"Haben S’ meine Biografie eh?", fragt Richard Lugner, und er freut sich, dass man sie gelesen hat. Ehe man sich’s versieht, hält man ein Kapperl und ein Leiberl mit "Gemma Lugner" in Händen. "Nehmen S’ auch noch die CD mit", befiehlt er. "I bin der Lugner (Olé olé). Davon gibt’s nimmer viele."

Richard Lugner: "Im Internet werde ich mitunter beschimpft. Aber ich habe keinen Computer, da schau ich nicht rein."
Foto: Robert Newald

STANDARD: Seit Corona wurde es um Sie leiser. Kein Opernball, kein Nachtleben, kein Bad in der Menge. Schadet die Krise der Marke Lugner?

Lugner: Natürlich, ich geh ja kaum mehr raus. Im August habe ich mir das Becken gebrochen, mit den Krücken wollte ich nicht weg. Am 2. November war ich im Café Engländer, zwei Kilometer weiter wurde der Terrorist erschossen. Seither bin ich in Österreich nicht ausgegangen.

STANDARD: Haben Sie Angst davor, dass der Zirkus um Sie einmal abreißen könnte und Sie keine Klatschspalten und Fernsehsoaps mehr füllen?

Lugner: Es ist Werbung für die Lugner City, ich mache das ja gern. Wirklich schlimm sind nur diese Selfies. Bei einem Oktoberfest waren es 400 in zwei Stunden. Ich lehne ganz selten ab. Wer weiß, vielleicht sind es Kunden und die sind dann bös auf mich.

STANDARD: In die Lugner City ist Leben zurückgekehrt. Spazieren Sie jetzt wieder stundenlang durchs Einkaufszentrum und heben jedes Papierl auf?

Lugner: Nur noch selten, ein-, zweimal am Tag vielleicht. Ich habe viel zu tun, baue eines meiner Häuser in ein Hotel um. Und wir haben viele Händler verloren: Colloseum, Orsay, Pimkie, Dressmann. Die Leute wollen keine leeren Einkaufscenter. Die gibt es jetzt aber überall. Die SCS oder Plus City sind ja wunderschön, nur zu groß. Ihnen fehlt die Frequenz.

STANDARD: Füllen Sie die Lücken in den Reihen Ihrer Mieter?

Lugner: Das kostet viel Geld. Action zieht bei mir ein. Daran verdiene ich aber nichts. Für Primark sind wir zu klein, wobei die eh keine Miete zahlen. Ein Problem für den Handel ist, dass selbst uralte Wiener Zinsbuden nicht weggerissen werden dürfen, auch wenn nichts Schönes an ihrer Fassade ist.

Richard Lugner: "Geschadet haben mir Entbehrungen während des Krieges nicht. Ich sehe die Welt heute anders."
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STANDARD: "Gemma Lugner" wurde was zutiefst Wienerisches. Ihr Center gilt als Dorfplatz der Stadtkinder. Wären Sie gern so aufgewachsen?

Lugner: Die Welt war damals noch eine andere. Ich wuchs in Wien vis-à-vis dem Ringturm auf. Wir gingen in die Tabor- und Praterstraße. Einkaufen konnte man während des Krieges aber nicht viel. Die Sommer habe ich im Garten in Breitenfurt verbracht, in einem fünf mal sechs Meter großen Haus, das Klo 45 Meter entfernt. Das war unser Traum. Ich war dort sehr glücklich.

STANDARD: Sie wurden in Zimmer, Kuchl und Kabinett groß ...

Lugner: ... mit Klo am Gang. Nachdem der Großvater gestorben war, legten wir die Wohnungen zusammen. Dann fiel in den früheren Trakt eine Bombe. Kinderzimmer und Bad waren weg. Geschadet haben mir Entbehrungen während des Krieges nicht. Ich sehe die Welt heute anders.

STANDARD: Ihr erster Job als Unternehmer war der Umbau eines Stundenhotels. Bekannt wurden Sie durch den Bau der Wiener Moschee.

Lugner: Begonnen habe ich bei der Baufirma Lorenz. Grundsolide war die. Vor 15 Jahren hätte ich sie kaufen können. Gejuckt hätte es mich schon. Aber ich wollte nicht, dass meine früheren Chefs meine Untergebenen sind. Ich selber hatte später 700 Leute und im Sommer noch 500 Leiharbeiter. Ich wollte vor allem schöne Baustellen, was ich verdient habe, war mir wurscht. Den Auftrag für die Moschee bekam ich – obwohl sich ein Baumeister dafür extra beschneiden ließ und zum Islam übertrat.

STANDARD: In der Branche attestierte man Ihnen Handschlagqualität und Perfektionismus. Doch 2003 stand Ihr Bauunternehmen kurz vor der Pleite. Nagt das heute noch an Ihnen?

Lugner: Es war mein Lebenswerk. Freilich hat es mich getroffen. Ich hatte 300, 400 Baustellen im Jahr, die meisten davon im ersten Bezirk. Schwarzarbeit war nicht meines. Ich übergab die Firma meinen Söhnen, als ich zur Wahl zum Bundespräsidenten antrat. Wobei ich gegen den Amtierenden keine Chance hatte. Es ist schade, dass die beiden die Firma nicht weiterführen wollten. Das Baugeschäft ist riskant, aber man kann damit auch Geld verdienen.

STANDARD: Würden Sie sich heute anders entscheiden, fürs Baugeschäft?

Lugner: Glücklich wäre ich gewesen. Aber ich habe ja nicht damit gerechnet, so alt zu werden. Ich hatte mit meiner ersten Frau vereinbart, dass unsere zwei Söhne die Firma bekommen, und daran habe ich mich gehalten.

Nur noch ein, zwei Mal am Tag spaziert Richard Lugner durch sein Einkaufszentrum. "Es wird eine Galionsfigur für die Lugner City brauchen, wenn es mich nicht mehr gibt."
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STANDARD: Statt Bauleiter sind nun Kameras Ihre ständigen Begleiter. Ihre Zahnarztbesuche und Botox-Behandlungen werden medial ebenso ausgeschlachtet wie Ihre Ehekrisen. Warum spielen Sie den Kasperl der Nation?

Lugner: Ich registriere täglich, was über mich geschrieben wird. Vieles ist schräg, manches davon ist auch vernünftig. Im Internet werde ich mitunter beschimpft. Aber ich habe keinen Computer, und da schau ich nicht rein. Da bin ich vielleicht ein bisserl unbedarft. Die Kinder und Jugendlichen mögen mich. Und die Leute von der Müllabfuhr. Wenn sie mich morgens ins Auto grüßen und mir zuwinken, freu ich mich.

STANDARD: Sie breiten der Öffentlichkeit Ihr ganzes Leben aus. Worüber reden Sie nicht?

Lugner: Ich ziehe die Grenzen sicher großzügig. Aber über Sex und solche Details unterhalte ich mich nicht.

STANDARD: Wie gehen Ihre Kinder mit Ihrem Leben im Rampenlicht um?

Lugner: Durch den Niedergang der Baufirma ist das Verhältnis zu einem meiner Söhne getrübt. Eine Tochter ist in Amerika. Meine Tochter Jackie lehnt Medienpräsenz ab. Sie wollte das schon als Kind nicht. Es ist schade, denn es wird eine Galionsfigur für die Lugner City brauchen, wenn es mich nicht mehr gibt. Ich bin wichtig für die Lugner City.

STANDARD: Ihren Geschäftssinn hat Ihre Tochter Jacqueline geerbt?

Lugner: Sie ist die Chefin des Kinos. Da habe ich sie ein bisserl zu sehr hineingestoßen. Wir machen hier Verluste, grauenvoll. Probleme haben aber alle Branchen. Die Leute haben sich ans Onlineshoppen gewöhnt.

STANDARD: Wie viel Geld haben Sie durch die Pandemie verloren?

Lugner: Zwei Millionen Euro sicher. Für neue Geschäfte gibt es nur bescheidene Mieten, keiner will expandieren. Ich werde daher wohl bis zu eine Million im Jahr weniger bekommen. Wichtig wäre eine Zweckbestimmung für Fixkostenzuschüsse.

STANDARD: Daher Ihr neuer Kredit in Höhe von 47 Millionen Euro?

Lugner: Zehn Millionen sind neu. Ansonsten ist es mein alter Kredit zu neuen Konditionen mit Rückzahlung auf zehn Jahre. Er ist auch ein Puffer, sollte wegen Corona was schiefgehen. Aber wir haben nur 25 Prozent Fremdkapital. Ich bin ein gesundes Unternehmen.

STANDARD: Sorgen machen muss man sich um Sie finanziell nicht?

Lugner: Nein, Sorgen muss man sich um mich keine machen, auch wenn es uns nicht mehr so gut geht wie früher. Mir wurde oft angeboten, die Lugner City zu verkaufen. Aber ich habe sie aufgebaut, das kommt für mich nicht infrage. Ich will nicht an ihr vorbeigehen und wissen, sie gehört mir nicht mehr. Meine Söhne sehen das halt anders.

"Ich war extrem schüchtern", sagt Richard Lugner über seine Anfänge als Unternehmer. "G’schreckt bin ich heute nicht mehr. Aber Frauen bin ich nie hinterhergejagt."
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STANDARD: Was hat Sie mehr Geld gekostet: Fehlentscheidungen als Unternehmer oder die Frauen?

Lugner: Wahrscheinlich die Frauen. Meine erste Frau war meine Jugendliebe. Sie hat die Firma mit mir aufgebaut. Ich war extrem schüchtern, hing am Rockzipfel meiner Mutter, wenn ich mich um Arbeit vorstellte. Bei Bauaufträgen schickte ich dann meine Frau vor. Geschäftlich bin ich heute nicht mehr g’schreckt. Aber Frauen bin ich nie hinterhergejagt. Meine erste Frau bekam drei Häuser, mit den Schulden drauf. Meine zweite Frau brannte mit dem Opec-Generalsekretär durch. Meine dritte verstarb nach einer Schönheitsoperation. Die Mausi (Anm. Christina Lugner) erhielt zwei Häuser. Ich bin mit keiner bös und hab nie Scheidungskriege geführt.

STANDARD: Warum geben Sie sehr jungen Frauen sehr seltsame Namen?

Lugner: Das ist nicht von mir erfunden. Die erste und vierte Frau hießen Mausi. Die Medien nannten dann die anderen Hasi, Katzi oder Bambi, Reporter haben das sehr gepflegt.

STANDARD: Es ist vor allem ein sehr abwertendes Frauenbild. Wieso brauchen Sie Frauen als Aufputz?

Lugner: Es benutzen doch viele Männer Frauen als Trophäe. Die Medien luden meine Ex-Freundinnen zu Fernsehserien ein und hofften auf Krieg. Aber alle vertrugen sich gut. Seither habe ich eben viele Tierchen statt nur eine Partnerin.

STANDARD: Verleger Wolfgang Fellner soll Mitarbeiterinnen bedrängt haben. Er weist die Vorwürfe zurück. Wo beginnt für Sie sexuelle Belästigung?

Lugner: Der Goldfisch, eine Bekannte, meint, Männer müssten aggressiv sein und es sei ihre Aufgabe, sich an Frauen heranzumachen. Das gebe es seit tausenden Jahren. War es so, wie es Fellner selbst schildert, wäre es ja harmlos. Aber er ist halt schon ein Freund schöner Frauen. Ein Extrembeispiel: Geht eine Frau mit einem Mann ins Hotelzimmer, kann sie erahnen, dass dieser was von ihr will. Frauen sind halt auch viel aufreizender angezogen als Männer.

STANDARD: Der Mann als Opfer seiner Natur? Ein enger Rock als Einladung zu Übergriffen?

Lugner: Das würde ich so jetzt nicht sagen. Dennoch lebt die Welt davon, dass Frauen Männer anziehen. Ich selbst bin kein aggressiver Mann. Es ist jedoch Alltag, dass manche Männer Frauen an den Busen greifen.

Richard Lugner: "Die Kinder mögen mich. Und die Leute von der Müllabfuhr. Wenn sie mich morgens ins Auto grüßen und mir zuwinken, freu ich mich."
Foto: Robert Newald

STANDARD: Was möchten Sie in Ihrem Leben noch erreichen?

Lugner: Ich bin mit meinem Leben zufrieden, ich habe Fehler gemacht, im Großen und Ganzen aber war es in Ordnung. Ich habe nichts verpasst. Meine Geschäfte in der Baufirma waren halt lebendiger. Ich hatte den Meinl am Graben, den Steffl in der Kärntner Straße, die Synagoge, die griechisch-orientalische Kirche, den Kassensaal der Creditanstalt. Das hat mir Spaß gemacht. Manchmal bin ich ein bisserl wehmütig.

STANDARD: Der Boulevard sucht gerade eine neue Frau für Sie.

Lugner: Es geht mir gut, aber ich bin ein wenig einsam. Ich habe dreimal den Krebs besiegt, und ich hab nicht das Gefühl, mich schon bald verabschieden zu müssen. Nur allein daheim sitzen will ich nicht. Aber das alles ist nicht so einfach, denn Partnerschaften im alten Sinn gibt es keine mehr. Vielleicht haben Sie noch eine, dann sind Sie ein glücklicher Mensch. (Verena Kainrath, 16.5.2021)