Das Bundeskanzleramt hisste die israelische Flagge.

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Es ist ein ungewohnter Anblick, der Spaziergängern in der Wiener Innenstadt am Freitagvormittag offenbart wird: Neben der österreichischen und der EU-Fahne weht auf dem Dach des Bundeskanzleramts in Wien auch die Fahne Israels im kühlen Maiwind. Der Grund: Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) erklärte sich in einem Tweet solidarisch mit Israel, das sich gegenwärtig – einmal mehr – in einem bewaffneten Konflikt mit militanten Palästinensern befindet.

Kurz, der über gute Kontakte zu Israels Premierminister Benjamin Netanjahu verfügt, hatte schon am Mittwoch seine Sorge über die Eskalation ausgedrückt. Vor dem Ministerrat verurteilte er die Raketenangriffe auf Israel scharf und betonte das Recht Israels auf Selbstverteidigung. Kurz forderte eine sofortige Deeskalation. Alles andere wäre ein "Verbrechen gegenüber den Menschen in Israel" und eine Belastung für die ohnehin angespannte Situation in der Region.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen telefonierte am Mittwoch mit seinem israelischen Amtskollegen Reuven Rivlin. Dabei habe er seine tiefe Besorgnis über die Raketenangriffe aus dem Gazastreifen und die Gewalteskalation der letzten Tage ausgedrückt, twitterte Van der Bellen.

Brüssel zurückhaltend

Auch auf dem Dach des Außenministeriums wehte am Freitagvormittag die israelische Fahne. Zuvor hatte sich Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) zurückhaltender geäußert. Nach einem Telefonat mit dem palästinensischen Außenminister Riad al-Malki forderte Schallenberg eine "unverzügliche Deeskalation" und zeigte sich "tief besorgt von der Spirale der Gewalt und den anhaltenden Raketenangriffen aus Gaza".

Auch um die Ecke vom Bundeskanzleramt, am Sitz des Außenministeriums am Wiener Minoritenplatz, wurde die Flagge Israels gehisst.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat von Israel indes Augenmaß bei der Reaktion auf die Angriffe aus dem Gazastreifen gefordert. "Das willkürliche Abfeuern von Raketen der Hamas und anderer Gruppen gegen israelische Zivilisten ist inakzeptabel", teilte er am Mittwoch mit. Zugleich müsse die Reaktion darauf "verhältnismäßig und mit größtmöglicher Zurückhaltung bei der Anwendung von Gewalt erfolgen".

Türkei kritisiert Schritt

Heftige Kritik an dem Schritt Wiens übte umgehend die Türkei, "die gespannte Beziehungen zu Österreich hat und im Nahost-Konflikt offen die Palästinenser unterstützt", wie die Nachrichtenagentur AFP formulierte. Die israelische Flagge zu hissen, sei "nicht moralisch", erklärte Präsidentensprecher Ibrahim Kalin im Onlinedienst Twitter. Durch solch ein Verhalten werde Israel in seiner "Aggression" bestärkt.

Der Politologe und Nahost-Experte Thomas Schmidinger reagierte auf Facebook auf ein Posting von Kurz, der auf das Hissen der Flagge verwies, mit einem scharfen Kommentar: "Anstatt in der Tradition der österreichischen Außenpolitik vermittelnd tätig zu werden, lässt der österreichische Kanzler Kurz am Bundeskanzleramt inmitten eines Krieges einfach die Fahne Israels hissen. Auch hier will jemand wohl bewusst Konflikte schüren, um dann, wenn sich davon wer provoziert fühlt, auf die bösen antisemitischen Muslime zeigen zu können. Für die österreichische Außenpolitik ist damit jedenfalls ein neuer Tiefpunkt erreicht."

Der Politikwissenschafter und Experte für Internationale Beziehungen, Gerhard Mangott, twitterte: "Ich bin solidarisch mit den Israelis, die in Bunkern ausharren müssen. Ich bin solidarisch mit den Palästinensern, deren Häuser zerbombt werden. Ich bin solidarisch mit den Gerechten auf beiden Seiten. Aber ich hisse keine Fahne!"

Nehammer will bei Anti-Israel-Demos konsequenter einschreiten

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) kündigte unterdessen angesichts bisheriger und noch zu erwartender anti-israelischer Demonstrationen in Österreich ein konsequentes Einschreiten der Polizei an. "Alle Landespolizeidirektoren wurden hinsichtlich der Versammlungen in den nächsten Tagen sensibilisiert. Eskalationen müssen verhindert und bei Auftreten von strafbaren Handlungen wird konsequent eingeschritten", betonte der Minister am Freitag.

Bei einer Telefonkonferenz am Freitag mit dem Präsidenten der Israelitischen Religionsgesellschaft Österreich (IRG), Oskar Deutsch, und mit Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) vereinbarte Nehammer unter anderem einen permanenten Kontakt der österreichischen Sicherheitsbehörden mit jenen der Israelischen Botschaft, sowie der Kultusgemeinde. Die Bewachung und der Schutz israelischer und jüdischer Einrichtungen in Österreich sollen verstärkt werden.

Anhand einer Gefahreneinschätzung des Landesamtes für Verfassungsschutz wurde in diesem Zusammenhang laut Landespolizeidirektion Wien für den Bereich der israelischen Botschaft in Wien ein Platzverbot verordnet. "Somit sind das Betreten und der Aufenthalt im Gefahrenbereich verboten." (red, 14.5.2021)