Auf der Bühne war die jazzige Vokaltragödin (1915–1959) Billie Holiday (Andra Day) bei sich.

Takashi Seida

Diese Filmbio schafft immerhin eine konzentrierte Szene – zumindest dort, wo sie sich quasi selbst einen "Schuss verpasst". Entschleunigt und benebelt begleitet die Kamera darin die US-Sängerin Billie Holiday durch ihr Heroindelirium, reist mit ihr unter Aufhebung von Raum- und Zeitgrenzen zu ihren frühen Schmerzensjahren.

Vom Disput mit der Mutter, die ihr kleines Mädchen im Puff auffordert, besser selbst anschaffen zu gehen, zieht Holiday in dieser Szene Richtung Südstaatenscheinidylle – bis sie einen Baum sieht, an dem ein Afroamerikaner erhängt baumelt.

Danach das Szenenfinale im leeren Theater; Lady Day, wie Saxofonist Lester Young seine Freundin Holiday nachhaltig "taufte", singt Strange Fruit: "Southern trees bear a strange fruit, Blood on the leaves and blood at the root, Black body swinging in the Southern breeze, Strange fruit hanging from the poplar trees ..."

US-Drogenbehörden wollen Holiday

Mit dieser Drogenepisode, eine Art Wanderung durch Holidays Traumagedächtnis, steuert der Film von Lee Daniels also einmal konsequent auf seine zentrale These zu: US-Drogenbehörden wollen Holiday verbieten, dieses antirassistische Anklagelied gegen Lynchmorde zu singen. Ein Lied, das von Abel Meeropol stammt (einem weißen Lehrer aus der Bronx und Mitglied der kommunistischen Partei). Und: Zweckmäßig scheint der Dienststelle, Holiday indirekt über ihre Drogensucht vor Gericht zu bringen.

Die Aktion leitet der mit Ressentiments vollgepumpte Harry J. Anslinger (Garrett Hedlund). Er setzt einen Schwarzen, den Agenten Jimmy Flechter (Trevante Rhodes), auf Holiday an, der sie zunächst ins Gefängnis bringt. Später wechselt der Polizeibeamte die Seiten und teilt mit Holiday Heroin und Bett. Flechter hat begriffen (auch nach einer Kopfwäsche durch seine Mutter ...), dass er als Schwarzer in einem Drogenkrieg mitwirkt, der auch ein rassistisch geprägter Unterdrückungsfeldzug ist.

Etwas inkonsequent

Es liegt hier zweifellos ein spannender thematischer und biografischer Rahmen vor. Lee Daniels scheinen allerdings Berührungsängste mit den Tiefenschichten der Themen zu plagen. Sowohl der politisch-gesellschaftliche Kontext wie auch der erstaunliche Aufstieg einer (aus dem Nichts kommenden vokalen) Begabung werden mehr gestreift als konsequent bis zu ihrer Erhellung ausinszeniert.

Holiday, die sich aus brutalen Verhältnissen zu einer der Sängerinnen des Jazz entwickelte, wird hier allerdings durch Andra Day vor dem Ertrinken in Trivialität bewahrt, was für sie bedeutet, auch gegen das farblich überkandidelte Setting (und bisweilen streicherlastige Arrangements) anzuagieren.

Phrasierend sucht Andra Day, herber im Klang als Holiday, die Nähe zur großen Stilistin. Dennoch schafft sie es, Individualität zu wahren. Holidays einzigartiges, bitter-süßes Timbre verschmolz ja mit einer Erzählkunst, deren Glissandi den Eindruck einer mit Raffinesse gemixten Zerbrechlichkeit vermittelten. Die Töne trugen quasi Erlittenes stolz in sich. Umso interessanter: Abseits von Äußerlichkeiten (die typische weiße Gardenie im Haar) vermag Andra Day die Songs glaubwürdig auszugestalten.

Wenig Geduld

The United States vs. Billie Holiday (basierend auf dem Buch Chasing the Scream: The First and Last Days of the War on Drugs von Johann Hari) hat allerdings wenig Geduld, das Dramatische dieser Vorlage und dieses Charakters ebenso konsequent auszuleuchten wie Day.

Zwischen prügelnden Ehemännern, Heroinnadeln und Gefängnissen muss gar eine tragikomische Szene her, in der das Ableben eines Hündchens beweint wird. Und, als ginge es darum, den Film zu verkürzen, wird eine Verhaftung in Zeitraffer quasi animationsfilmartig verulkt. Da wirkt der punktuelle Wechsel zu Schwarz-Weiß, mit dem historische Scheinauthentizität simuliert wird, noch als Petitesse.

Immerhin stark die finale Szene als letzter Akt der Selbstbehauptung: Holiday liegt todkrank im Spital, Drogenbeamte drängen sie dennoch zum Geständnis. Bevor sie in einen finalen Lachkrampf verfällt, legt sie den Männern in Grau einen Gegenvorschlag vor. "Leckt meinen schwarzen Arsch!" (Ljubiša Tošić, 16.5.2021)