Der deutsche Softwarekonzern SAP ist seit 35 Jahren in Österreich vertreten. Im Februar hat Christina Wilfinger die Geschäftsführung von SAP Österreich übernommen. Als Pionierin sieht sie sich aber nicht, für ihren Führungsstil hat sie andere Führungskräfte beobachtet und aus den Erkenntnissen ihren eigenen Stil entwickelt.

Christina Wilfinger (38) ist seit Februar Geschäftsführerin von SAP Österreich. Davor war sie bei Microsoft bereits im Führungsteam.
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STANDARD: Sie haben an der TU Wirtschaftsingenieurwesen studiert, waren bei Microsoft Österreich bereits im Führungsteam und sind nun die erste Frau an der Spitze von SAP Österreich – Sehen Sie sich als Pionierin?

Wilfinger: Die Pionierarbeit wurde bereits vor mir geleistet. Ich bin einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen – der "perfect match", wenn man so möchte. Ja, ich habe eine technische und wirtschaftliche Ausbildung, und ich habe Führungserfahrung – aber ich habe meine Karriereschritte meistens nie sehr aktiv geplant. Dinge haben sich ergeben, und ich habe aufgezeigt und gesagt: Ja ich möchte Verantwortung übernehmen. Diesen Zugang habe ich schon sehr früh entwickelt. Wenn man im Beratungsgeschäft beginnt, übernimmt man automatisch Verantwortung für ein Thema, für ein Projekt oder Vorhaben. Verantwortung übernehmen und etwas bewegen zu können ist etwas ganz Wesentliches, das treibt mich an und macht mir Freude.

STANDARD: Frauen sind in Führungspositionen noch immer unterrepräsentiert. Was würde Ihrer Meinung nach helfen, mehr Frauen in Führungspositionen zu bekommen?

Wilfinger: Ich glaube, gerade in der IT-Branche sind wir, was den Bereich Diversität angeht, sicher Vorreiter. In vielen Softwarekonzernen sind bereits Frauen in den Geschäftsführungen tätig. Aber generell, denke ich, müssten Frauen noch viel stärker ermutigt werden, sich für Führungspositionen zu bewerben, auch wenn sie nur 80 Prozent der Jobbeschreibung abdecken. Das Fehlende kann frau erlernen.

STANDARD: Welche Unterstützung haben Sie bekommen?

Wilfinger: Ich versuche immer, genau zu beobachten und mir Dinge abzuschauen. Von dieser Beobachtungsrolle kann man viel lernen. Am Ende muss aber jeder seinen eigenen Führungsstil finden. Auch durch Coachings und Mentoring konnte ich viel mitnehmen – nicht nur auf dem Weg zur Führungskraft. Bewusst einen Schritt zurückzugehen und eine bestimmte Situation zu reflektieren und mit jemandem zu besprechen ist für jeden hilfreich.

STANDARD: Was war der beste Rat, den Sie im Laufe Ihrer Karriere bekommen haben?

Wilfinger: Es gibt viele Ratschläge, die ich bekommen habe, aber einer gehört bei meinem Selbstverständnis als Führungskraft sicher zu den prägendsten. "You are not a leader until you created another leader": Diesen Satz hat eine meiner ersten Führungskräfte einmal zu mir gesagt, und der ist mir in Erinnerung geblieben. Als Führungskraft sollte man auch eine Coachingrolle einnehmen. Dafür muss man sich auch einen Schritt zurücknehmen können. Andere dahin zu bringen, dass sie Verantwortung übernehmen wollen, ist Teil meiner Aufgabe.

STANDARD: Hatten Sie Vorbilder?

Wilfinger: Ich habe immer versucht, mir überall ein Stückchen mitzunehmen. Ich kann jetzt nicht die eine Person nennen. Vieles war sehr situativ, und ich habe Dinge einfach ausprobiert. Dieser Mut zum Ausprobieren ist wichtig. Das ist nicht immer ganz einfach, weil man auch scheitern kann. Aber Fehler zulassen zu können ist mir lieber, als es bewegt sich gar nichts. Stillstand ist für mich das Schlechteste.

STANDARD: Sie sind angetreten, um das Führungsteam neu auszurichten – welche Führungskräfte braucht es?

Wilfinger: Ich bin nichts ohne mein Team. Führungskräfte sollen Mut und Eigenständigkeit mitbringen, aber auch Teamplayer sein. Die Teamkultur ist mir sehr wichtig und bringt uns alle voran. (Gudrun Ostermann, 16.5.2021)