Kanzler Sebastian Kurz ist nun Beschuldigter der WKStA, es gilt die Unschuldsvermutung.

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Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft Kanzler Sebastian Kurz vor, vor dem Ibiza-U-Ausschuss die Unwahrheit gesagt zu haben. Gemäß 58-seitigem Verständigungsschreiben an den beschuldigten Kanzler habe er behauptet, in Sachen Bestellung von Thomas Schmid zum Alleinvorstand der Öbag "nur informiert, aber nicht darüber hinausgehend eingebunden gewesen" zu sein. Ebenso habe er "Wahrnehmungen zur Besetzung des Öbag-Aufsichtsrats bestritten", obwohl er die faktische Entscheidung, welche Mitglieder von der ÖVP nominiert werden, tatsächlich selbst getroffen habe. Zudem geht es laut WKStA um eine Vereinbarung zwischen Schmid und FPÖ-Verhandler Arnold Schiefer zu "ÖIAG neu" (Öbag, Anm.) und Aufsichtsreform. Kurz bestreitet die Vorwürfe und kritisiert die Befragungsweise der Mandatare an diesem 24. Juni 2020.

Die Fragen der Neos

Hier Auszüge aus seiner Befragung zur Bestellung von Schmid. Alle Zitate stammen aus dem Protokoll des Parlaments. Als Erster fragte Helmut Brandstätter von den Neos.

Brandstätter: (...) Thomas Schmid, was ist der für Sie? (...) Ein Mitarbeiter, ein Freund, ein Bekannter, ein Parteifreund? Wie würden Sie ihn aus Ihrer Sicht beurteilen?

Kurz: Ich kenne ihn seit ungefähr zehn Jahren in unterschiedlichen Funktionen (...), und wir haben immer gut zusammengearbeitet, in einer freundschaftlichen Art und Weise. (...) Ich bin weder mit ihm in die Schule gegangen, noch ist er ein Jugendfreund, noch fahren wir gemeinsam auf Urlaub, aber ich wu¨rde sagen, wir haben immer freundschaftlich gut zusammengearbeitet.

Brandstätter: Er war Generalsekretär im Finanzministerium und sollte Chef der Öbag werden. Fanden Sie diese Idee gut?

Kurz: Ich halte ihn für qualifiziert.

Brandstätter: Ist die Planung, dass er Chef der Öbag wird, von Ihnen? Von wem ist das ausgegangen?

Kurz: Von mir ist das nicht ausgegangen, aber soweit ich mich erinnern kann, hat er mich irgendwann davon informiert, dass er sich bewerben wird. Es war auch in den Medien ein Thema.

Brandstätter: Bis zu dem Zeitpunkt, an dem er Ihnen gesagt hat: "Ich möchte mich für diesen ausgeschriebenen Posten bewerben!", haben Sie mit ihm nie darüber gesprochen, dass er das werden könnte?

Kurz: Nein, es war allgemein bekannt, dass ihn das grundsätzlich interessiert, und es war sicherlich auch so, dass immer wieder davon gesprochen wurde, dass er ein potenziell qualifizierter Kandidat wäre.

Auch in den Fragen der Neos-Fraktionsführerin Stephanie Krisper ging es um die Schmid-Bestellung.

Krisper: (...) Haben Sie auf die Bestellung Schmids zum Vorstand der Öbag Einfluss genommen oder zumindest versucht, auf die Bestellung Einfluss zu nehmen?

Kurz: Die Entscheidung über die Bestellung liegt beim Aufsichtsrat. Der Aufsichtsrat hat diese Entscheidung getroffen; und ich habe vorher schon beantwortet, dass ich den Thomas Schmid für qualifiziert erachte und dass ich auch informiert war, dass er sich bewirbt, und dass ich danach informiert wurde, dass die Bewerbung gut gemacht wurde und er auch bestellt wurde.

Krisper: Auch auf den Aufsichtsrat kann man Einfluss nehmen. Demnach: Beantworten Sie bitte meine Frage, ob Sie versucht haben, auf die Bestellung Einfluss zu nehmen!

Kurz: Ich habe nicht den Aufsichtsrat beeinflusst. Der Aufsichtsrat ist in seiner Entscheidung frei. (...)

Die Fragen der SPÖ

Auch SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer beschäftigte Auskunftsperson Sebastian Kurz mit der Schmid-Bestellung.

Krainer: Waren Sie an Gesprächen beteiligt, dass Herr Schmid da der Alleinvorstand werden soll?

Kurz: Ich habe vorhin schon beantwortet, dass ich gewusst habe, dass er sich bewirbt, das war auch medienöffentlich. Ich habe immer gewusst, dass er ein potenzieller Kandidat ist, aber ich habe die Entscheidung nicht getroffen, sondern die Entscheidung hat der Aufsichtsrat getroffen.

Krainer: Waren Sie im Vorfeld eingebunden?

Kurz: Eingebunden im Sinne von informiert, ja.

Krainer: Haben Sie sich für ihn eingesetzt?

Kurz: Ich habe ihn immer für qualifiziert erachtet. Ich weiß nicht mehr, ob mich jemand um meine Meinung gefragt hat, aber hätte mich jemand um meine Meinung gefragt, hätte ich gesagt, dass ich ihn für qualifiziert halte. Die Entscheidung obliegt aber nicht dem Bundeskanzler.

Krainer: Haben Sie sich für ihn eingesetzt?

Kurz: Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mich für ihn eingesetzt habe, aber ich habe ihn für qualifiziert gehalten. Und ja, ich respektiere auch diese Entscheidung. (...)

Eine zentrale Rolle spielt auch der sogenannte Deal mit der FPÖ, in dem sich Türkise und Blaue Posten aufgeteilt haben sollen. (Nicht nur) Brandstätter kam in seiner Befragung auf den "Schmid-Schiefer-Deal" zu sprechen und legte Kurz dabei auch Chatprotokolle vor.

Brandstätter: Auf Seite 38 lesen wir auch, dass Strache an Löger schreibt, es gibt eine Vereinbarung Schmid/Schiefer. Was war das für eine Vereinbarung? (...)

Kurz: Bitte um Verständnis, dass ich mich nicht imstande fühle, da zu SMS zwischen Dritten zu beantworten! Das kann alles sein. Also man trifft in einer Regierung täglich irgendwelche Vereinbarungen, jeder Minister, die Regierung als Ganzes. (...)

Brandstätter: (...) Herr Schmid hat das offenbar in Ihrem Auftrag gemacht – oder ist ihm das eingefallen, hat er sich gedacht: Ich mache für die ÖVP Vereinbarungen!? Herr Strache (Vizekanzler Heinz-Christian Strache, Anm.) schreibt eindeutig, die beiden haben für die Parteien "eine Vereinbarung" – also für die ÖVP und für die FPÖ, oder?

Kurz: Das ist eine Unterstellung. Ich bin Bundeskanzler und nicht Erziehungsberechtigter. (...) Ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung, was die vereinbart haben, ob das eine Personalagenda war, ob das Budgetfragen waren – keine Ahnung.

Die Chats

Die Ermittler der WKStA stellen diesen Aussagen Chats gegenüber, die vor allem aus Thomas Schmids Handy stammen, das bei einer Hausdurchsuchung bzw. freiwilligen Nachschau bei ihm am 12. November 2019 sichergestellt wurde. Viele Daten waren gelöscht, wurden von IT-Experten wiederhergestellt.

Laut WKStA-Schreiben hat Kurz Schmid "bereits im Juni 2017 – vor der Nationalratswahl am 15. Oktober 2017 – den Auftrag erteilt, die Themen Digitalisierung und Beteiligungen zu bearbeiten, (...) und ihn dann in den Koalitionsverhandlungen mit den Verhandlungen des Themas Beteiligungen beauftragt". FPÖ-Verhandlungspartner sei Schiefer gewesen, damals schon sei es um Personalia gegangen.

In einer Unterhaltung Schmids mit Kurz am 16. November 2017 schrieb der Beamte laut Chatprotokoll, dass die FPÖ-Vertreter "ÖBIB neu so (wollen, Anm.) wie wir sie wollen (...). Bei AR (Aufsichtsrat, Anm.) und Vorständen haben sie kein Thema, ÖVP rein zu lassen (...). Cooler Deal für ÖVP."

Am 20. November 2017 sandte Schmid Kurz ein Organigramm der Öbib/Öbag und schrieb:

Lieber Sebastian, das wäre ein von der FPÖ mitgetragener weg wie wir mit Beteiligungen umgehen könnten. Sie hätten noch gerne AWS (Austria Wirtschaftsservice, Anm.) und BIG (Bundesimmobiliengesellschaft, Anm.).

Zwei Tage später schrieb Schmid an Gernot Blümel.

ÖIAG Gesetz neu habe ich für Sebastian fertig. Er will das bis morgen haben. Soll ich das dir geben? Er will es so wie es wir im BMF entworfen haben. (...)

Blümels Antwort: Ja gerne.

Am 15. Dezember bat Schmid Blümel um Hilfe.

Du musst mir echt helfen, das neue Beteiligungsgesetz rasch umzusetzen! Das bist du mir echt schuldig!

Ende Juli 2018 sagte Kurz dem damaligen Generalsekretär im Finanzministerium einen persönlichen Termin u. a. zum Thema Öbib zu.

Schmid: Lieber Sebastian, könnten wir uns vor dem Herbst 30 min zu zweit, privat unterhalten. Würde gerne mit dir u¨ber ÖBIB (...) mit dir reden. Und vor allem über den Zeitplan.

Kurz: Lieber Thomas! Natürlich sehr gerne. Ich lasse Termin ausmachen. AL Sebastian

Für 22. August trugen beide einen Termin ein.

Als der Aufsichtsrat bereits konstituiert war (das geschah am 15. Februar 2019), setzte es Dank des Kanzlers für Schmid, wie die WKStA schreibt. Kurz am 13. März 2019 an Schmid:

Super danke vielmals!!!! Du Aufsichtsratssammler :).

Die Unterhaltung, die sich daraus entsponnen hat und die die WKStA in ihrem Schreiben an Kurz – unter vielen anderen – erwähnt, ging dann nach dem Dank an den "Aufsichtsratssammler" so weiter:

Das ist dort mein Hauptberuf – bitte mach mich nicht zu einem Vorstand ohne Mandate (...)

Kurz mit drei Küsschen: "kriegst eh alles was du willst"

Schmid: Ich bin so glücklich :-))) Ich liebe meinen Kanzler (Renate Graber, Fabian Schmid, 12.5.2021)