Tagen deutlich gesunken.

Benzinknappkeit

Die Lage an den Tankstellen in den USA hatte sich zuletzt verschärft. Patrick De Haan von der Marktanalysefirma Gasbuddy teilte am Mittwochabend (Ortszeit) auf Twitter mit, im Bundesstaat North Carolina sei an 70 Prozent der Tankstellen kein Benzin mehr erhältlich. In Virginia seien 53 Prozent der Tankstellen betroffen, in South Carolina und Georgia sei es jeweils knapp jede zweite. Auch in anderen Bundesstaaten im Südosten der USA gab es demnach Engpässe.

An den Zapfsäulen, an denen Autofahrer Sprit horteten, kam es teils zu chaotischen Szenen. US-Medien verbreiteten ein Instagram-Video von einer Schlägerei an einer Tankstelle in North Carolina, wo sich eine Fahrerin offenbar in der Schlange an einer Zapfsäule vordrängeln wollte. Die US-Verbraucherschutzbehörde CPSC sah sich am Mittwoch dazu gezwungen, auf Twitter davor zu warnen, Benzin in Plastiksackerln zu füllen. Auch in der Region um die US-Hauptstadt Washington – in der nach De Haans Daten jede fünfte Tankstelle ausfiel – berichteten Autofahrer von langen Schlangen an den Zapfsäulen.

De Haan rechnete trotz der schrittweisen Wiederaufnahme des Betriebs der Pipeline mit einer möglichen Verschärfung der Benzin-Knappheit im Südosten der USA vor einer Entspannung der Lage an diesem Freitag. Die Engpässe haben die Spritpreise in den USA auf den höchsten Stand seit dem Jahr 2014 getrieben. Die US-Regierung hatte die Bürger dazu aufgerufen, keinen Kraftstoff zu horten. "Wir haben Benzin, wir müssen es nur zu den richtigen Orten bringen", sagte Energieministerin Jennifer Granholm am Dienstag.

Mehr IT-Schutz versprochen

Als Reaktion auf die jüngsten Cyberangriffe will die US-Regierung den Schutz vor Hackern verbessern. US-Präsident Joe Biden unterzeichnete am Mittwoch eine entsprechende Verfügung, wie das Weiße Haus mitteilte. Damit sollten unter anderem IT-Dienstleister verpflichtet werden, Informationen über ein Eindringen in ihre Netzwerke mit den Behörden zu teilen. Standards für stärkere Cyber-Schutzmaßnahmen in der Regierung sollten modernisiert werden.

Auch bei der Entwicklung von Software für die Regierung sollen künftig höhere Sicherheitsmaßstäbe gelten, wie das Weiße Haus weiter mitteilte. Für die Reaktion der Behörden auf Cyberangriffe soll ein Drehbuch entworfen werden. Die Verfügung sieht die Einrichtung eines Gremiums mit Vertretern der Regierung und der Privatwirtschaft vor, das nach Cyberangriffen konkrete Empfehlungen zur Verbesserung der Sicherheitsmaßnahmen geben kann. (Reuters, Apa, dpa, red, 13.5.2021)